Dominik Gerd Sieber (links), Stadtarchivar und Leiter aller Göppinger Museen, und Christian Kolb, zuständig für das Naturkundemuseum, inspizieren Fossilien im Naturkundemuseum. Foto: Giacinto Carlucci

Vor genau 100 Jahren hat die Stadt Göppingen die Fossiliensammlung von Theodor Engel gekauft. Ein Schatz, der derzeit jedoch nicht zu sehen ist. Das sind die Gründe.

Die Stadtgemeinde verpflichtet sich für alle Zeiten, die Naturaliensammlung als Sammlung von Pfarrer Theodor Engel beisammen zu lassen, gut unterzubringen, gewissenhaft zu unterhalten und im Rahmen einer geordneten Verwaltung dem Publikum und der Wissenschaft zugänglich zu machen.“ Der Kaufvertrag, den Theodor Engel vor 100 Jahren mit der Stadt Göppingen abgeschlossen hatte, ist eindeutig: Seine stattliche Sammlung, die er ein ganzes Leben lang zusammengetragen hatte, ist nicht nur dauerhaft öffentlich zu präsentieren, sondern auch der Wissenschaft zugänglich zu machen. Beides geschieht derzeit nicht. In Kisten und Kästen verpackt blicken die rund 70 000 Fossilien bis auf Weiteres einer ungewissen Zukunft entgegen.

Denn seit weit über zwei Jahren ist das Naturkundemuseum der Stadt in der Alten Badherberge in Jebenhausen geschlossen. Die muss gemeinsam mit dem dahinterliegenden Badhaus, dem ältesten profanen – also weltlichen – Gebäude der Stadt, zunächst grundlegend saniert werden, bevor an die Umsetzung einer zeitgemäßen musealen Präsentation der Schätze von Engel überhaupt gedacht werden kann. Dominik Gerd Sieber, Stadtarchivar und Leiter aller Göppinger Museen, und Christian Kolb, zuständig für das Naturkundemuseum, haben keine Antwort auf die Frage, wann das Museum wiedereröffnet werden kann. „Es hängt am Geld“, wissen beide aus Diskussionen im Gemeinderat und sind froh, dass es dort nur einzelne Stimmen gibt, die der Ansicht sind, es lohne sich nicht, die Sammlung zu zeigen.

Der Großteil der Fossilien stammt aus Göppingen

„Es sind nicht nur Steine“, betont Sieber und widerspricht damit entsprechenden Äußerungen. „Was wir hier haben, gibt es woanders nicht.“ Von einer „Schatzkiste der Göppinger Erdgeschichte“ spricht Kolb und zählt auf, was die Sammlung so einmalig macht. „Sie zeigt vollständig den gesamten Jura, also eine Zeit vor 200 bis 145 Millionen Jahren.“ Das sei „sehr, sehr selten“. Als die Stadt vor 100 Jahren die Sammlung kaufte, war es „eine der vollständigsten Privatsammlungen Deutschlands“. Kolb: „Der Großteil der Fossilien stammt aus Göppingen und der Umgebung.“

Der Wissenschaftler betont den wissenschaftlichen Wert der Sammlung, der – obwohl wissenschaftlich erschlossen – „nie in Frage gestellt worden“ sei. „Es sind durchaus Überraschungen zu erwarten.“ Fachleute seien sich zudem einig, dass das, was Engel in vielen Jahrzehnten zusammengetragen hat, „den Status eines Denkmals hat“. Dass sie nicht denkmalgeschützt ist, liegt daran, dass es seinerzeit noch kein entsprechendes Gesetz gab.

6000 Goldmark hatte die Stadt 1925 für die Sammlung ausgegeben. Die Menschen waren sich also ihres Wertes bewusst. Denn nur kurz nach den Inflationsjahren hätte es sicherlich wichtigere kommunale Aufgaben gegeben als den Kauf der Sammlung. Wie auch 1949, als das neu gegründete Stadtmuseum „Storchen“ eingeweiht worden war. Dort war die Sammlung bis 1970 präsentiert worden. Im eigens eröffneten Naturkundemuseum in der ehemaligen Badherberge habe sie dann „einen jahrzehntelangen Dornröschenschlaf“ gehalten.

Theodor Engel war Pfarrer in Biberach, Göppingen und Ettlenschieß

Theodor Engel wurde 1842 im Eschenbacher Pfarrhaus geboren. Schon als Kind interessierte er sich für Fossilien. Ab 1860 studierte er in Tübingen Theologie und Philosophie, belegte aber auch Vorlesungen in Geologie und in den allgemeinen Naturwissenschaften. Erste Stationen als Vikar und Pfarrer waren unter anderen Biberach und Laufen an der Eyach. Hier heiratete er Klementine Tritschler. Zwölf Jahre lang war er Pfarrer in Ettlenschieß. In dieser Zeit erschien sein wichtigstes Werk, „Der geognostische Wegweiser durch Württemberg“. 1885 wurde der Seelsorger nach Kleineislingen versetzt – und hier ein beliebter Pfarrer. Er engagierte sich im Christlichen Arbeiterverein, war Mitbegründer des Schwäbischen Albvereins, publizierte auch übers Imkern und hinterließ zahlreiche Gedichte, in denen sein feiner Humor zum Ausdruck kam. Engel hatte nicht nur Fossilien, Mineralien und Pflanzen gesammelt, sondern war auch ein profunder Landeskenner, der nicht zuletzt maßgeblich an der touristischen Erschließung der Region beteiligt war. Nach seiner Pensionierung im Jahre 1910 zog er an die Scheerstraße. Ein dramatischer Einschnitt war sicherlich seine Erblindung 1915. Hoch betagt starb er 1933.