Christian Ehring hat sich in „Extra 3“ auch Stuttgart vorgenommen. Foto: NDR/Matzen

Die aus dem Ruder gelaufene „Querdenker“-Demo am Ostersamstag hat Stuttgarts Ruf bereits ordentlich ramponiert. „Extra 3“ hat trotzdem noch mal zugelangt.

Stuttgart - Wer die Querdenker hat, braucht für den Spott nicht lange zu sorgen. „Willkommen beim Stuttgarter Kein-Maskenball“, höhnt Moderator Christian Ehring, als die neueste Ausgabe des Satiremagazins „Extra 3“ im Ersten sich dem Großaufmarsch der Realitätsleugner und Solidaritätsverweigerer zuwendet. „Wir lernen: Man darf in Deutschland gegen das Gesetz verstoßen, wenn nur genügend Menschen mitmachen.“

Dann wird Ehring vermeintlich verständnisvoll. Er räumt ein, Stuttgart habe wohl einfach keine andere Wahl gehabt, als die Demo laufen zu lassen, und präsentiert ein Videostatement von Stuttgarts Ordnungsbürgermeister Clemens Maier (Freie Wähler). Der fährt seine längst ins juristische Zwielichtgeratene Sachzwangbehauptung auf: „Aus juristischer Sicht hatten wir einfach keine Handhabe, diese Veranstaltung zu verbieten, weil nach der Aktenlage hatten wir keine Veranlassung, dem Anmelder zu unterstellen, dass er die Corona-Auflagen nicht einhalten wird.“ Maier schwäbelt mit der eiligen Wackligkeit eines Mannes, der zum ersten mal im Leben auf Stelzen geht und panisch Richtung Ziellinie stakt, in der Hoffnung, wenigstens so umzufallen, dass er die Linie dabei überquert.

Die Freundlichkeit der Polizei

Man sieht Ehring an, dass er Lust hätte, das einfach so stehen zu lassen. Aber der Mann, den der NDR ins Hauptprogramm der ARD entsendet, fasst dann doch noch mal nach. „Dazu gab's keine Veranlassung, das zu unterstellen“, ätzt er, „außer, dass es bislang bei wirklich jeder Veranstaltung dieser Art der Fall war.“ Es folgt ein Zusammenschnitt von Newsclips von Demos derer, die Quertreiben mit Querdenken verwechseln. Überall wird auf Abstands- und Maskenpflicht gepfiffen.

Damit ist Stuttgart aber noch nicht vom Haken. Als nächstes ist die teils geplante, teils spontane Freundlichkeit der Polizei gegenüber den Demonstrierenden Thema. Er frage sich, so Ehring: „Ist das überhaupt noch Merkel-Diktatur?“ Der filmisch dokumentierte siegesgestenhafte Handschlag eines Polizisten mit einem Querdenker kommt natürlich auch zur Sprache. Und die Erklärung der Stuttgarter Polizei, da habe lediglich ein Versammlungsteilnehmer die Hand eines Beamten ergriffen und sie in die Höhe gestreckt. Ehring dazu: „Bei der nächsten Demonstration der Black-Lives-matter-Bewegung möchte ich auch mal sehen, ob da ein Demonstrant die Hand eines Polizisten in die Höhe streckt. Und vor allem, ob er die Hand danach noch bewegen kann.“

Stuttgarts Blamage war Dauerthema

Das ist politisch richtig eingeschätzt, als Pointe einer Satiresendung aber nicht das Trüffelstück des Jahres. Der leichte Hauch von Müdigkeit, der über dieser ganzen Passage von „Extra 3“ liegt, hat nichts damit zu tun, dass Stuttgart als Freiraum für Pandemieleugner kein wichtiges Thema wäre. Im Gegenteil: Dass die Hauptstadt des liberalen Südwestens drauf und dran ist, mit der Querdenker-Bewegung so assoziiert zu werden wie Dresden mit Pegida, ist schon seit Tagen Spott- und Aufregerstoff im Netz und in Podcasts (bei „Gemischtes Hack“ etwa), in Karikaturen und Memes. Natürlich hat auch der „Postillon“ ironisch-giftig gefeiert, dass in Stuttgart Regelbefreiung greift, wenn man sich Querdenker nennt.

Der dichte Pulk der Infizierst-Du-mich-infizier-ich-Dich-Begeisterten, die eher mitmarschierende als regulierende Polizei, die Unfähigkeit einer Stadt, Eindämmungssaboteure von der Straße zu scheuchen, und das in Zeiten, in denen der Staat von ganzen Branchen die Bereitschaft zum Ruin einfordert, um Corona in den Griff zu bekommen – sie alle waren ab Ostersamstag auf Facebook, Twitter, Instagram Dauerthema. Eine Satiresendung mehrere Tage nach dem Ereignis wirkt da schnell wie eine verfrühte „Erinnern Sie sich noch?“-Chronik.

Warten auf Böhmermann

Der Kabarettist Florian Schroeder, im Anschluss an „Extra 3“ platziert, hat den größten Bekanntheitsschub seiner Karriere zwar durch den subversiven Auftritt bei einer Stuttgarter Querdenker-Demo erhalten. Aber die aktuelle Ruframponage der Stadt lässt er als Thema aus, einen kleinen Seitenhieb hatte er ja schon in seiner vorigen Sendung untergebracht. Er denkt wohl, da sei kein heiles Stück Lack mehr, an dem sich noch frei kratzen ließe.

Immerhin, es gibt ja einen, der sich zutraut, rhetorisch – oder gedanklich – noch mal eins draufzusetzen, wo die anderen schon kapitulieren. Mal sehen, ob Jan Böhmermann im „ZDF Magazin Royale“ – Freitag, 9. April 2021, 23 Uhr – wieder mal Grüße nach Stuttgartschickt.

Die ganze „Extra 3“-Sendung gibt es hier in der ARD-Mediathek.