Wolfgang Junker, Abteilungsleiter der HSG Ca-Mü-Max, ist vom Zusammenhalt der Vereinsmitglieder während der Corona-Krise begeistert. Von ihnen bekam er auch viel Zuspruch, als er selbst schwer an Foto: /Torsten Streib

Für Abteilungsleiter Wolfgang Junker ist die HSG Cannstatt-Münster-Max-Eyth-See bislang gut durch die Pandemie gekommen und erfährt eine große Solidarität von den Mitgliedern.

Bad Cannstatt - Die Pandemie wird allen in Erinnerung bleiben – Wolfgang Junker, dem Abteilungsleiter der Handball-Spielgemeinschaft Cannstatt-Münster-Max-Eyth-See, ganz besonders. Er war im November 2020 an Covid-19 erkrankt und dies mit schwerem Verlauf. Er lag unter anderem drei Wochen auf der Intensivstation. „Zum Glück benötigte ich keinen Luftröhrenschnitt oder Intubation, dafür aber eine Sauerstoffbeatmung und anfänglich zeichnete sich ein Nierenversagen ab“, sagt der 64-Jährige. Mittlerweile geht es ihm wieder besser, aber „auf der Höhe wie vor der Krankheit bin ich bei Weitem nicht.“ Und weil er das Virus schmerzhaft erfahren musste, „habe ich auch keinerlei Verständnis für Querdenker, Leugner oder sonstige Gegner“. Blickt er auf den Sport und die Pandemie, dann ist er vor allem vom großen Zusammenhalt innerhalb der HSG begeistert. „Es ist wie eine große Familie, die Mitglieder sind sehr solidarisch, eine Austrittsflut gab es nicht zu beklagen“, sagt Junker im Gespräch.

Herr Junker, nun sind Sie seit März 2019 im Ruhestand, hätten also noch mehr Zeit, sich um die Geschicke der HSG zu kümmern. Gab es während der nun mehr als ein Jahr andauernden Pandemie überhaupt was zu tun?

Bis März 2020 war der Ablauf in Planung und Durchführung bei der HSG ja wie gewohnt, mit dem kleinen Unterschied, dass ich ‚nebenher’ nicht mehr berufstätig war. Und dann, ab Fasching 2020, kam alles anders. Es begann noch mal eine völlig neue Zeit – die Pandemie. Die veränderte Situation brachte zunächst für alle Beteiligten Unklarheit. Eingeteilte Spiele wurden abgesetzt, was für meine Tätigkeit im Handballbezirk als Staffelleiter der männlichen A-Jugend ein entsprechendes Mitwirken erforderte, bis seitens des Handballverbandes die Entscheidung auf Einstellung des Spieltriebes verkündet wurde. Doch der Sport kennt ja bekanntlich keinen Stillstand, auch nicht bei der HSG. Deshalb mussten zur Durchführung des Trainingsbetriebes im Freien unter dem Motto ‚return to play‘ verschiedene Konzepte erarbeitet werden. Unser Jugendkoordinator Simon Junker gestaltete für den Neustart unserer kleinsten Handballer die Grundlagen im sportlichen Bereich dafür. Für die Nutzung der Sportflächen ab den Pfingstferien 2020 waren Hygienekonzepte erforderlich. An dieser Stelle muss ich Joachim Hoffmann meinen besonderen Dank aussprechen, unserem Mann für die Spieltechnik in der HSG. Fast unermüdlich setzte er sich mit den verschiedenen Stellen bei der Stadt Stuttgart, im Handballverband und -bezirk in Kontakt und auseinander.

Haben Sie beziehungsweise der Verein die Pause genutzt, um Dinge zu erledigen, die keiner gerne macht, aber irgendwann mal gemacht werden müssen?

Ja. Wir räumten zum Beispiel in den Pfingstferien unsere Sport- und Spielgeräte aus der Elly-Halle. Wegen Renovierungsarbeiten unter anderem im Sanitär- und Umkleidebereich fiel in der Sporthalle diese Einlagerungsmöglichkeit weg. Der TSV Münster stellte uns glücklicherweise ausreichend Platz für eine Zwischenlagerung zur Verfügung. Mit dem Lockdown kam dann die neue Herausforderung – jetzt mussten ja jede und jeder alles geben, um die Kinder, Jugendlichen und Aktiven weiter so aktiv wie möglich zu begleiten. Und das ist eine Aufgabe, die uns natürlich bis jetzt beschäftigt. Insgesamt wurde es nie langweilig.

Schauen wir auf die aktiven Mannschaften. In vielen Sportarten haben Verantwortliche die Befürchtung, dass Ihnen ob der langen sportlichen Pause, dem Umschalten in den Chillmodus oder der teilweise neu oder wieder entdeckten Zeit für andere Hobbys, Freunde oder Familie SpielerInnen verloren gehen werden. Wie sieht es bei Euch aus?

Unsere jungen Männerteams haben einen tollen Zug aus sich selbst heraus. Die wollen jetzt einfach zusammen weiter etwas aufbauen. Und unsere Frauen haben für sich ein klares Ziel formuliert: durchstarten. Bei vier Spielerinnen ist die Familienplanung in den Vordergrund gerückt. Herzlichen Glückwunsch dazu! Weiterhin ist mir ein Vereinswechsel bekannt und eine Spielerin hängt die Handballschuhe an den berühmten Nagel.

Und im Kinder- und Jugendbereich?

