Mit tierischem Fett hergestellte „Focaccia“, gebacken in einer nachgebauten Tonschale als Backunterlage in einem Kuppelofen. Foto: © Sergio Taranto

Das Backen der italienischen Brotspezialität Focaccia reicht bis in die Steinzeit zurück. Schon vor mehr als 8000 Jahren wurden diese flachen, fettigen Brote gebacken, wie Archäologen entdeckt haben.

Im Nahen Osten, im Gebiet des einstigen Mesopotamiens, haben Forscher in den vergangenen Jahren immer wieder Überreste von flachen Tonschalen gefunden. Diese rätselhaften Fragmente stammen aus der Zeit zwischen 6400 und 5900 v. Chr. und damit aus der Jungsteinzeit – also einige Jahrhunderte bevor in Mesopotamien die ersten Städte entstanden.

Die tablettartigen Behälter hatten einen großen ovalen Boden und niedrige Wände. Auf der Innenseite befand sich ein regelmäßiges Muster aus groben Abdrücken oder rillenartigen Einschnitten.

Im Anfang der Zivilisationsgeschichte war das Korn, die reifen Ähren von Weizen, Einkorn, Emmer, Roggen, Dinkel und Gerste. Der Bauer säte das Getreide aus und konnte bei günstigen Bedingungen zweimal im Jahr ernten und seine Vorratskammern füllen. Foto: dpa

Backbleche aus Ton

Forscher vermuten, dass diese Tonschalen Vieh- und Getreide-Bauern als eine Art Backblech dienten. Experimente mit Nachbildungen hatten gezeigt, dass sich darauf bis zu drei Kilogramm schwere Brotlaibe aus Wasser und Mehl backen lassen.

In den damaligen Kuppelöfen wurden diese Brote vermutlich rund zwei Stunden lang bei 420 Grad Celsius gebacken. Die Rillenmuster auf der Innenseite des tönernen Tabletts verhinderten dabei ein Anbacken des Teiges und erleichterten nach dem Backen die Entnahme des Brotes.

Ein Forscherteam um Sergio Taranto von der Universität La Sapienza in der italienischen Hauptstadt Rom hat nun experimentell überprüft, ob diese Vermutungen stimmen und die Tonschalen wirklich Backbleche waren. Die Studie ist im Fachmagazin „Scientific Reports“ erschienen.

So lief das Backexperiment ab

Für ihre Experimente analysierten die Archäologen anhand von Scherben der Tabletts und konservierten organischen Rückständen, welche Inhaltsstoffe sich einst darauf befanden und aus welchen Zutaten die Brote gemacht wurden.

Die 13 untersuchten Scherben stammen von Tonschalen aus den archäologischen Fundorten von Mezraa Teleilat, Akarçay Tepe und Tell Sabi Abyad, die alle im Grenzgebiet zwischen Syrien und der Türkei liegen.

Bis vor einigen Jahrzehnten waren sich die Menschen hierzulande noch bewusst, dass Brot eine heilige Speise darstellt, die man mit Ehrfurcht und Dankbarkeit essen muss. „Wo man Brot ehrt, Gott die Not kehrt“, heißt ein Sprichwort. Viel von dieser Ehrfurcht ist nicht geblieben. Foto: dpa

Brot aus Getreide, Gewürzen und Fett

Die Analysen ergaben, dass die Rückstände in den Tonschalen Kieselsäurerückstände von Pflanzen enthalten, die von Getreide wie Weizen oder Gerste stammen. Auch Rückstände von pflanzlichen Gewürzen sowie pflanzlichen und tierischen Fetten identifizierten die Forscher an einigen Tonscherben. Daraus schließen sie, dass diese Formen einst als Backunterlage für Brote gedient haben müssen.

Mit tierischem Fett hergestellte „Focaccia“, gebacken in einer nachgebauten Tonschale als Backunterlage. Foto: © Sergio Taranto

Anders als die ältesten bekannten Brote enthielten die Backwaren neben Wasser und Mehl noch Öl oder Schmalz, eventuell auch Pflanzensamen oder Fleisch. Die Oberfläche der Backformen wies zudem Gebrauchs- und Abnutzungsspuren auf, die zu fetthaltigen Brot- und Focaccia-Resten passen, wie die Forscher schreiben.

