Die Staatsgalerie sorgt sich um die Sicherheit ihrer Kunstwerke. Foto: dpa/Norbert Försterling

Sie wollten nur zeichnen: Eine Gruppe Studierender der Kunstakademie Stuttgart mussten jüngst beim Besuch der Staatsgalerie ihre Zeichenstifte und Zeichenhefte wieder einpacken. Das Museum fürchtet um seine Kunstwerke. Inzwischen hat es die Maßnahmen gelockert.

Die Aktionen von Klimaaktivisten, die sich „Letzte Generation“ nennen, haben bizarre Situationen zur Folge – auch in Stuttgart. Diese Erfahrung machte jüngst eine Gruppe Studentinnen und Studenten der Kunstakademie beim Besuch der Staatsgalerie. Im Rahmen eines Seminars zum Thema „Urban sketching“ wollten sie im Museum zeichnen. Als die Kunststudenten im Foyer Zeichenblöcke und Zeichenstifte auspackten, schritt die Aufsicht ein. Die Begründung: „Terrorgefahr“. So hat es Max Wölfle, einer der Studenten, vernommen.

Gemeint waren die Umtriebe der „Letzten Generation“, deren Mitglieder unter anderem mit Farbanschlägen auf berühmte Gemälde auf sich und ihr Anliegen, den Klimaschutz, aufmerksam machen. „Wir waren verwirrt“, berichtet der 23-jährige Max Wölfle, der an der Kunstakademie im dritten Semester freie Kunst studiert. Im Studium sei es üblich, dass man in Museen zeichnet. Die Gruppe hätte den Eindruck gehabt, die Staatsgalerie sei mit den Sicherheitsmaßnahmen „übers Ziel hinausgeschossen“.

Kunstprofessor fühlt sich gut informiert

Michael Lüthy, Professor für Kunstgeschichte der Moderne und der Gegenwart an der Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, bestätigt die Einschränkungen für Kunststudenten: „Ich bin jede Woche mit Studierenden in der Staatsgalerie. Das Museum hat tatsächlich aufgrund der Attacken auf Kunstwerke die Besuchsmodalitäten geändert.“ Die Mitnahme jeglicher Schreib- oder Zeichenwerkzeuge in die Ausstellungsräume war untersagt – anders übrigens als beispielsweise im Kunstmuseum am Schlossplatz. Lobend hebt der Kunstprofessor hervor, dass die Staatsgalerie ihn vorab per Mail unterrichtet haben. Seine Studenten waren deshalb informiert.

Transparente Tüten für Stifte und Blöcke

Bei der von einem externen Dozenten geleiteten Studierenden-Gruppe, zu der Max Wölfle gehörte, verhielt sich das offenbar anders. Unverrichteter und ungezeichneter Dinge verließen sie die Staatsgalerie. Diese hat inzwischen reagiert und die Sicherheitsvorkehrungen in diesem Punkt geändert: „Es dürfen zum Zeichnen nun auch wieder Stifte und Blöcke mit in die Ausstellungsräume genommen werden“, sagt Sprecherin Charlotte Kreuter auf Anfrage. Die Zeichenutensilien müssten in einer transparenten Tüte befördert werden, die an der Infotheke zu bekommen sei. „Wenn ein größerer Zeichenblock nicht in den Beutel passt, kann man sich an der Infotheke eine Sondergenehmigung und ein Bändchen holen“, erklärt Kreuter: „Alles andere muss weiter eingeschlossen oder an der Garderobe abgegeben werden.“ Gleichzeitig weist sie darauf hin, dass Schulklassen bevorzugt die Werkstatträume nutzen sollten.

Museum „in Alarmbereitschaft“

Kreuter wirbt um Verständnis für die weiterhin geltenden Beschränkungen. Durch die Angriffe der Klimaaktivisten auf Kunstwerke sei man als Museum „in Alarmbereitschaft versetzt: Dies mache Sicherheitsmaßnahmen unvermeidbar: „Wir sind den immensen Schätzen, die uns vom Land und von verschiedensten Leihgebern anvertraut werden, gegenüber verpflichtet, diese Sicherheit auch in besonderen Zeiten zu gewährleisten“, betont die Sprecherin. Die Bildungs- und Vermittlungsarbeit solle unter der angespannten Sicherheitslage jedoch nicht leiden. Deshalb würden auch für Kinder und Jugendliche Ausnahmen gemacht: „Gruppen von mehr als 23 Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahre dürfen nach vorheriger Anmeldung mit Klemmbrett und Bleistift zum Zeichnen in die Ausstellungsräume“, lautet die offizielle Sprachregelung.

Bei der Gelegenheit gibt Charlotte Kreuter einen Einblick in die Gefühlswelt des Museumsbediensteten: „Für unser Sicherheitspersonal bedeutet die aktuelle Situation eine enorme Mehrbelastung und damit Stress. Viele Kolleginnen und Kollegen sind jeden Tag besorgt, dass ausgerechnet während ihrer Schicht ein Vorfall passieren könnte“, sagt die Sprecherin. Diese Sorge könne durch Sicherheitsmaßnahmen nicht vollständig abgeschwächt werden: „Die geregelte Abgabe von Taschen und Jacken sowie die transparenten Beutel erleichtern jedoch ihre Arbeit.“