SPD-Chef Andreas Stoch geht im Landtag mit der grün-schwarzen Koalition hart ins Gericht. Foto: dpa/Marijan Murat

Ein Jahr nach ihrem Start tritt die zweite grün-schwarze Koalition auf der Stelle und verweigert die Arbeit – meinen zumindest SPD und FDP. Im Landtag gehen die Wogen hoch.

Winfried Kretschmann wird eine ziemliche Ausstrahlung zugeschrieben. Ausgerechnet Andreas Stoch, der SPD-Chef im Landtag, vermutet gar magische Kräfte beim Regierungschef. Er macht in der Koalition „Kretschmanns Zauberformel“ aus, die Grüne wie Schwarze bezirze. „Die Grünen dürfen ihre Wünsche formulieren und die Schwarzen dürfen davon ausgehen, dass wenig bis nichts umgesetzt wird“, sagte Stoch im Landtag. Das sei vielleicht gut für die Koalition, aber „definitiv nicht für unser Land“. Das erste Jahr der zweiten Auflage von Grün-Schwarz ist vorbei und Stoch betrachtet den Koalitionsvertrag als bloßes „Poesiealbum“ mit „vielen großen grünen Überschriften“.

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Mit dem Titel „Jetzt für Morgen“ hat die Koalition ihren „Erneuerungsvertrag“ im Mai 2021 überschrieben. Aber Stoch klagt, die neu aufgelegte Koalition mache weiter wie in den fünf Jahren zuvor: „Stehen bleiben und auf der Stelle treten. Das ist in einer Krise geradezu verhängnisvoll“, sagte Stoch.

SPD verlangt mehr Wohnungen und mehr Lehrer

Er sieht Versäumnisse in der Energiepolitik, „wir müssen bei der Energiewende vorankommen“. Er fordert die Einrichtung einer Projektgesellschaft, die solche Projekte umsetzt. Auch die Wohnungsnot werde „nicht von alleine geringer“. Die SPD erwartet jetzt „eine Wohnungsbauoffensive“. An den Schulen werde die Personalnot immer drängender. Stoch fordert 1000 neue Lehrerstellen. Sollten die nicht besetzt werden können, meint er: „Assistenzkräfte sind besser als gar kein Personal.“

FDP: ambitionslose Schulpolitik

Hans-Ulrich Rülke, der FDP-Fraktionschef, ging mit der Koalition so hart ins Gericht, dass Innenminister Thomas Strobl (CDU) ihm „nackte Polemik“ vorwarf. „Primitiv und substanzlos“ seien Rülkes Vorwürfe. Der Liberale hieb in dieselbe Kerbe wie Stoch. Er sprach von „einem Jahr Arbeitsverweigerung“ der Koalition. Die Schulpolitik von Grün-Schwarz nannte er „ambitionslos“, das Land falle in den Bildungsrankings stetig zurück.

Irritationen über Niveau der Debatte

Die Energiepolitik der Grünen bezeichnete er als „ideologisch borniert“ und löste damit erhebliche Unruhe im Plenarsaal aus. Rülke sagte: „Wir müssen weg vom Klimanationalismus. Baden-Württemberg ist Energieimportland.“ Die Kernkraftwerke müssten länger laufen, die Wasserstoffproduktion angekurbelt werden. Das war der Zeitpunkt, zu dem sich Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz „irritiert über das Niveau“ der Debatte zeigte. Danach trumpfte Rülke noch auf, die Coronapolitik der Regierung sei „Realsatire“. Seine Bilanz des ersten Jahres der zweiten grün-schwarzen Koalition: „Pleiten, Pech und Pannen“.

AfD vermisst krisenfeste Konzepte

Als Krisenmanager versagt die Koalition in den Augen von Carola Wolle (AfD) völlig. Sie fragte: „Wo sind die Konzepte zur Krisenfestigkeit in Sicherheit, Energie und Bildung?“ Sie beklagte auch: „Noch nie hatten wir eine schlechtere Finanzpolitik. Noch nie waren wir so hoch verschuldet.“

Der Kritik hielten Grüne und CDU entgegen, das Landeswohnraumförderprogramm habe einen Höchststand erreicht. Man habe die Wirtschaft unterstützt und die Arbeitsplätze in der Coronakrise erhalten. Den Zustrom von 100 000 Kriegsflüchtlingen in zwei Monaten habe Baden-Württemberg „erstklassig gemanagt“, sagte Strobl.