Der Vintage-Trend in Stuttgart setzt sich fort. In der Marienstraße hat das ReSales eine Filiale eröffnet. Mit welchen Ideen zwei Start-ups ausrangierte Kleidung veredeln.
Vor wenigen Tagen hat sich der Vintage-Laden Still Thrifting mit einem Closing-Event aus der Königstraße verabschiedet. Nicht etwa, weil die Kundschaft gefehlt hätte, sondern weil die Fläche von vornherein nur für eine temporäre Nutzung gedacht war. Die Stuttgarter Macher von Still Thrifting sind bereits auf der Suche nach einem neuen Ladenlokal beziehungsweise einer Pop-up-Fläche zur Zwischenmiete. Dabei seien nicht nur die meist faireren Konditionen als bei längeren Mietverträgen ausschlaggebend, sondern auch der „Wow-Effekt“, sagt Paul Kümmerle. Die Herausforderung sei, sich ständig neu zu erfinden und so den Laden relevant zu halten.
Relevanz – das hat das Thema Vintage auch in Stuttgart längst. Dabei geht es den Kunden nicht nur darum, stylische Mode und Nachhaltigkeit zu verbinden. Inzwischen haben manche Teile und Marken, die es neu längst nicht mehr zu kaufen gibt, regelrechten Kultstatus erreicht. Dazu kommt der Trend des Upcycling: Aus abgelegten Kleidungsstücken werden in aufwendiger Handarbeit quasi neue Unikate, die auch ihren Preis haben. Eine Neueröffnung in der Innenstadt und zwei innovative Start-ups belegen das.
Ambiente wie im klassischen Einzelhandel
Im März hat in der Marienstraße das ReSales eröffnet, das gebrauchte Kleidung auf einem professionellen Niveau verkauft. Auf drei Etagen und 400 Quadratmeter Fläche werden Kleidung für Damen, Männer und Kinder sowie Accessoires und Schuhe in einem Ambiente präsentiert, das sich nicht von dem des klassischen Einzelhandels unterscheidet. Das neue Stuttgarter Geschäft ist eine von mehr als 50 Filialen der Texaid-Gruppe, die mit rund 1100 Mitarbeitern nach eigenen Angaben zu den „führenden Textilrecycling-Organisationen in Europa“ zählt. Texaid hat vier Sortierbetriebe in der Schweiz, in Ungarn, Bulgarien und Deutschland. Laut dem Unternehmen könnten aufgrund des aufwendigen Sortierverfahrens rund zwei Drittel der Textilen in ihrer ursprünglichen Form weiterverwendet werden, „also ein Hemd wieder als Hemd“, und kämen als solche wieder in den Laden.
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In der Marienstraße findet sich neben dem Sortiment, wie man es von den Secondhandläden kennt, in einer eigenen Abteilung auf rund 100 Quadratmetern die Zweitmarke Vintage Revivals. Sie richte sich an eine ganz andere Zielgruppe, teilt das Unternehmen auf unsere Nachfrage hin mit. Hier seien die Käufer „modebewusste Individualisten“, die den Besuch einer Vintage-Revivals-Boutique auch als „Showbühne zur Selbstdarstellung“ nutzten. „Dabei steht nicht nur das erworbene Kleidungsstück im Vordergrund, sondern vielmehr auch der Akt der Beschaffung. So soll es sich um alte, ausgefallene Kleidungsstücke handeln, die heute nicht mehr so zu erwerben sind.“
Jeans werden veredelt
Christopher Herrmann geht mit seiner Modemarke Thxmate (in etwa „Danke, Kumpel“) einen Schritt weiter. Der Ludwigsburger veredelt gebrauchte T-Shirts, Sweatshirts oder Jeans, indem er sie bemalt, mit Aufnähern versieht, Knopfleisten durch Reißverschlüsse ersetzt oder etwa Ärmel austauscht. Seine Marke hat er 2020 gegründet, inzwischen beschäftigt er drei Schneiderinnen und einen Siebdrucker. Die ursprünglichen Stücke stammen aus seinem großen Fundus oder von privaten Kontakten, die daraus entstandenen Unikate verkauft er seit vorigem Oktober in seinem Online-Shop, aber auch im stationären Handel wie etwa bei dem Action-Sport-Laden Funbox am Ludwigsburger Marktplatz.
Herrmann bezeichnet sein Label selbstbewusst als Designermarke: „Ich baue echte Vintage-Mode um.“ Damit meint er Kleidung, die nicht einfach bereits getragen ist, sondern aus den 90er Jahren stammt oder noch älter ist. Auftragsarbeiten wie beispielsweise individuelle Jeansjacken beinhalten bis zu zehn Arbeitsschritte und können bis zu 270 Euro kosten.
Taschen aus Feuerwehruniformen
Auch die Rucksäcke oder Geldbeutel der Marke Junakii sind keine Schnäppchen, dafür bestehen sie aus originalen Teilen von ausgemusterten Feuerwehruniformen. Das Start-up aus Engstingen im Kreis Reutlingen hat sich erst November 2021 gegründet, konnte sich aber bereits bei Breuninger in Reutlingen und Stuttgart sowie ganz aktuell in der Boutique Abseits präsentieren.
Bei der Welcome-Party mit DJ am Samstag auf dem Kleinen Schlossplatz hat der Junakii-Mitbegründer Raphael Kromer festgestellt, dass im Abseits offensichtlich Kunden einkaufen, „die Wert auf das Besondere legen und sich abheben möchten“.
Kromer hat Junakii mit seinem Vater und mit Josef Brunner erfunden, der Kommandant ist bei der Feuerwehr in Trochtelfingen. Dessen Idee war es, aus ausrangierter Einsatzbekleidung und Uniformen etwas Neues zu machen, auch im Sinne der Nachhaltigkeit. Auf der Alb werden sie gewaschen, in Osteuropa händisch zugeschnitten und genäht. Die erste Kollektion hat 500 Teile, von 70 bis 350 Euro. „Die Stoffe müssen Hitze und Wasser aushalten. Deshalb sind sie schwer zu recyceln. Aber Upcycling funktioniert gut“, sagt Kromer. Die Einzelstücke werden online verkauft, aber Kromer möchte weitere stationäre Händler gewinnen. „Dort können die Leute die Stoffe auch anfassen.“