Britische Zeitungen sind derzeit vor allem mit Prinz Harrys Memoiren beschäftigt. Foto: dpa/Kirsty Wigglesworth

Jetzt geht es nicht mehr nur um die Royals. Harrys Kommentare zu seiner Afghanistan-Zeit stoßen auf empörte, ja wütende Reaktionen. Vor allem eine Gruppe ist tief enttäuscht.

An diesem Wochenende sucht man im Vereinigten Königreich mit der Lawine der Enthüllungen fertig zu werden, die Prinz Harrys Memoirenband „Spare“ losgetreten hat, noch bevor das Buch überhaupt offiziell erschienen ist. Inzwischen weiß man, dass Harry von seinem älteren Bruder im Streit um Harrys Frau Meghan zu Boden gestreckt wurde und dass William, Harrys „geliebter Bruder“, zugleich immer auch sein „Angstgegner“, sein „Erzfeind“ war.

Weiter hat man erfahren, dass Harry als Teenager Kokain schnupfte; dass er Vater Charles vergebens bat, seine Geliebte Camilla nicht zu heiraten, nachdem Diana in Paris ums Leben kam; dass Charles gern darüber scherzte, dass Harry vielleicht gar nicht sein Sohn sei; dass der Zweitgeborene immer nur als „das Ersatzteil“ der Monarchie behandelt wurde, das bloß dazu da war, im Notfall eine Niere oder „etwas Knochenmark“ zu spenden und dass nach Harrys Verbindung mit Meghan der Buckingham-Palast selbst die Presse gegen das Paar aufwiegelte.

SS-Uniform: Harrys erhebt Vorwurf gegen William und Kate

Bruder William und Schwägerin Kate hat Harry jetzt auch vorgeworfen, sie hätten ihm jene SS-Uniform aufgedrängt, die ihn bei einem Kostümfest des Jahres 2005 in solche Schwierigkeiten brachte. Ganz besondere Aufmerksamkeit aber hat Harrys Bemerkung ausgelöst, dass er bei seinen Afghanistan-Einsätzen vor zehn Jahren insgesamt 25 Taliban getötet habe – und dass er versucht hatte, seine Feinde nicht als Menschen zu betrachten, sondern als „Schachfiguren“, die „vom Schachbrett geräumt“ werden mussten. Die man schlicht als „die Bösen“ auf dem Feld zu „eliminieren“ hatte, „bevor sie die Guten töten konnten“.

„Denn man kann Menschen nicht töten, wenn man sie als Menschen sieht“, erklärte Harry. Die Armee habe ihn geschult dafür, diese Leute als „etwas anderes“ zu sehen. Das habe ihm geholfen, abends mit gutem Gewissen zu Bett zu gehen. Stolz sei er keineswegs auf die Zahl der getöteten Gegner. Aber zu irgendwelcher Entschuldigung sehe er auch keinen Grund.

Hohe Ex-Militärs reagieren getroffen

In der Tat gehörte Harry zehn Jahre lang in verschiedenen Rollen den britischen Streitkräften an. In Afghanistan war er erstmals 2007 als Flugaufseher mit dabei.

Nach seiner Ausbildung zum Hubschrauber-Co-Piloten und MG-Schützen wurde er 2012/13 trotz Bedenken der britischen Regierung auch bei Frontkämpfen eingesetzt. 20 Wochen lang war „Captain (Hauptmann) Wales“, wie man ihn nannte, in Camp Bastion in der Helmand-Provinz stationiert. In dieser Zeit soll er an Hunderten von Erkundungsflügen und an sechs spezifischen Einsätzen als Schütze beteiligt gewesen sein.

Harrys Enthüllungen zu seiner Afghanistan-Zeit sind unmittelbar auf empörte, ja entsetzte Reaktionen gestoßen – auch bei hohen Ex-Militärs in London. Oberst Richard Kemp, der Truppenchef in Afghanistan war, nahm vor allem Anstoß an Harrys Schachbrettvergleich. Solche Bemerkungen seien „völlig fehl am Platze“ und hätten „nichts mit der Realität zu tun“, sagte Kemp. Wenn Harry von Schachfiguren spreche, liefere er Leuten, die den britischen Streitkräften übel wollten, nur wertvolle Munition. Darüber hinaus habe der Prinz, der immerhin einmal „tapfer für sein Land“ gekämpft habe, sich selbst zusätzlich in Gefahr gebracht mit seinem Afghanistan-Geplauder: In diesem Punkt werde das Harry-Buch die persönliche Sicherheit des Prinzen nur noch mehr gefährden, als sie das schon sei.

Bittere Anklagen aus Armee-Kreisen

Ein früherer Chef der Antiterrorabteilung im britischen Verteidigungsministerium, Generalmajor Chip Chapman, fand Harrys Worte sogar „auf krasse und naive Weise dumm“. Er könne kaum glauben, dass Harrys Verleger ihm seine Bemerkungen hatten durchgehen lassen.

Chapman warf dem blaublütigen Ex-Captain vor, „in mindestens vier Punkten gegen den Verhaltenskodex der Armee verstoßen“ zu haben. Harry habe „keinen Respekt für andere“ gezeigt und Werte wie Integrität, Loyalität und selbstlosen Einsatz sträflich ignoriert. „Überhaupt nie zuvor“ sei er bei seinen Soldaten oder Ex-Soldaten auf eine solche „Leichenzähl-Mentalität“ gestoßen, wetterte der Generalmajor. Das alles sei umso schlimmer, als Harry selbst ein Mitglied der Krone sei, der die Streitkräfte dienten. Mit seinen „Enthüllungen“ habe Harry jedenfalls viel von der Zuneigung verspielt, die ihm zum Beispiel viele Veteranen traditionell entgegengebracht hätten.

Hochrangiges Talibanmitglied wirft Prinz Harry Kriegsverbrechen vor

Twitter
 Ein hochrangiges Talibanmitglied hat Prinz Harry nach Schilderungen in dessen Memoiren Kriegsverbrechen vorgeworfen. „Die von Ihnen Getöteten waren keine Schachfiguren, sie waren Menschen; sie hatten Familien, die auf ihre Rückkehr warteten“, schrieb Anas Hakkani am Freitag auf Twitter. „Unter den Mördern von Afghanen haben nicht viele den Anstand, ihr Gewissen zu offenbaren und ihre Kriegsverbrechen zu gestehen.“

Terrornetzwerk
Anas Hakkani gehört selbst zu dem berüchtigten Hakkani-Netzwerk der militant-islamistischen Gruppe; für die USA ist es eine Terrororganisation. Es wird für einige der grausamsten Anschläge in Afghanistan verantwortlich gemacht. Anas Bruder Siradschuddin, der amtierende Innenminister, wird mit zehn Millionen US-Dollar Kopfgeld durch das amerikanische FBI gesucht.