Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kritisiert Finnland und Schweden scharf. Er unterstellt den Ländern, sie würden kurdische Organisationen unterstützen. (Archivbild) Foto: AFP/ADEM ALTAN

Fast über Nacht ändern die skandinavischen Länder ihre Einstellung gegenüber der Nato und wollen nun Mitglieder des Verteidigungsbündnisses werden. Doch die Türkei stellt sich quer. Das sind die Hintergründe.

Die skandinavischen Länder Schweden und Finnland wollen dem Nordatlantikpakt (Nato) beitreten. Durch die Mitgliedschaft in dem Verteidigungsbündnis erhoffen sie sich Schutz vor einem möglichen russischen Angriff. Doch das Nato-Mitglied Türkei ist skeptisch. In diesem Artikel erklären wir, ob die Türkei den Beitritt von Schweden und Finnland zum Atlantischen Bündnis mit einem Veto verhindern könnte.

Was sind die Voraussetzungen für einen Nato-Beitritt?

Zunächst einmal dürfen nur europäische Länder Beitrittskandidaten der Nato werden, wie die Südwestpresse erläutert. Der Beitrittsstaat muss demokratisch organisiert sein und Minderheiten im Land gleich behandeln. Eine weitere Voraussetzung ist der Wille zur friedlichen Lösung von Konflikten. Zugleich muss das Land aber auch die Fähigkeit und den Willen haben, sich militärisch in der Nato einzubringen. Zuletzt erwartet die Nato, dass ein Beitrittskandidat eine positive Beziehung zwischen Militär und Zivilbevölkerung fördert.

Wie läuft ein Beitritt zur Nato grundsätzlich ab?

Die Regierungen von Finnland und Schweden stellen Anträge auf eine Mitgliedschaft. Nachdem beide Parlamente zugestimmt haben, wollen die Länder schon in den kommenden Tagen den Antrag gemeinsam einreichen. Nach Beginn der Beitrittsgespräche, untersucht die Nato, ob ein Land die Kriterien für einen Beitritt erfüllt. Manchmal wird ein „Membership Action Plan“ aufgelegt, wenn ein Land Unterstützung beim Erfüllen der Beitrittsvoraussetzungen braucht. Danach folgt die „Einladung“ durch die Alliierten. Diese gibt es nur, wenn alle Nato-Mitglieder zustimmen – und das ist der Knackpunkt.

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Danach folgen Gespräche, Verpflichtungserklärungen der Kandidaten und Reformen. Die Nato entwirft dann sogenannte Beitrittsprotokolle, die von jedem einzelnen Mitgliedsland ratifiziert werden müssen. In Deutschland geht das nur, wenn der Bundestag zustimmt.

Könnte die Türkei ein Veto gegen den Beitritt einlegen?

Grundsätzlich: ja. Die Türkei ist Nato-Mitglied. Da die Einladung einstimmig erfolgen muss, könnte die türkische Regierung hier ihre Zustimmung verweigern.

Wie begründet die Türkei ihre Haltung?

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die beiden interessierten Staaten jüngst mit scharfen Worten kritisiert. In Bezug auf die Länder sprach er von „Gästehäusern für Terrororganisationen“. Seiner Meinung nach sollen die beiden Staaten Menschen mit Verbindungen zur kurdischen Arbeiterpartei PKK und der Gülen-Bewegung beherbergen. Letzterer legt der türkische Präsident die Schuld am gescheiterten Putschversuch von 2016 zur Last.

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Nach Angaben der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) gilt besonders Schweden aufgrund seiner Asylpolitik tatsächlich als Zufluchtsort für kurdische Oppositionelle und es gibt regierungskritische Journalisten aus der Türkei, die von dort aus Internetportale betreiben. Schweden bemüht sich derweil darum, die Wogen zu glätten. Außenministerin Ann Linde suchte das Gespräch mit der Türkei und erklärte, dass ihr Land, wie andere Nato-Länder auch, die PKK als Terrororganisation einstufe.

Was könnte die Türkei mit ihrer Blockade erreichen?

Manche Beobachter vermuten, dass die Türkei ihr angedrohtes Veto gegen einen Nato-Beitritt der Skandinavier als Druckmittel gegen die USA einsetzt. Die USA hatten die Auslieferung von 100 Tarnkappenjets vom Typ F-35 an die Türkei gestoppt, nachdem diese einen Waffenhandel mit Russland eingegangen war. Möglicherweise erhofft sich die türkische Regierung hier ein Einlenken aus Washington.

Wie wahrscheinlich ist ein „Nein“ aus Ankara?

Glaubt man den offiziellen Verlautbarungen der Nato, so ist dieser Fall eher unwahrscheinlich. Der Außenminister von Luxemburg, ebenfalls Nato-Mitglied, Jean Asselborn sagte dazu: „Politik ist manchmal auch Theatralik und manchmal ist es wie im Basar, dass man verhandeln muss bis zum Schluss.“ Seiner Meinung nach gehe es der Türkei nämlich gar nicht um die Kurdenfrage, sondern um die Lieferung der amerikanischen Kampfflugzeuge.