Politik und Fußball haben sich auf eine zentrale Stelle für Stadionverbote geeinigt. Foto: Peter Kneffel/dpa

Gegen Krawallmacher wollen Politik und Fußball einheitlicher und konsequenter vorgehen. Das ist das Ergebnis eines - auch umstrittenen - Spitzentreffens. In einem Punkt können Fans vorerst aufatmen.

München - Mit finsteren Mienen hörten sich Bernd Neuendorf und Hans-Joachim Watzke die einleitenden und kritischen Worte von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann an. Nach drei Stunden einer teils kontroversen Debatte wirkten die Spitzenvertreter von DFB und DFL dann schon weniger angespannt - und nicht unzufrieden. Bei einer Fußball-Sicherheitskonferenz in München haben sich Sport und Politik auf ein verschärftes Vorgehen gegen einzelne Gewalttäter geeinigt. Vor kollektiven Maßnahmen bleiben Fans - entgegen großer Befürchtungen im Vorfeld - dagegen vorerst verschont.

Zentrale Kommission für Stadionverbote

Eine zentrale Kommission soll künftig Stadionverbote aussprechen und überwachen. Das ist das wichtigste Ergebnis der Beratungen am Flughafen München. Angesiedelt wird die Stelle bei der Deutschen Fußball Liga. Zusammensetzung, Arbeitsweisen und weitere Details müssten noch erarbeitet werden, hieß es.

"In Zukunft wird es nicht mehr den einzelnen Vereinen überlassen, ob ein Verfahren eingeleitet wird und ob sie es für notwendig halten, ein bundesweites Stadionverbot zu erlassen", sagte Herrmann (CSU), der als Vorsitzender der Sportministerkonferenz zu dem Treffen geladen hatte. Einer der Kritikpunkte der Politik an den Clubs der ersten drei Ligen war, dass diese nicht konsequent gegen Krawallmacher vorgehen - oder sogar kuschen.

"Das war ein echter Durchbruch", resümierte der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) und kündigte an, künftig regelmäßiger mit Vertretern des Fußballs im Austausch zu bleiben. "Ich gehe mit einem äußerst positiven Gefühl aus München weg."

Neuendorf: Fans in Kommission integrieren

Das Spitzentreffen war im Vorfeld teils sehr kritisch gesehen worden. Vereine und Fan-Vertreter warfen der Politik Populismus vor. Laut DFL gaben in einer repräsentativen Fan-Studie 96 Prozent der Stadionbesucher an, sich während eines Spieltags sicher zu fühlen. "Der Fußball insgesamt hat kein Gewaltproblem", sagte dann sogar Innenminister Herrmann.

Mit einem überspitzten Kommentar versuchte DFB-Chef Neuendorf auf teils harsche Formulierungen aus der Politik im Vorfeld zu reagieren. "Nein, die Kernschmelze ist noch nicht eingetreten und wird nicht eintreten." Er räumte aber ein: "Jeder Fall ist einer zu viel." Er will Fans künftig in die Arbeit der neuen Kommission einbinden. "Wir müssen Betroffene zu Beteiligten machen", sagte Neuendorf.

Laut der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) waren in der Saison 2022/23 knapp 26,5 Millionen Menschen zu den Spielen der Bundesliga, der 2. Liga, der 3. Liga, des DFB-Pokals und in UEFA-Clubwettbewerben gegangen. Dabei wurden 1.176 Verletzte registriert, 220 davon waren Polizistinnen und Polizisten. Eine Bilanz der jüngsten Saison 2023/24 gibt es noch nicht.

Keine Kollektivstrafen und Pyrotechnik weiter verboten

Eine Forderung der Politik konnten die Vertreter des Fußballs abwehren: Einige Bundesländer schlugen Kollektivstrafen wie Geisterspiele oder teilweise Sperrungen von Tribünen vor, um gewaltbereite oder Krawall suchende Fans abzuschrecken. Dies wurde nach Angaben von Herrmann nur kurz angesprochen aber nicht weiter vertieft. In anderen europäischen Ländern wie etwa Italien werden immer wieder Tribünenteile - etwa von Auswärtsfans - gesperrt. Ein deutlicher Rückgang von Ausschreitungen ist aber nicht zu beobachten.

Völlig einig sind sich Sport und Politik darin, dass der Einsatz von Pyrotechnik verboten bleibt. "Es ist einfach gefährlich", sagte DFL-Aufsichtsratschef Watzke. Die Vereine seien die Veranstalter von Spielen "und demzufolge können wir das auch nicht erlauben. Das ist völlig klar und das hat auch mit dem eigentlichen Fußballspiel sehr wenig zu tun."

Fans halten Neuerung für nicht zielführend

Von Fan-Vereinigung kam sofort Kritik an den Ergebnissen des Treffens. "Die heute angekündigte Bildung einer zentralen Kommission für die Bearbeitung von Stadionverboten bedeutet eine deutliche Verschärfung und mehr Repression gegen Fußballfans", sagte Linda Röttig, Vorstand im Dachverband der Fanhilfen. "Stadionverbote werden schon heute großteils völlig willkürlich und ohne abgeschlossene Gerichtsverfahren ausgesprochen. DFB und DFL sind viel zu weit weg, um Vorfälle individuell beurteilen zu können. Wenn dieses Vorgehen nun sogar noch verschärft wird, widerspricht dies massiv rechtsstaatlichen Grundsätzen. Gegen dieses Vorgehen werden sich Fans entschieden wehren."

Auch die Fan-Organisation "Unsere Kurve" hält die Neuerung für nicht zielführend. "Lokale Stadionverbotskommissionen haben sich über mehr als zehn Jahre bewährt", hieß es. Darüber hinaus bliebe ein Festhalten am Verbot von Pyrotechnik wirkungslos. "Es ist nun genau das eingetreten, was von Fanseite prognostiziert wurde - populistische Forderungen werden rausposaunt, aber Sachkenntnis ist nirgends zu erkennen. Das passiert, wenn man nicht miteinander, sondern nur übereinander spricht", sagte der Sprecher von "Unsere Kurve", Thomas Kessen.