Der Zustand und die chemische Zusammensetzung der Lebensmittelrückstände deuten daraufhin, dass die jungsteinzeitlichen Tonbleche ähnlich hohen Temperaturen von über 300 Grad ausgesetzt waren, wie sie in den heutigen Experimenten nachgewiesen wurden.

Jungsteinzeitliche Backtradition

Die Archäologen kommen zu dem Schluss, dass die in Syrien und der Türkei gefundenen Tonartefakte zum Backen von Focaccia-ähnlichen Broten genutzt wurden. Der Ursprung der Focaccia liegt demnach nicht in Italien, sondern in Mesopotamien.

Schon dort gab es Frühformen dieser fetthaltigen, aromatischen Brotspezialität in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen. Verschiedene Rezepte für Foccacia gab es demnach schon lange, bevor sie schriftlich festgehalten wurden.

Brot ist sehr nahrhaft. Es enthält viele lebenswichtige Inhaltsstoffe wie Eisen, Kalzium, Magnesium, Ballaststoffe und Kohlehydrate. Zum anderen lässt es sich zuverlässig herstellen und lagern, um auch in Notzeiten auf die Vorräte zurückgreifen zu können. Foto: dpa

„Unsere Studie bietet ein anschauliches Bild von Gemeinschaften, die das von ihnen angebaute Getreide zur Zubereitung von Brot und Focaccias verwenden, die mit verschiedenen Zutaten angereichert und in Gruppen verzehrt werden“, erklärt Taranto.

„Die Verwendung der von uns identifizierten Gefäße lässt vermuten, dass sich diese jungsteinzeitliche kulinarische Tradition über etwa sechs Jahrhunderte entwickelt hat und in einem weiten Gebiet des Nahen Ostens praktiziert wurde“, so der Forscher.

Info: Geschichte des Brotes

Getreidekörner
Im Anfang der Zivilisationsgeschichte war das Korn, die reifen Ähren von Weizen, Einkorn, Emmer, Roggen, Dinkel und Gerste. Der Bauer säte das Getreide aus und konnte bei günstigen Bedingungen zweimal im Jahr ernten und seine Vorratskammern füllen. Getreidekörner, zu einem Brei vermengt oder zu Mehl gemahlen und dann zu Brot gebacken, bilden seit den ersten Hochkulturen die Hauptnahrungsquelle der Menschheit. Kaum ein Erzeugnis menschlicher Arbeit hat eine solch tiefe symbolische Bedeutung wie das Brot. Es steht für das Leben an sich, ist Sinnbild für Nahrung und Speise, die den Hunger stillt, das Überleben sichert und dazu noch ein Genussmittel ist.

Brot-Kultur
Wer sich mit der Kulturgeschichte des Brotes beschäftigt, begibt sich auf eine Reise in die Frühzeit der Menschheit. Im Zuge der Neolithischen Revolution, die vor rund 10.000 Jahren begann, wurden aus umherstreifenden Jägern und Sammlern sesshafte Bauern. Der Mensch gab seine umherwandernde, mobile Lebensweise schrittweise auf und ließ sich nieder. Damit einher ging eine zivilisatorische Evolution: Die ersten Städte entstanden mit hierarchisch aufgebauten Gesellschaften, Arbeitsteilung und Kulturgütern wie Keramik und Metallwerkzeugen aus Kupfer, Bronze und Eisen. Zugleich stiegen in einem rasanten Tempo die Produktivität, das Angebot an Nahrungsmitteln und die Bevölkerungszahl. 