Da ist mir erst recht nichts von einem Schwund bekannt. Wir hatten ja im Mini-Bereich trotz zweier Gruppen in Cannstatt und Münster vor der Pandemie Kapazitätsprobleme. Und wir haben jetzt schon wieder so viele Anfragen, wie und wann es wieder losgeht, dass ich nicht an einen Schwund glauben möchte. Wie es bei den Jugendlichen aussieht, muss man tatsächlich sehen. Aber auch hier sind die Rückmeldungen so, dass ich glaube, dass die Möglichkeit, wieder gemeinsam etwas erleben zu können, ein echter Magnet für den Handball ist.

Dem Nachwuchs fehlt ein Jahr. Glauben Sie, dass es deshalb sportartspezifische Rückstände geben wird, die gar nicht oder schwer aufzuholen sein werden?

Mit unserer Stärke im unteren Jugendbereich sind wir da wohl weniger betroffen. Anders ist es für unsere Spieler etwa in den Team Stuttgart-Mannschaften. Da muss man vermutlich schon manches noch einmal von vorne üben. Für alle HSG-Kids wird es nach den Pfingstferien Trainingsangebote im Freien geben – da ziehen unsere Hauptvereine mit ihren Kleinspielfeld-Angeboten toll mit.

Mehr als ein Jahr ruhte der Sport. Zeigen sich die Mitglieder solidarisch oder musstet Ihr schon mehrere Austritte verkraften oder Forderungen nach Beitragsrückerstattung nachkommen, weil ja praktische keine Gegenleistung stattfand?

Gezittert haben wir da schon ein bisschen. Aber wir sind sensationell stabil. Und wir haben wirklichen Sportsgeist von allen erlebt. Das beginnt bei den Mitgliedern und endet bei den Aktiven-Trainern, die Teile ihrer Vergütung wieder zurück gespendet haben. Die HSG-Handballfamilie zeigt sich absolut solidarisch – und das macht mich schon auch stolz.

Dennoch geht Geld verloren. So fallen auch Einnahmequelle wie Euer traditionelles Sommerfest mit Turnier oder die Einnahmen über den Getränkeverkauf bei den Heimspielen weg. Wie hoch beziffern Sie die Einbußen?

Treffer. Ein ganz wunder Punkt. Denn da geht es ja nicht nur um die Einnahmeverluste von 8000 bis 10 000 Euro, wenn man Sommerfest, Eintrittsgelder, Meldegelder und Spieltagbewirtung summiert. Da bricht ja auch einfach ein Miteinander weg. Im Engagement für die Teams, für die HSG, für den Handball verbunden – das ist ja eigentlich das Signal, wenn man zu uns zum Sommerfest, zu Heimspieltagen oder Mini-Spielfesten kommt. Bei den Zahlen gibt es aber auch die Gegenrechnung: kaum Hallenkosten, kaum Einkäufe. Das Minus in Euro hält sich unter dem Strich in Grenzen. Ein Dank geht auf jeden Fall an unsere Hauptvereine – auch in der Pandemie sind die anteiligen Gelder ohne Abstriche geflossen. Das gab natürlich enorme Sicherheit.

Und dann sind da ja noch die Abgaben an den Verband, obwohl nur eine handvoll Spiele bestritten wurden. Was fällt da an und finden Sie es gerecht, dass der Verband diese in voller Höhe trotz „eingeschränkter Leistung“ einstreicht?

Ein schwieriger Punkt. Da ist in den zuständigen Gremien mit gutem Grund kontrovers diskutiert worden. Umso mehr, als sich hier auf einmal ein Widerspruch mit dem eigentlich so tollen Engagement des HVW ergab. Ich glaube aber, dass der Bezirk wie der HVW die letztlich von den Vereinen ja doch geleisteten Zahlungen durchaus als Vertrauensvorschuss versteht. Unverständlich ist nach wie vor die Forderung von Geldern für Schiedsrichtermangel. Für uns war die Saison 20/21 nach zwei Wochenenden vorbei. Das kann ich mit der geforderten Zahlung nicht aufwiegen.

Gibt es auch positive Dinge, die Sie der Pandemie abgewinnen können?

Das kann ich eigentlich nur ganz persönlich beantworten. Leider hat mich das Virus gehörig aus der Bahn geworfen – und ich habe in dieser Zeit tollen Zuspruch aus der ganzen HSG bekommen. Sich gerade in solchen Momenten „getragen“ zu fühlen – das kann wirklich helfen. Und natürlich gilt umgekehrt meine Hochachtung unserem Männertrainer Martin Mössner, dem wir ja leider auch nur von fern beistehen konnten, wieder in die Halle zurückzukehren. Das sind vielleicht nicht von ungefähr menschliche Aspekte. Unter dem Strich glaube ich, dass das Miteinander in der Distanz noch einmal an Tiefe und Ernst gewonnen hat.

Die Inzidenzzahl sinkt, die Zahl der Geimpften steigt. Wann rechnen Sie mit der Rückkehr in die Hallen und zum normalen Spielbetrieb?

Am besten natürlich im normalen Saisonrhythmus, sprich im September. Ich glaube aber, wir sind gut beraten, hier sehr vorsichtig zu sein. Und ‚normaler Spielbetrieb’ – das bleibt doch für wohl lange Zeit mit dem Zusatz ‚unter Pandemiebedingungen’ versehen. Eine Riesenherausforderung! Bei den Hygienekonzepten haben wir erlebt, dass die Stadt Stuttgart den Vereinen die Organisation überlassen hat. Wird das jetzt wieder so sein? Welche Nachweise sind gefordert? Und was dürfen Vereine, Trainerinnen und Trainer dann wie und wann abfragen? Da ist schon sehr viel zu klären.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Oh – uns allen doch zuerst und vor allem Gesundheit. Und ganz besonders begeisterte Kinder, die verschwitzt und mit glänzenden Augen vom gemeinsam Erreichtem erzählen.

Die Fragen stellte Torsten Streib.