Profis unterstützen aus dem Hintergrund, damit die Band aus behinderten und nicht behinderten Musikern zu einem Ganzen wird Foto:  

Biennale 2025 - Die Groove-Inclusion-Bigband der VHS Unteres Remstal rockt den Sindelfinger Pavillon und wird vom Publikum frenetisch gefeiert. Vorort war auch das SWR-Fernsehen.

Knapp 30 Musiker erscheinen auf der Bühne im „Wohnzimmer“ der Sindelfinger IG Kultur, manche davon mit Rollstuhl. Tatsächlich besitzt rund die Hälfte der Formation einen Behindertenausweis. Das ist jedoch kein Ausschlusskriterium für musikalische Qualität, wie sich im Laufe des Mittwochabends noch erweisen sollte. Der prall gefüllte Veranstaltungsraum wartet gespannt auf die ersten Noten eines Orchesters, das neben den gängigen Instrumenten einer „Bigband“ auch noch Violine, Melodica oder Tuba in seinen Reihen hat.

Nach einer Anmoderation von IG-Kultur-Mitarbeiter Klaus Haidle, sowie dem Kulturamtsleiter der Stadt Sindelfingen Markus Nau, kann es dann losgehen. „Mo‘ Better Blues“ öffnet einen musikalischen Blumenstrauß, der für jeden Geschmack etwas bereithält. Auch wenn das betreuende und unterstützende Team aus Profimusikern der IG Jazz Stuttgart besteht, hat man sich nicht nur dem Jazz verschrieben, wie es bereits bei der zweiten Nummer des Abends zu hören ist:„Alles nur geklaut“ von den Prinzen deutet an, welch ausgewogener Klangkörper hier auftritt.

Messerscharf synchroner Gesang

Hits wie „Bei Mir Bist Du Shein“ (Andrew Sisters), „Oye Como Va“ (Santana), „Unchain My Heart“ (Joe Cocker) finden im Repertoire genauso Platz wie die Jazzklassiker „Feeling Good“ und „Ain’t Got No, I Got Live”. Letzteres Stück besingt zunächst alle Defizite, die der Mensch so haben kann und schließlich die Erkenntnis, dass einem dennoch so vieles gegeben ist, vor allem die Freiheit und das Leben.

Jenny und Tobias, der im Rollstuhl sitzt und mit einigen Einschränkungen klarkommen muss, singen die meisten Texte des Abends gemeinsam und messerscharf synchron. Das fordert von ihm viel Übung und Engagement. Nach dem Konzert sagt der Heavy-Metal-Fan: „Ich wache mit Musik auf und sie begleitet mich den ganzen Tag bis zum Einschlafen. Durch meinen Vater kam ich zum Jazz. Jetzt genieße ich die Improvisationsfreiheiten und diese Band, in der Hans auf jeden maximal eingeht“. Hans ist Hans Fickelscher, ein renommierter Jazzmusiker und Schlagzeuger, der zusammen mit Arne Meerwein (Saxofon) und Holger Bihr (Schlagzeug) die Band leitet.

Messerscharf synchroner Gesang Foto: Epple

Wie kommt ein Jazzmusiker auf die Idee, eine Band mit behinderten und nicht behinderten Musikern ins Leben zu rufen? „Rosa, die Frau des Profi-Posaunisten Eberhard Budziat kam vor elf Jahren auf mich zu. Der musste damals zwei Posaunenschüler mit Down Syndrom abgeben und wollte ihnen eine neue Heimat bieten. Man fragte mich, ob ich mir vorstellen könne, eine Inklusionsband zu gründen. Da mir die Erfahrung im Umgang mit behinderten Menschen fehlte, zögerte ich zunächst, ließ mich dann aber auch aus Neugierde auf dieses Experiment ein“, sagt Fickelscher.

Durch eine Projektförderung des Sozialministeriums Baden-Württemberg kam man schnell aus den Startlöchern und hatte durch weitreichende Kontakte schon bald einen Auftritt bei einem Festival im größten Konzerthaus Pekings an Land gezogen. Inzwischen hat Groove Inclusion weltweit über 120 Konzerte gespielt und wurde für den deutschen Jazz Preis 2025 nominiert. Im Pavillon wird Groove Inclusion mit dem Prädikat 2025 des bundesweiten Inklusionsprojektes „Hier klingt’s mir gut“ ausgezeichnet; eine Anerkennung für besonderes Engagement gegen Ausgrenzung von Randgruppen.

Musikerlebnis steht über allem

Über allem steht jedoch der Anspruch, gemeinsam Musik zu erleben, wobei Alter, Sprache oder Behinderung in den Hintergrund treten. Als Kooperationspartner treten die Musikschule Fellbach, Jazzclub Armer Konrad, Diakonie Stetten, Inklusionsstelle Stadt Fellbach und die Musikschule Waiblingen in Erscheinung. Drüber hinaus erhält diese Band auch noch Unterstützung und Förderung von prominenten Musikern wie Wolfgang Schmid (E-Bass), Christoph Beck (Saxophon), Joo Kraus (Trompete), Joe Gallardo (Posaune), Clara Vetter (Piano) oder Vincent Klink (Texte, Horn), um nur einige zu nennen. Für Fickelscher ist Groove Inclusion zu einer Herzensangelegenheit geworden. Mimik und Gestik während seiner Konzertleitung offenbaren dies genauso wie auch bei Meerwein, der den ersten Teil des Abends dirigiert, oder Bihr, der bei der Rhythmusgruppe unterstützend im Hintergrund agiert.

Die feinen Leistungen dieser bunt gemischten Combo honoriert das Publikum mit frenetischem Beifall. Einige hält es am Ende nicht mehr auf den Sitzen; sie schwingen das Tanzbein und feiern einen rundum gelungenen Abend.