Das Kultur- und Kongresszentrum Sängerhalle ist sanierungsbedürftig. Foto: Sebastian Steegmüller

Die Chorgemeinschaft Untertürkheim wagt Neustart des Betriebs der Sängerhalle trotz enormer Belastungen. Die Sanierung wird mindestens 1,9 Millionen Euro kosten.

Untertürkheim - Die Chorgemeinschaft Untertürkheim will die Sanierung der in die Jahre gekommenen Sängerhalle in Angriff nehmen. Nachdem der gemeinderätliche Verwaltungsausschuss im Juli des Jahres 125 000 Euro für die von der Stadtverwaltung geforderten Gutachten bewilligt hat, wurden nun erste Schritte eingeleitet, berichtete Geschäftsführerin Stephanie Eisenhardt jüngst im Untertürkheimer Bezirksbeirat.

So wurde mit dem Architekturbüro Oliver Sorg zwischenzeitlich ein Partner für das ambitionierte Vorhaben gefunden. Auch eine Begehung der Sängerhalle mit einer Brandschutzgutachterin sei bereits erfolgt, Termine mit einem Statiker sowie mit Experten für Lärmschutz, Schadstoffe, Haustechnik, Bühnentechnik und Baurecht stünden noch aus. Was die zwingend nötige Sanierung letztendlich kosten wird, lasse sich derzeit nicht beziffern, räumte Stephanie Eisenhardt ein. Der Architekt hat Kosten von neun Millionen Euro errechnet. „Das wäre dann eine Generalsanierung.“ Für die dringendsten Maßnahmen, die zum Weiterbetrieb der Sängerhalle erforderlich sind, rechnet die Geschäftsführerin mit jenen 1,9 Millionen Euro, die sie Ende vergangenen Jahres bei der Stadt Stuttgart beantragt hatte. Und die, wie berichtet, im Doppeletat 2020/2021 jedoch keine Berücksichtigung fanden.

Neubau wäre teurer

„Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen“, meint Eisenhardt. Denn noch nicht eingerechnet ins Mindestbudget seien die Mehrkosten für eine geänderte, pandemiegerechte Lüftungsanlage: Jetzt werde die Luft von oben nach unten eingeblasen, künftig müsse sie von unten nach oben abgesaugt werden. Die neue Anlage müsse also aufs Dach gebaut werden – Tragfähigkeitsberechnungen in drei Varianten hat Eisenhardt deshalb eigens erstellt. Trotz der Vielzahl an gravierenden Mängeln plädiert sie für die Ertüchtigung der Halle. „Ein Neubau würde viel Zeit beanspruchen und wäre nicht zum Preis einer Sanierung zu erhalten.“

Kein kostendeckender Betrieb

Konkrete Aussagen zur wirtschaftlichen Entwicklung seien derzeit allerdings „nahezu unmöglich“, betonte Eisenhardt mit Blick auf die Corona-Pandemie. Seit dem 1. August betreibt die Chorgemeinschaft Untertürkheim die Sängerhalle in Eigenregie. Seither habe man 45 Veranstaltungen für das Jahr 2020 notieren können. „Darunter sind drei private Feiern. Der Rest sind hauptsächlich Proben für kulturelle Veranstaltungen, bei denen keine kostendeckende Saalmiete verlangt werden kann.“ Aus den derzeitigen Veranstaltungen könne der Verein Einnahmen in Höhe von rund 12 000 Euro generieren. Zudem hat der Gemeinderat der Chorgemeinschaft jüngst 13 980 Euro Coronahilfe zugesagt. Damit freilich ließe sich die Lücke, die durch die Aufgabe der langjährigen Pächterin entstanden sei, nur unvollständig schließen. „Ein kostendeckender Betrieb wird in 2020 nicht möglich sein“, sagte Eisenhart. Auch die nächsten Jahre werden hart: Etwa 80 000 Euro müssen aus dem Betrieb der Sängerhalle erwirtschaftet werden, darüber hinaus peilt die Geschäftsführerin einen jährlichen Überschuss von gut 60 000 Euro an, damit die Chorgemeinschaft künftig ohne Zuschüsse von der Stadt auskommt. „Mit diesem Überschuss können laufende Anpassungen an den Stand der Technik vorgenommen werden.“

Vielfältige Nutzungen

Eisenhardt warb für den Erhalt der Sängerhalle. Diese sei nicht nur ein Haus mit einer 115-jährigen Geschichte: „Sie diente als Chorheim, als Unterkunft für Zwangsarbeiter, als Gerichtssaal und als Konzertsaal des SDR. Sie gehört zu Untertürkheim wie das Daimlerwerk und das Inselbad.“ Die Sängerhalle sei auch ein Haus mit Zukunft, denn sie sei als Veranstaltungsort gefragt. „Sie ist Heimat für viele Vereine, für die der Kursaal zu groß ist oder andere Hallen zu klein sind.“ Man könne Kleinkünstlern eine Bühne bieten, die sich andere Veranstaltungsorte nicht leisten könnten. Auch für private Gesellschaften und andere Interessenten sei man eine bezahlbare Alternative mit einem Platzangebot, das die meisten Lokale nicht hätten, erläuterte Eisenhardt. „Wir können aufgrund unserer Größe Räume für Prüfungen, Sitzungen, Workshops und Proben auf Abstand anbieten.“

Bezirksbeirat für Sanierung

Den Untertürkheimer Bezirksbeirat hat die Geschäftsführerin mit ihrem Bericht überzeugt. Einstimmig verabschiedete das Gremium einen Beschluss, der ein klares Signal an die politischen Entscheidungsträger ist. Darin betonen die Lokalpolitiker die große Bedeutung der Sängerhalle als „einzige Versammlungsstätte und Stadthalle im Stadtbezirk und in den oberen Neckarvororten“. Sie richten den Blick in die Zukunft: „Eine sanierte und modernisierte Sängerhalle dient der nachhaltigen und lebendigen Quartiersentwicklung im Lindenschulviertel, die mit dem IBA-Projekt ‚Stadt am Fluss: Vernetzung Untertürkheim’ herausgebildet werden soll. Die Sängerhalle könnte zu einem energetisch und architektonisch qualitätsvollen Gebäude werden, dass die Standards für die IBA’27 erfüllt.“