Sandra Hüller Foto: AFP/Loic Venance

Sandra Hüller spielt in den beiden sehr unterschiedlichen Cannes-Gewinnerfilmen die Hauptrolle. Wie herausfordernd ist das für die Schauspielerin?

Sie überstrahlte in diesem Jahr an der Croisette alles: Sandra Hüller spielt gleich zwei Hauptrollen in Wettbewerbsfilmen – und beide wurden am Ende mit den beiden wichtigsten Preisen ausgezeichnet. „Anatomie d’une chute“ von der Französin Justine Trier erhielt die Goldene Palme, „The Zone of Interest“ von Jonathan Glazer den Großen Preis der Jury.

Frau Hüller, Sie waren hier in Cannes mit zwei höchst unterschiedlichen Filmen vertreten, Jonathan Glazers „The Zone of Interest“ sowie „Anatomie d’une chute“ von Justine Triet. Welche der beiden Rollen stellte für Sie die größere Herausforderung dar?

Ich habe schon häufig gesagt, dass ich die Arbeit an Filmen nicht als riesige Herausforderung empfinde. Es fällt mir nicht sonderlich schwer, eine Rolle vor der Kamera zu spielen; für mich ist das eher eine sehr privilegierte, komfortable Situation. Oft ist es geradezu luxuriös, weil alle sich gut um einen kümmern und jeder weiß, worauf es ankommt. Schwierig finde ich es nur, wenn Leute sich am Set danebenbenehmen oder jemand zu Dingen genötigt wird, die sie oder er nicht machen möchte. Aber im Idealfalle ist das Drehen etwas, das mir leichtfällt. Wenn es da besondere Herausforderungen gab, dann waren das im Fall von „Anatomie d’une chute“ höchstens linguistische. Denn natürlich musste ich mich sprachlich ein wenig vorbereiten und mein Französisch aufbessern.

Hedwig Höss, die Frau des KZ-Kommandanten, die Sie in „The Zone of Interest“ spielen, dürften Ihnen menschlich natürlich sehr viel ferner gewesen sein. Ging Ihnen die Rolle besonders nahe?

Nein, das habe ich gar nicht zugelassen. Meine Annäherung an sie war eine rein technische, denn ich wollte mich nicht emotional oder psychisch in sie einfühlen. Ich bin die Rolle von außen angegangen und habe mir zum Beispiel überlegt, wie sich eine Frau bewegt, die so viele Kinder bekommen hat, oder welche Spuren die körperliche Arbeit bei ihr hinterlassen hat. Schwierig fanden mein Kollege Christian Friedel und ich eher die Tatsache, dass wir im Grunde ständig ausblenden mussten, wo wir uns befanden. Wir drehten ja an Originalschauplätzen, in unmittelbarer Nähe zum Lager in Auschwitz beziehungsweise der heutigen Gedenkstätte. Nicht permanent daran zu denken, was dort geschehen ist, das war vielleicht bei diesem Film die größte Schwierigkeit.

Wonach suchen Sie überhaupt aus, welche Rollen Sie interessieren?

Das kann ich gar nicht pauschal beantworten, weil es jedes Mal etwas anderes ist. Mal ist es der Gedanke, etwas zu spielen, was ich so noch nie gespielt habe. Oder ein Regisseur, mit dem ich schon lange einmal arbeiten wollte. Es kommt auch vor, dass mir ein Kollege ein Projekt vorschlägt und ich neugierig werde. Und manchmal ist es schlicht eine tolle Geschichte, die mich überzeugt. Tut mir leid, dass ich das nicht knackig für eine Überschrift auf einen Punkt bringen kann.