Das Öffnen der Briefe ist Fließband-Arbeit. Foto: Sebastian Gall - Sebastian Gall

Rund 98 500 Stuttgarter haben die Briefwahl beantragt. Etwas weniger als die Hälfte davon, werden im Haus des Sports ausgezählt. Für die Ehrenamtlichen eine Fließband-Arbeit.

Bad CannstattDas deutsche Grundgesetz sieht eindeutig vor, dass die Bürger ihre Stimme direkt an der Wahlurne abgeben sollten. Dennoch geht der Trend in den vergangenen Jahren vermehrt zur Briefwahl. Auch diese Stimmen werden am Wahlsonntag ausgezählt. Neben der Stelle im SSB-Zentrum auf der Waldau, wurden gestern auch im Haus des Sports, unweit der Mercedes-Benz-Arena, fleißig Stimmen gezählt.

Traditionell fand die Briefwahlauszählung immer im Kursaal statt. Doch der Umzug in den Neckarpark wurde notwendig – aus Platzgründen. „So viele Briefwähler wie dieses Jahr, gab es noch nie“, sagt Lucas Jacobi, der die Auszählung im Haus des Sports leitet. Rund 98 500 Äntrage auf eine Briefwahl sind beim Statistischen Amt eingegangen. Fünf Jahre zuvor waren es noch 70 340.

Im Atrium des Haus des Sports geht es dementsprechend geschäftig zu. Man könnte meinen, man sei in einem Bienenstock gelandet, so wird dort gewuselt. Die Geräuschkulisse wird bestimmt vom Rascheln der Briefe, die aus den Postkästen genommen, geöffnet und sortiert werden. Die zahlreichen Helferinnen und Helfer sind ab 14 Uhr bei der Arbeit. Bevor ab 18 Uhr – nach Schließung der konventionellen Wahllokale – mit der Stimmauszählung begonnnen werden kann, kommt es erst einmal zur Zulassungsprüfung. Das heißt, die Briefe werden geöffnet und es wird geprüft, ob die Stimmzettel gültig sind. Nur gültige Stimmzettel werden dann im Anschluss gezählt. Begonnen wird die Zulassungsprüfung mit den Stimmen zur Europawahl. „Wir rechnen damit, dass wir gegen 23 Uhr so langsam zum Ende kommen und gegen 23.30 Uhr fertig sind“, sagt Jacobi. Währenddessen werden die schon ausgezählten Stimmen per Schnellmeldung an das Statistische Amt übermittelt und mit den restlichen Stimmen zusammengefasst. Die Feinauszählung am Montag erledigen Mitarbeiter der Stadt.

Etwas weniger als die Hälfte der abgegebenen Brief-Stimmen – also rund 40 000 – werden im Haus des Sports ausgezählt. Für die rund 500 Ehrenamtlichen, die an 51 Tischen verteilt sitzen, bedeutet das: Arbeiten wie am Fließband. Sechs bis Acht der fleißigen Bienchen sitzen an einem Tisch. Die Zusammensetzung ist bunt gemischt. Von Jung bis Alt, von Student bis Pensionär und egal ob Mann oder Frau, hier arbeiten alle zusammen. „Es ist ein Querschnitt durch die Gesellschaft“, sagt der Auszählungsleiter. An jedem der Tische gibt es einen Vorsteher und einen Vertreter. Diese beiden wurden vor dem Wahltag im Rathaus geschult. Zwischen den Tischen „patrouillieren“ 20 Betreuungskräfte. Sie sind dazu da, um Fragen zu beantworten und zu helfen, sollte es einmal zu Problemen kommen. Für ihre Arbeit bekommen die Ehrenamtlichen eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 66 Euro – früher nannte man dies Erfrischungsgeld. Fragt man bei den Helferinnen und Helfern nach, warum sie sich an einem Sonntag zum Briefe öffnen und auszählen treffen, bekommt man verschiedene Antworten. „Politisches Verantwortungsgefühl“, „Interesse und Neugier“ oder „der Gesellschaft etwas zurückgeben“ sind oft genannte Gründe. Man kann für die Arbeit der Ehrenamtlichen nur dankbar sein.