Nahrung und Heiligung
Parallel zum Ackerbau bildeten sich religiöse Deutungsmuster und komplexe Glaubenstraditionen heraus, in deren Mittelpunkt die kultische Verehrung des jeweiligen Hauptnahrungsmittels stand. So wurde beispielsweise in Ägypten und im keltisch geprägten Kulturraum Mitteleuropas das Brot zum Symbol für Leben in Fülle. Die heutigen Zivilisationen, die sich über Jahrtausende herausbildeten, entspringen im Grunde genommen den ersten Kornkammern der Menschheit. Kultur konnte deshalb entstehen, weil die Ernährung durch den Anbau von ausreichend Getreide gesichert war. Zugespitzt formuliert: Zuerst war das Korn, erst dann kamen die Schrift und der Kult.

Brot und Religion
Wie in den meisten Ackerbaukulturen bildete das Brot auch in biblischen Zeiten das wichtigste Nahrungsmittel. Eine gute Getreideernte sicherte bei Sumerern, Ägyptern,Israeliten, Persern, Griechen und Römern das Überleben. Eine schlechte Ernte führte zu Hungersnot und massenhaftem Tod. Angesichts der Abhängigkeit von den Launen der Natur bildete sich eine religiös-kultische Verehrung des Brotes heraus, das in einem metaphorischen Sinn als Heilsgabe und Zeichen der Zuwendung Gottes oder der Götterwelt gedeutet wurde.

Brot in der Bibel
In der Bibel wird Brot als symbolische Nahrung verstanden, die nicht nur den Leib, sondern auch die Seele nährt und stärkt. „Ego sum panis vitae“(„Ich bin das Brot des Lebens“) sagt Jesus von sich im Neuen Testament (Johannesevangelium, Kapitel sechs, Vers 35). Christus, der Gesalbte, ist der Mittler zwischen Himmel und Erde, Schöpfer und Mensch, der inkarnierte Sohn Gottes, der als lebendiges Brot vom Himmel kommt. Seinen sakralen Höhepunkt hat diese Brot-Symbolik im christlichen Abendmahl, in dem das Brot den Leib des auferstandenen Christus, das heißt seine reale Gegenwart in der Welt und die Gemeinschaft mit ihm im Abendmahl darstellt.

Im Land der Brotesser
Der kulturellen Deutung voraus ging freilich harte körperliche Arbeit. In der Frühphase des Ackerbaus wurden die geernteten Körner zerstoßen und mit Wasser zu einem Brei verarbeitet und roh gegessen. Die Ägypter waren die Ersten, die die Kunst des Brotbackens kultivierten und so für die zuverlässige Ernährung des Volkes sorgten. Zwei Entdeckungen machten aus den harten Getreidekörnern eine schmackhafte und bekömmliche Nahrung: der Bau von Backöfen und die Wirkung von Hefe und Sauerteig als Triebmittel. Gesäuertes Brot war im Land am Nil schon vor rund 6000 Jahren bekannt. In Ägypten entstanden auch die ersten Großbäckereien der Geschichte. In der Antike trugen die Ägypter deswegen den Beinamen „Brotesser“. Die Entdeckung des Gärprozesses ermöglichte es ihnen, aus Teig Brot, wie wir es heute kennen zu backen – mit lockerer Krume und fester, dunkler Kruste.

Brot und Politik
Brot und Leben wurden so zu Synonymen: Das tägliche Brot war gleichbedeutend mit dem täglichen Überleben. Kein Brot zu haben bedeutete den sicheren Tod. „Unser täglich Brot gibt uns heute“, lautet die vierte und sicherlich dringlichste Bitte im christlichen „Vaterunser“-Gebet. Brot war zu allen Zeiten ein politisches Machtinstrument, mit dem man die Massen kontrollieren konnte. Brotmangel war immer wieder Anlass zu Hungeraufständen, Auswanderungswellen und Geburtenrückgang. So führten u. a. Brotknappheit und gestiegene Brotpreise im Jahr 1789 zum Ausbruch der Französischen Revolution. Die Teuerungen infolge von Missernten trafen vor allem die kleinen Leute in den Städten, für die Brot das Hauptnahrungsmittel war und die wegen leerer Mägen auf die Barrikaden gingen.