Vor allem ältere Menschen werden von Betrügern am Telefon mit den haarsträubendsten Geschichten überrumpelt und oft massiv unter Druck gesetzt. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Täter, die Menschen mit Enkeltrick, Schockanrufen und anderen Maschen um ihr Geld bringen wollen, scheinen immer gezielter vorzugehen. Der Bezirkschef der Rotary-Clubs warnt jetzt die Mitglieder in einem Brief.

Stuttgart - Das Telefon klingelt. Als die Angerufene abhebt, hört sie furchtbare Schreie. Ein vermeintlicher Polizist spricht sie an und erzählt, dass ihr Enkelkind einen schrecklichen Unfall gehabt habe. Für den Transport in eine Spezialklinik müsse dringend eine größere Geldsumme beschafft werden. Man schicke jemanden zur Abholung vorbei. Noch bevor die geschockte Frau sich so richtig im Klaren darüber ist, was da gerade passiert, klingelt das Telefon erneut. Diesmal meldet sich ein angeblicher Staatsanwalt und bestätigt die Version, die sie im Telefonat zuvor geschildert bekommen hat. Er erklärt, wie es zu der Summe kommt und versichert, dass alles seine Richtigkeit habe.

Die Frau in diesem Fall ist nicht auf den sogenannten Enkeltrick hereingefallen, der seit Jahren die Polizei beschäftigt. Die Täter erbeuten immer wieder hohe Summen. Die Mittel, zu denen sie dabei greifen, werden immer drastischer. In Schockanrufen wird den Leuten erzählt, der Enkel sei verunglückt – oder aber, er habe einen schweren Unfall verursacht. Deshalb müsse sofort eine Kaution gestellt werden. Häufig kommt es inzwischen zum geschilderten zweiten Anruf, wahlweise von einem Staatsanwalt oder Rechtsanwalt. Die Kriminellen machen sich die Aufregung der Opfer zunutze und kommen immer wieder zum Erfolg.

Bisher geht man davon aus, dass viele Angerufene eher Zufallsopfer sind, die nach recht simplen Kriterien ausgewählt werden. „Die Täter gehen die Telefonbücher durch und suchen nach älter klingenden Namen oder Doktortiteln“, sagt Polizeisprecher Stephan Widmann. Daraus schließen sie darauf, dass die Angerufenen womöglich tatsächlich zugleich Enkel als auch Geld haben. Doch nun taucht eine Masche auf, die darauf schließen lässt, dass sich die Schockanrufer offenbar immer mehr Mühe machen oder sich sogar gezielt ganz bestimmte Menschen als Ziele suchen.

3300 Rotarier bekommen Post

So haben vor wenigen Tagen die Präsidenten der 55 Rotary-Clubs des Distrikts 1830 Post bekommen. Das Gebiet umfasst grob Nord-Württemberg und zählt fast 3500 Mitglieder. Rotarier setzen sich ähnlich wie die Lions und andere Service-Clubs für wohltätige Zwecke ein und pflegen untereinander ein Netzwerk zwischen Mitgliedern verschiedener Berufe. Und genau diese Leute scheinen nun interessant für Enkeltrickbetrüger geworden zu sein.

In dem Brief warnt der sogenannte District Governor Thomas Preisendanz vor Schockanrufen nach der eingangs beschriebenen Art. Zumindest in einem Club im Großraum Stuttgart sei es zu einer auffälligen Häufung gekommen. „Ich wende mich heute vorsorglich an Sie, weil es in den letzten Monaten an verschiedenen Orten in Deutschland dazu gekommen ist, dass Trickbetrüger, teilweise leider auch erfolgreich, in rotarischen Kreisen wildern“, heißt es in dem Schreiben.

Vier Versuche innerhalb weniger Tage

Innerhalb weniger Tage seien zwei Witwen sowie zwei Ehefrauen schon etwas betagterer Mitglieder aus demselben Club angerufen worden. Auch aus mindestens einem weiteren Club in derselben Stadt werde ein solcher Fall gemeldet. Hereingefallen auf die Täter sei niemand – allerdings hätten die Vorgänge die Betroffenen psychisch stark mitgenommen.

Die Angerufenen geben in allen Fällen an, dass die Täter gut Bescheid gewusst hätten. Das deutet darauf hin, dass die Häufung kein Zufall ist, sondern sich die Kriminellen gezielt Informationen über Mitglieder verschafft haben. Woher die Täter ihr Wissen haben könnten, darüber will man bei Rotary nicht spekulieren. Zumindest bei der Stuttgarter Polizei kann man dazu noch nichts sagen. Nur so viel: Derzeit gibt es keine allgemeine große Welle an Schockanrufen. Das könne sich aber jederzeit ändern, so Sprecher Widmann. Komplette Ruhe gebe es beim Enkeltrick ohnehin nicht: „Wir verzeichnen kontinuierlich solche Fälle.“

Falscher Pflegedienst klingelt

Auch eine zweite Betrugsmasche, bei der die Täter offenbar gut informiert sind, hat in den vergangenen Tagen in Stuttgart die Runde gemacht. So berichten Menschen in verschiedenen sozialen Netzwerken, dass es offenbar zu Versuchen komme, die Wohnungen von Pflegebedürftigen zu betreten.

Die Art und Weise ist perfide: Ältere, die regelmäßig von einem Pflegedienst betreut werden, bekommen wohl kurz vor der normalen Uhrzeit Besuch von äußerst gepflegt auftretenden Damen, die vorgeben, heute für einen Kollegen oder eine Kollegin einzuspringen. Zum Erfolg hat diese Masche offenbar noch nicht geführt. Es gab aber in der Vergangenheit immer mal wieder ähnliche Fälle in der Region, etwa im vergangenen Juli in Schwieberdingen und Markgröningen (Landkreis Ludwigsburg).

Bleibt nur der dringende Rat, sich niemals auf solche Betrugsversuche einzulassen – und im Zweifel die Polizei zu verständigen.