Kim Herkle musste lange pausieren und sich aufs Anfeuern des Teams beschränken. Foto: Privat

Seit Kim Herkle, 19, im US-Bundesstaat Kentucky lebt, muss sie einen Rückschlag nach dem anderen wegstecken. Im nächsten Jahr will die Schwimmerin aus Oeffingen wieder in vollem Umfang trainieren.

Vor eineinhalb Wochen hat der letzte nationale Höhepunkt des deutschen Schwimmsports im Jahr 2022 stattgefunden: Fast 750 Athletinnen und Athleten sind bei den nationalen Meisterschaften auf der Kurzbahn in Wuppertal an den Start gegangen. Nicht mit dabei war Kim Herkle, die 19-jährige Oeffingerin in Diensten des SV Cannstatt. Die Reise ins Bergische Land hätte die deutsche Meisterin von 2021 über 200 Meter Brust auf der Langbahn ohnehin nicht angetreten, schließlich ist sie seit 15 Monaten in den USA beheimatet. Dort studiert Kim Herkle an der Universität von Louisville und geht normalerweise im Herbst und Winter für das Schwimmteam der „Cardinals“ bei den College-Vergleichen der National Collegiate Athletic Association (NCAA) ins Wasser. Aber auch bei diesen Wettkämpfen, die Ende September begonnen haben und noch bis März dauern, wird Kim Herkle in dieser Saison nicht mit dabei sein.

Ein Jahr aus dem Sportbetrieb genommen

Sie hat den Medical-Redshirt-Status. Den erhalten im amerikanischen Hochschulsport Athleten, die aus Verletzungs- oder Krankheitsgründen für ein Jahr aus dem Sportbetrieb genommen werden und dafür von der NCAA (National College Athletic Association) am Ende der an sich auf vier Jahre begrenzten Teilnahmemöglichkeit am Collegesport ein zusätzliches fünftes Jahr genehmigt bekommen. „Mein Antrag wurde ohne Probleme angenommen. Ich darf jetzt in den nächsten Monaten mit meinem Team trainieren, aber erst wieder im Herbst 2023 einen offiziellen Wettkampf für meine Uni bestreiten“, sagt die ehemalige Schülerin des Wirtemberg-Gymnasiums in Untertürkheim.

Alles ging mit einem Coronabefund im November 2021 los

Nötig geworden war die Wettkampf-Auszeit, weil die schon seit einem Jahr anhaltenden gesundheitlichen Probleme der mehrfachen deutschen Jugendmeisterin kein Ende fanden und finden. Losgegangen war es im November 2021 mit einem Coronabefund, der Kim Herkle nur drei Monate nach der Ankunft im Bundesstaat Kentucky im Trainingsbetrieb um mehrere Wochen zurückwarf. Noch schlimmer wurde es im Frühjahr 2022, als nach wochenlangen Schmerzen in Kopf und Hals endlich ein Abszess im Hals diagnostiziert und operativ entfernt wurde. „Da dachte ich, das Schlimmste sei überstanden“, sagt Kim Herkle, die im Juni trotz fehlender Vorbereitung zu den deutschen Meisterschaften einflog und danach eine Bronzemedaille auf ihrer Spezialstrecke über 200 Meter Brust aus Berlin mitbrachte.

Zwei Monate lang im Rollstuhl

Die körperlichen Probleme waren mit diesem Erfolgserlebnis in der Heimat freilich noch nicht beendet. Denn im Anschluss an die Rückkehr nach Louisville begann die deutsche Nationalkaderschwimmerin mit einer intensiven Vorbereitungsphase auf ihre zweite College-Saison und wurde jäh ausgebremst. Innerhalb weniger Tage wurde bei Kim Herkle in beiden Oberschenkeln ein Ermüdungsbruch (Stressfraktur) diagnostiziert. Möglicherweise als Folge eines harten, umfangreichen Trainingslagers in Irvine (Kalifornien), das für die Schwimmerin aus Oeffingen nach der langen Zwangspause im Frühjahr vermutlich schon wieder zu intensiv war. „Ich war extrem motiviert und habe mich sehr auf die neue Saison gefreut, vielleicht habe ich mir tatsächlich etwas zu viel zugemutet“, sagt Kim Herkle, die heftige Schmerzen in beiden Beinen hatte und sich fast zwei Monate lang nur im Rollstuhl über den Unicampus bewegen konnte.

Der Traum von den Olympischen Spielen 2024 lebt weiter

Mittlerweile trainiert die Oeffingerin schon wieder nachmittags zwei Stunden pro Tag vorsichtig mit ihrer Mannschaft. Parallel dazu widmet sie sich ausführlich ihrem Doppelstudium (Psychologie und Neurowissenschaften), bei dem sie sich zuletzt allerdings nur online an den Vorlesungen beteiligen konnte. „Ich hoffe, dass ich Anfang 2023 wieder in vollem Umfang trainieren kann. Meinen Traum vom Start bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris habe ich noch nicht begraben“, sagt die Teilnehmerin an den Europameisterschaften 2021 in Budapest.

Kein Besuch über Weihnachten in der Heimat

Anders als im vergangenen Jahr wird Kim Herkle diesmal die Weihnachtstage und den Jahreswechsel nicht bei der Familie im Schwabenland, sondern in den USA verbringen. An der Seite ihres Lebensgefährten Rafael Miroslaw, der 150 Kilometer nordwestlich von Louisville an der Universität von Indiana in Bloomington studiert. Der deutsche Spitzenschwimmer, 2019 Weltmeisterschaftsteilnehmer in Gwangju/Südkorea, lebt ebenfalls den Traum von den Olympischen Spielen 2024. Anders als seine Freundin blieb der 21-jährige Hamburger in den vergangenen Monaten jedoch von längeren Zwangspausen verschont und schwamm in diesen Wochen und Monaten schon mehrere starke Wettkämpfe für sein Uni-Team.

Dahin möchte auch Kim Herkle im nächsten Jahr wieder kommen. „Seit ich hier bin, hatte ich so viel Pech und wurde aber von meinen Trainern und Teamgefährten so fantastisch unterstützt. Ich hoffe, dass ich das schon bald mit guten Leistungen zurückgeben kann“, sagt die 19-Jährige.