Das Monocoque des Haas-Boliden ist zwar ziemlich ramponiert, doch nicht zerstört – und der sogenannte Halo über dem Cockpit ist intakt und rettete Romain Grosjean das Leben. Foto: imago/Andy Hone

Romain Grosjean hat seinen schweren Crash gut überstanden. Kaum ein Rennfahrer zögert nach solchen Vorfällen bei der Rückkehr ins Cockpit – die meisten Piloten zählen Unfälle nüchtern zum Berufsrisiko.

Sakhir/Stuttgart - Es ist für Normalsterbliche wahrscheinlich nicht leicht, bisweilen sogar schlicht unmöglich, sich in den Geist eines Rennfahrers hineinzuversetzen. Da entgeht Romain Grosjean beim Großen Preis von Bahrain ein furchtbarer Feuerunfall, fast jeder Augenzeuge verwendete das Wort „Wunder“ für die geglückte und beinahe verletzungsfreie Flucht des Haas-Piloten aus dem flammenden Inferno – und die Fahrerkollegen haken diesen Vorfall erstaunlich nüchtern und schnell ab, als sei der Franzose aus dem Grand Prix ausgeschieden, weil ihm dummerweise das Benzin ausgegangen ist.

Dass das Rennen nach knapp 90-minütiger Unterbrechung fortgesetzt wurde, war für Max Verstappen völlig normal, ja sogar eine zwingende Notwendigkeit. „Wenn ein Kerl nicht rennfahren würde und ich sein Teamchef wäre, dann würde ich ihm sagen, dass er nie wieder im Sitz Platz nimmt“, sagte der 23 Jahre alte Red-Bull-Mann auf der offiziellen Pressekonferenz. Der Niederländer war gefragt worden, ob die Fahrer nach so einem Crash wie am Sonntag in Bahrain nicht die Wahl bekommen sollten, das Rennen fortzusetzen oder nicht. Lewis Hamilton, der Sieger des Rennens, der Rekordweltmeister und mit 35 Jahren mit deutlich mehr Lebenserfahrung als Verstappen gesegnet, antwortete diplomatischer. Aber im Inhalt nicht unterschiedlich. „Wir sind nicht die Regelbehörde Fia“, sagte der Mercedes-Pilot, „wir sind hier, um einen Job zu erledigen und wir verlassen uns auf den Automobil-Weltverband, der sich der Sicherheit bewusst ist und wir vertrauen ihm unbedingt. Also nein, ich denke nicht.“

Rennfahrer blenden die Gefahr aus

Nun mögen Hamilton und Verstappen nicht unbedingt repräsentativ für alle Rennfahrer sprechen, man darf aber vermuten, die meisten aus den Eliteserien würden sich ähnlich äußern. Warum? Nur mit diesen Scheuklappen, die das Risiko unsichtbar machen und den Tod ignorieren, hat ein Pilot eine reelle Chance, um Titel zu kämpfen und um Rennsiege mitzufahren. „Ich muss mich in einen Zustand bringen, dass ich mich ins Auto setze, das Visier herunterklappe und dann nur noch an meinen Job denke. Ans Risiko darfst du nicht denken, wenn du in den Rennwagen steigst. Du blendest das aus“, sagte Nico Rosberg wenige Tage nach dem schweren Unfall von Jules Bianchi in Suzuka 2014. Der Franzose starb nach neun Monaten im Koma am 17. Juli 2015. Oder nehmen wir Niki Lauda, der nur 42 Tage nach seinem Feuerunfall auf dem Nürburgring 1976 wieder ins Ferrari-Cockpit kletterte – dabei war der Österreicher dem Tod nur ganz knapp entronnen. Nachdem sich in Bahrain die Botschaft verbreitet hatte, dass Romain Grosjean nahezu unverletzt geblieben war, galt in der Branche: Abhaken und Gas geben als sei nichts geschehen.

Grosjean ist Rennfahrer seit er 14 ist, seit 2009 ist der gebürtige Genfer Formel-1-Pilot – deshalb hätte er sich sicher vorstellen können, beim Rennen am kommenden Wochenende in Bahrain am Arbeitsplatz aufzutauchen. Noch in der Nacht zu Montag hatte Haas-Teamchef Günther Steiner seinem Piloten die Rückkehr-Option offengehalten. „Es ist seine Entscheidung“, sagte der Südtiroler. Der Rekonvaleszent verschickte in der Nacht Videobotschaften, die ihn mit verbundenen Händen im Krankenbett zeigten, während er gut gelaunt lächelte: „Danke für die Unterstützung, es geht mir gut. Ich hoffe, dass ich euch bald wieder sehe.“

Fittipaldi ersetzt Grosjean in Bahrain

Obwohl der 34-Jährige das Militärkrankenhaus in Bahrain an diesem Dienstag bereits verlassen darf, obwohl die Behandlung der Verbrennungen an beiden Handrücken gut verläuft, entschied der Rennstall, Grosjean eine kleine Erholungspause zu gönnen. Im vorletzten Saisonrennen am Sonntag (18.10 Uhr/RTL) wird der Franzose nicht in den Rennoverall schlüpfen. Steiner nominierte Ersatzfahrer Pietro Fittipaldi (24), Enkel des zweimaligen Formel-1-Weltmeisters Emerson Fittipaldi. „Nachdem entschieden wurde, dass es das Beste für Romain ist, mindestens ein Rennen auszulassen, war die Entscheidung, Pietro ins Auto zu setzen, ziemlich einfach“, erklärte der Teamchef. Wahrscheinlich wird Grosjean beim Saisonfinale in Abu Dhabi am 13. Dezember im Haas-Overall stecken. „Rennfahrer vertrauen auf die Sicherheit der Autos“, sagte Ex-Rennfahrer Christian Danner, „deshalb setzen sie sich stets wieder ins Cockpit. Rennfahrer sind keine normalen Menschen.“