Roland Emmerich 2017 in Stuttgart anlässlich der Verleihung des Carl-Laemmle-Preises Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Auf Roland Emmerich kann die Menschheit sich verlassen: Ein ums andere Mal bewahrt sie der Sindelfinger Regisseur in seinen Filmen vor dem Weltuntergang. Am 10. November wird er 65 Jahre alt – Glückwunsch!

Stuttgart - Master of Desaster: So wurde der schwäbische Hollywood-Regisseur Roland Emmerich genannt, weil er so gerne Katastrophen verfilmte: In „Independence Day“ (1996) legen invasive Aliens das Weiße Haus in Schutt und Asche, in „Godzilla“ (1999) ein Riesensaurier New York. Im Endzeitszenario von „2012“ (2009) löst eine Pol-Verschiebung die Apokalypse aus, in „The Day After Tomorrow (2004) versinkt die Nordhalbkugel in einer Eiszeit, weil der Golfstrom in Folge des Klimawandels versiegt ist – was keine 20 Jahre später Realität zu werden droht.

Damals begann Emmerich, seine Filmunterhaltung auch für Aussagen zu nutzen. Im Historien-Spektakel „Anonymous“ (2012) fragt er, wer Shakespeares Werke wirklich geschrieben haben könnte, in „Stonewall“ (2015) erinnert er an den Bürgerrechtskampf der Homosexuellen. Bis dahin war es ein weiter Weg, an dessen Anfang ein anderer Spitzname stand, den Emmerich noch weniger mochte als „Master of Desaster“: Als „Spielbergle“ wurde der in Stuttgart geborene Sindelfinger verspottet, weil er sich im Land der Autorenfilmer ans Genre-Kino wagte, mit geringen Mitteln und Erfindergeist opulente Effekte kreierte und Vorbildern wie Steven Spielberg und George Lucas nacheiferte.

Wegen der perfekten Tricks wurde Hollywood aufmerksam

In seinem Debüt „Das Arche Noah Prinzip“ (1984) erzählt Emmerich von zwei Astronauten an Bord einer Wetter-Raumstation, die sich dagegen wehren, für militärische Zwecke eingespannt zu werden, und verblüffte schon damals mit hausgemachten Tricks, die erstaunlich realistisch wirkten. Mit dem Effekt-Spezialisten Volker Engel perfektionierte er die Illusion , während sie in einer Scheune bei Magstadt „Moon 44“ (1990) inszenierten, einen Thriller über eine Zukunft, in der die Bewohner einer ausgezehrten Erde im All Rohstoffe gewinnen müssen. Nun wurden die Hollywood-Studios aufmerksam.

Emmerich folgte dem Ruf und biss sich durch. In „Universal Soldier“ (1992) erzählt er von menschlichen Killermaschinen, die das Militär züchtet; im Science-Fiction-Märchen „Stargate“ (1994) entdeckt ein Ägyptologe eine Pforte in eine andere Welt. Zu Hilfe kam ihm eine Tugend, die er von zu Hause mitbrachte: „Ich habe als guter Schwabe gesagt: Diese Filme in Amerika sind zu teuer“, sagte er unserer Zeitung im Jahr 2017. „Meine in Deutschland gedrehten Filme mussten immer teurer aussehen, als sie eigentlich waren, deshalb ist mir das leichtgefallen. Ich habe immer wieder bewiesen, dass man Filme 20 oder 30 Millionen billiger drehen kann. Das mochten die Studios. Dafür habe ich gewisse Freiheiten verlangt, den Final Cut und eine Skriptgarantie. Ich habe auch Beteiligungen bekommen, was damals sehr ungewöhnlich war.“

Er massierte den patriotischen Nerv der Amerikaner

Den Durchbruch brachte das bildgewaltige Epos „Independence Day“ (1996), eine Kassenknüller mit Kultstatus, der den Oscar für die besten Effekte bekam. Noch wichtiger als diese war Emmerichs Blick auf den Kampf der USA gegen die außerirdischen Invasoren: Er erwies sich als gelehriger Siedler auf der amerikanischen Seele. Immer wieder massierte er den patriotischen Nerv, aufrechte Uniformierte unter Sternenbanner haben bei ihm schon die Stadt („Godzilla“, 1999), das Land („Der Patriot“, 2001/„White House Down“, 2013) und mehrfach die gesamte Menschheit gerettet.

Wie kein Zweiter beschwört Emmerich Nation, Freiheit und Familie und schafft es dabei, Gut und Böse sauber auseinanderzudividieren. Er versteht es, zu vereinfachen, wo menschliche Sehnsüchte empfänglich dafür sind. Ihm gelingt es, im größten Chaos ein Happy End zu versprechen, das er dann tatsächlich auch herbeiführt. Sein Aufstieg in die Traumfabrik bedient den größten Mythos der Neuen Welt. Zweifellos wird er sich weiter die Freiheit nehmen, im Kino die Welt zu retten, so komplex sie auch werden mag.