Der Kuchenverkauf auf Schulfesten bleibt auch in Zukunft von der Umsatzsteuer befreit – selbst wenn im Moment gegenteilige Gerüchte die Runde machen. Foto: dpa/Patrick Seeger

Der EU wird fast jeder bürokratische Wahnsinn zugetraut. Bisweilen ist die Wahrheit allerdings überraschend einfach.

Die Menschheit liebt Mythen. Die Fantasie lebt von diesen Erzählungen, die den Geist beflügeln und das Leben bereichern. Ein scheinbar nicht versiegender Quell solcher Geschichten, angesiedelt zwischen Dichtung und Wahrheit, ist die Europäische Union. Wer kennt sie nicht: die legendäre Traktorensitzverordnung oder auch die EU-Vorschrift, die die Krümmung von Gurken vorschreiben soll. In diesen Tagen könnte die Welt Zeuge von der Geburt eines neuen EU-Mythos werden: des Kuchen-Umsatzsteuern-Mythos.

Von Beamten, Bürgern und Sündenböcken

Das Thema hat alles, was es zur Legendenbildung braucht. Ein Körnchen Wahrheit, übereifrige Beamte, empörte Bürger und Politiker, die einen Sündenbock brauchen. Der Kern der Geschichte ist schnell erzählt. Die Landesregierung in Baden-Württemberg arbeitete daran, eine EU-Richtlinie umzusetzen, wobei die Beamten wohl etwas über das Ziel hinausgeschossen sind. Denn plötzlich stand die Behauptung im Raum, in Zukunft müsse beim Kuchenverkauf auf Schulfesten Umsatzsteuer abgeführt werden. Schnell war von europäischem Bürokraten-Wahnsinn die Rede und der Schuldige rasch gefunden: Brüssel!

Diesen Vorwurf will die EU aber nicht auf sich sitzenlassen. Und so meldet sich Jörg Wojahn zu Wort, der Vertreter der Europäischen Kommission in Deutschland. Und aus seiner Replik spricht aus jeder Zeile eine gewisse Frustration, wieder einmal Zielscheibe von beißendem, aber ungerechtfertigtem Spott geworden zu sein.

Logikfehler in der Argumentation

Gleich zu Beginn verweist der EU-Beamte auf einen Logikfehler in der Argumentation der Kritiker. Wenn ein Bundesland eine Kuchensteuer plane, das andere aber nicht, könne es nicht die Europäische Union sein, die eine solche Steuer vorschreibe. Dann muss er allerdings einräumen, dass es tatsächlich eine EU-Mehrwertsteuer-Richtlinie aus dem Jahr 2006 gibt. In der steht, dass etwa Schulen grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit sind. Das heißt allerdings auch, dass sie in gewissen Fällen, doch unter diese Regelung fallen. Aber auch das weiß der EU-Mann Wojahn zu entschlüsseln und gibt ein Beispiel: „Wenn eine Schülergruppe drei Mal Kuchen verkauft, um ihre Schulparty zu finanzieren, ist das natürlich gar kein Problem. Wenn der geschäftstüchtige Schülersprecher sich aber jeden Morgen auf den Schulhof stellt und den Kuchen billiger anbietet als die Bäckerin nebenan, ist dies eine Wettbewerbsverzerrung.“ In diesem Falle greife dann die Regel, dass der Verkauf besteuert werden müsse.

Für den gesunden Menschenverstand

Das klingt ziemlich einleuchtend und zwischen den Zeilen dieser Erklärung schwingt irgendwie die Aufforderung mit, einfach den gesunden Menschenverstand einzuschalten. Die EU wolle auf keinen Fall eine unnötige Bürokratie entstehen zu lassen, betont Jörg Wojahn am Ende noch einmal. Und so löst sich die Aufregung also unvermittelt in Wohlgefallen auf und was bleibt, ist viel unnötiger Lärm um ein paar Stück Kuchen.