„Furor Teutonicus“: So stellten sich Künstler im 19. Jahrhundert die Varusschlacht vor (Bild von Paja Jovanović, 1889). Foto: Wikipedia commons/aja Jovanović

Im Jahr 9. n. Chr. vernichteten Germanen ein gewaltiges römisches Heer. Der Name des römischen Generals gab der Schlacht ihren Namen: Varusschlacht. Nun belegen neue Funde und Metallanalysen, dass Kalkriese in Westfalen tatsächlich der Schauplatz dieser folgenschweren Niederlage Roms war.

Irgendwo im Niemandsland zu Beginn unserer Zeitrechnung, in der mehr oder weniger eroberten Provinz „Magna Germania“ im heutigen Westfalen: Damals, im Jahr 9 n. Chr. starb der römische Heerführer Publius Quinctilius Varus durch sein eigenes Schwert.

Beim Ort dieser berühmten Schlacht handelt es sich um ein Areal in der Kalkrieser-Niewedder Senke in Bramsche im Osnabrücker Land, in dem größere Mengen römischer Funde gemacht wurden. Es handelt sich neben dem Römerlager Hedemünden, dem Fundplatz Bentumersiel und dem Harzhornereignis um eine der wenigen größeren römischen Fundstellen im norddeutschen Raum.

20 000 römische Soldaten starben in Germaniens düsteren Wäldern

Mit Varus wurden drei römische Legionen samt Hilfstruppen und Tross, zusammen gut 20 000 Mann – ein Achtel des Gesamtheeres im Römischen Reich – von germanischen Stammeskriegern unter der Führung des römischen Ritters Arminius, besser bekannt als Hermann, der Cherusker, vernichtet.

Die von römischen Schrifstellern wie Tacitus als „Clades Vairana“ (Varus-Niederlage) bezeichnete Schlacht leitete das Ende der römischen Bestrebungen ein, die rechtsrheinischen Gebiete Germaniens (die sogenannte Fluvius Albis) zur Provinz zu machen. Die Schlacht gehört zu den wichtigsten Ereignissen in der antiken Geschichte.

Metallanalysen sprechen für Kalkriese als Ort der Varusschlacht

Doch war Kalkriese der Ort der historischen Varusschlacht? Darüber sind sich Experten seit Jahren uneinig. Metallanalysen an Fundstücken untermauern nun jedoch die Hypothese, dass dieser Ort bei Osnabrück vor mehr als 2000 Jahren Schauplatz der legendären Schlacht zwischen Römern und Germanen gewesen sein könnte.

Wie das Varusschlacht-Museum am Mittwoch (16. November) in Bramsche mitteilte, wurde für eine Doktorarbeit, die am Deutschen Bergbaumuseum in Bochum entstanden ist, eine Art metallurgischer Fingerabdruck der 19. römischen Legion abgenommen.

Dieser Fingerabdruck beschreibt die charakteristische Zusammensetzung der chemischen Spurenelemente in den römischen Buntmetallen wie Bronze oder Messing. Diese lassen sich mit einem Massenspektrometer analysieren.

Metallurgischer Fingerabdruck der 19. Legion

Da sich die Buntmetalle römischer Legionen in ihrer Zusammensetzung unterscheiden lassen, sei aufgrund der Befunde die 19. Legion, die mit dem Feldherrn Varus unterging, in Kalkriese nachweisbar, heißt es. Für das Forschungsprojekt wurden mehr als zwei Jahre lang rund 550 Proben entnommen und chemisch untersucht. Verglichen wurden Buntmetallfunde von sieben Legionsstandorten. Sie stammen etwa von Gürtelschnallen, Gewandnadeln oder Riemenhaltern.

Die 19. Legion sei Jahre vor der für die Römer vernichtenden Varusschlacht im Bereich des heutigen Dangstetten (Baden-Württemberg) stationiert gewesen. „Beim Abgleich der Funde aus Kalkriese mit den Funden aus den anderen Fundorten stellen wir fest, dass die Funde aus Dangstetten und Kalkriese signifikante Übereinstimmungen zeigen“, sagt Annika Diekmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bochumer Bergbaumuseums.

Zum Vergleich untersuchte Funde aus Legionsstandorten, deren Legionen nicht in der Varusschlacht untergangen sind, weisen hingegen deutliche Unterschiede zu den Funden aus Kalkriese auf. Auch zum Lagerstandort Haltern finden sich Übereinstimmungen.

Info: Varusschlacht

Magna Germania
Mit den sogenannten augusteischen Feldzügen ab 13/12 v. Chr. gelangten die rechtsrheinischen Gebiete unter Kontrolle der Römer. Bis zur Gründung der Provinz „Magna Germania“, die im Jahr 90 n. Chr. unter Kaiser Domitian (51-96 n. Chr.) abgeschlossen war, wurde das Gebiet militärisch verwaltet.

Germania Libera
In der romantischen Idealisierung der Historienwissenschaft des 19. Jahrhundert wurde für „Gemania Magna“ auch der Begriff „Germania Libera“ (Freies Germanien) gebraucht. Und zwar in dem Sinne, dass der Sieg des Arminius, der bekanntlich durch eine List erfochten wurde – der Germane lockte Varus mit der Lüge, es sei im Gebiet der Cherusker ein Konflikt ausgebrochen – in die unerschlossenen Wälder des heutigen Nordrhein-Westfalens.

Germanicus
In der Fundregion Kalkriese fanden zwischen 9 bis 19. n. Chr. eine Reihe großer Schlachten statt. Das Gebiet gilt bei Wissenschaftlern als ein der wahrscheinlichste Schauplatz der Varus-Schlacht sowie der Schlacht des römischen Generals Caecina an dem von Germanen zuvor errichteten Angrivarierwall.

Arminius
Siege sind relativ, weshalb Kaiser Tiberius des Blutzolls überdrüssig seinen Feldherren Germanicus aus Germanien abrief. Die römische Armee zog sich in ihre Kastelle westlich des Rheins zurück und überließ die wilden Germanen ihrem Schicksal. Im Jahre 21 wurde der tapfere Arminius, der Vorbild für den Recken Siegfried in der Nibelungen-Saga war, von missgünstigen Verwandten aus dem eigenen Clan ermordet.

Harzhorn
Mehr als 200 Jahre nach den Feldzügen des Varus und Germanicus nahmen die Römer in der Schlacht am Harzhorn Rache. 235 n. Chr. stießen römische Kohorten, wohl einige tausend Mann stark, mit Infanterie und Artillerie begleitet von Kavallerie und Tross, tief ins Innere des „Freien Germaniens“ vor und versetzte den Germanen am Westrand des Harzes, am Höhenzug Harzhorn, eine schwere Niederlage.