Hugh Grant als selbstironischer Buchhändler im Film „Notting Hill“ Foto: imago/United Archives

Understatement ist aus der Mode gekommen. Jeder will auf Instagram und Linked-In der Größte sein. Dabei ist das doch gar nicht lustig und echt uncool. Für Frauen ist das Understatement so oder so kompliziert. Warum? Wir klären auf.

Er ist ein unsportlicher Tollpatsch, ein akademischer Wuschelkopf, ein mäßig erfolgreicher Buchhändler – so bricht Hugh Grant 1999 in seiner Rolle im Film „Notting Hill“ die Herzen der Frauen. Der Klassiker, der in diesen Weihnachtsferien wieder in vielen Wohnzimmern läuft, lebt vom stilvollen Understatement dieses Typen. Als Julia Roberts’ Figur ihm ihre Liebe gesteht, erwidert der Buchhändler: Das werde wohl nichts, man sei zu verschieden, ihren Namen kenne jeder, seiner werde bisweilen sogar von seiner Mutter vergessen.

Das ist ziemlich witzig. Hitchcock soll in einem Interview, das Francois Truffaut einmal mit ihm geführt hat, gesagt haben: „Mich amüsiert nichts mehr als die Komik des Untertreibens.“ Understatement bedeutet so viel wie Bescheidenheit oder Zurückhaltung, auch das Herunterspielen höchst dramatischer Vorgänge, typisch für den britischen Humor.

Einer, dem es kaum gelingt, elegant über einen Zaun zu klettern

Jahrzehntelang war das eine Haltung, die man mit Würde tragen konnte. Männer wie auch Woody Allens Filmfiguren, eher Künstler, eher schlau, galten als attraktiv, selbst wenn sie andere Defizite offensichtlich zur Schau stellten. So wie der Buchhändler in „Notting Hill“, dem es kaum gelingt, über einen Zaun zu klettern, ohne herunter zu plumpsen und seine beige Cordhose zu zerreißen. Zum Bild gehört auch ein genieartig inszenierter latenter Wahnsinn, der sich im medusenhaft wirren Eigenleben des Haupthaares oder einer notorischen Alltagsvergesslichkeit zeigt. Underdogs waren solche Männer immer, aber stilvoll, lustig und interessant. Ein Gegenentwurf zum selbstverliebten Stutzer, zum Fitnessstudioangeber.

Heute hat es diese Haltung so schwer wie nie. Bei Linked-In und auf Instagram, in Business-Coachings und im Freundeskreis will jeder der Größte sein, will jede perfekt erscheinen. Dabei ist das doch gar nicht lustig und auch ziemlich uncool. Die Selbstoptimierung und perfekte Eigendarstellung hat längst alle erreicht über Ratgeber, Medienberichte, Social-Media-Posts. Und bei dieser neuen Lebensform erscheinen Schwäche und Ironie als Programmfehler. Es wäre kontraproduktiv, statt zu übertreiben gar zu untertreiben. Und mehr noch: Ironie wird oft überhaupt nicht mehr verstanden. Das könnte man als tragisch werten, denn das Spielerische am Understatement ist ja von Anfang an ein wechselseitiges. Das Gegenüber wird aufgewertet dadurch, dass man ihm zutraut, das Spiel zu durchschauen.

Frauen wird ständig geraten, die eigenen Erfolge zu betonen

Für Frauen bleibt Understatement trotzdem kompliziert. Ihnen wird im Arbeitsumfeld ständig zum Gegenteil geraten, nämlich das eigene Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, auf selbst Geleistetes hinzuweisen – immer mit dem Verweis, auch Männer würden sich selber loben. Wenn sich eine Frau selbstironisch kleiner macht, rollen heute andere mit den Augen. Dieses Verhalten war schließlich früher allzu verbreitet, es war geradezu ein von Frauen erwartetes,und viele glaubten, es lasse sie sympathischer wirken. Andere wussten, so manche Frau setzte es gezielt ein, um nicht als Konkurrenz wahrgenommen zu werden. Eine clevere Methode, mit der manche bisweilen ungestört an die Spitze klettern konnten, weil Konkurrenten sie längst aus dem Blickfeld verloren hatten.

Wüsste man nicht ums flatterhafte Wesen der Zeitläufte, dass, was aus der Mode kommt, immer wiederkehrt, könnte man sich also sorgen. Doch bald schon dürfte den ersten klar werden, dass der, der untertreibt statt sich ständig selbst zu loben, damit etwas Entscheidendes zeigt. Nämlich dass er die ganz große Show gar nicht nötig hat. Eine vorteilhafte, eine sehr lässige Position.