In dieser Saison hat Felix Loch sämtliche Rennen gewonnen und steht schon als Gesamtweltcup-Sieger fest. Nun geht es um WM-Gold auf seiner Heimbahn am Königssee. Foto: imago/Steffen Proessdorf

Felix Loch hat diesen Winter alle Weltcup-Rennen gewonnen und geht als hoher Favorit in die WM am Königssee an diesem Wochenende. Was der 31-Jährige aus Niederlagen gelernt hat, erzählt er im Interview.

Stuttgart - Der Rodler Felix Loch ist in diesem Winter so unbesiegbar wie der griechische Sagenheld Achilles – im Grunde unschlagbar. Der 31-Jährige hofft, dass dies auch bei der Rodel-WM am Königssee an diesem Wochenende so bleiben möge und kein Konkurrent seine verwundbare Stelle entdeckt.

Herr Loch, acht Rennen, acht Siege, den Gesamtweltcup haben Sie sich vorzeitig gesichert – wird es Ihnen bei dieser Unbesiegbarkeit nicht ein wenig unheimlich?

Nein, Angst bekomme ich deswegen nicht. Aber es ist schon ein bissel ungewohnt, vor allem, dass es am Stück so extrem gut läuft. Davon konnte ich vor der Saison wirklich nicht ausgehen. In Innsbruck habe ich beim ersten Weltcup gesehen, dass alles deutlich besser passt als vergangene Saison und ich einen Schritt nach vorn gemacht habe – dass es aber so gut läuft, war nicht zu erwarten.

Sie haben sicher eine Erklärung dafür – und die ist hoffentlich kein Geheimnis, das Sie mir nicht nennen wollen.

Es sind viele Sachen. Einerseits ist es das Schlittenmaterial, das mir einen gewaltigen Schritt nach vorn beschert hat. Wir haben in den letzten zwei Jahren viel gelernt und deshalb vor dieser Saison viel verändert. Ob das die richtigen Maßnahmen waren, sieht man allerdings erst, wenn man Rennen fährt. Und dann sind meine Startzeiten noch mal besser geworden, das hilft natürlich zusätzlich.

Auch psychisch sind Sie in der Balance, oder?

Klar, das Mentale kommt dazu. Wenn man weiß, dass es läuft, gibt einem so eine Serie die nötige Sicherheit, dass alles passt und man sich nicht auf zahlreiche andere Dinge konzentrieren muss. Natürlich beschäftige ich mich aber immer damit, was man am Schlitten oder bei der Fitness noch besser machen könnte.

Nach der Enttäuschung mit Platz fünf bei Olympia 2018 gingen Sie zwei Winter lang durch ein Tal der Erfolglosigkeit und haben 22 Monate keinen Weltcup-Sieg gefeiert.

Ich selbst habe mir nie so extrem Gedanken über die Situation gemacht, denn ich habe ja in den Jahren davor gesehen, dass ich in der Weltspitze mitfahren kann. In dieser Zeit hat nur nie alles richtig zusammengepasst, mal haben zwei Läufe gut funktioniert, mal nur einer oder mir sind gute Trainingsfahrten gelungen. Ich war nie im Zweifel, ob ich überhaupt noch rodeln kann und war stets motiviert. Die entscheidende Frage war: Wann kriegen wir wieder alles zusammen, damit ich am Ende wieder ganz oben stehe?

Es hat Sie tatsächlich nicht runtergezogen, dass Ihre Dominanz nach sechs Gesamtweltcup-Triumphen zwischen 2012 und 2018 einfach abhandengekommen ist?

Ich wusste ja, warum das so gekommen ist. Wir hatten beim Material viel ausprobiert und sind in die falsche Richtung marschiert. So was ist während der Saison schwierig zu ändern, so einen Rückstand kann man im Winter nicht mehr aufholen, weil die Konkurrenz ja auch nicht schläft. Klar, man kann das Glück haben, dass man einen Fehler findet, der gleich ein paar Zehntel bringt – aber in der Regel muss man die ganze Saison kämpfen und eben das Beste draus machen. Genau das war der Ansporn, wieder den Anschluss zur Weltelite herzustellen.

Es hilft garantiert in so einer Situation, wenn man ein optimistisches Naturell besitzt.

Richtig, auf jeden Fall. Da waren die vielen Jahre, die ich schon im Geschäft bin, wirklich hilfreich. Man lernt mit Extremsituationen umzugehen.

Man kann Rodeln nicht vom einen auf den anderen Tag lernen, aber auch nicht verlernen.

Genau, wir sehen das bei Natalie Geisenberger oder Dajana Eitberger – die sind die besten Beispiele. Die legen sich nach ihren Babypausen wieder auf den Schlitten, sie brauchen zwar ein bisschen, um reinzukommen, aber dann sind sie wieder vorn dabei und fahren um Siege mit. Beide haben Rennen gewonnen. Rodeln ist wie Radfahren oder Skifahren. Selbst wenn man zehn Jahre raus ist, stellt man sich wieder auf die Ski, ist die ersten paar Hundert Meter wackelig auf den Beinen, weil’s ungewohnt ist, doch schnell wird’s wieder gut funktionieren.

Die werden auch bei der WM eine wichtige Rolle spielen. Und was Sie betrifft: Eigentlich können Sie sich auf Ihrer Heimbahn in Ihrer derzeitigen Form nur selbst schlagen.

(Pause.) Ja, das kann man fast sagen, so wie es derzeit läuft. Hm, wie soll ich sagen? Ich fahre die Bahn hier am Königssee einfach sehr gern, mir taugt sie, ich weiß genau, worauf es ankommt und wo es mit der Fahrt passen muss. Aber deswegen werde ich auch mit einer gewissen Entspanntheit an das Rennen, weil ich weiß: Ich brauche zwei gute Läufe, dann kann ich da ganz vorne mitfahren. Vom Material her passt es, und wenn dann noch das Wetter mitspielt . . .

. . . kann eigentlich gar nichts schiefgehen.

Das Ziel ist, um Medaillen mitzukämpfen.

Ist es aber nicht ein schmaler Grat von einem sehr gesunden Selbstvertrauen hin zur gefährlichen Überheblichkeit?

Ich glaube nicht, dass ich in dieser Hinsicht gefährdet bin, weil ich diesen Sport schon das eine oder andere Jahr mache – da weiß ich schon ziemlich genau, wie ich herangehen muss und nichts auf die leichte Schulter nehmen darf. Im Grunde erarbeite ich mir diese Einstellung von Woche zu Woche in den Wettkämpfen.

Was hat sich seit Ihrem Weltcup-Debüt 2006 im Rodeln geändert?

Da sind ein paar Punkte im Reglement, die geändert oder angepasst wurden, aber im Grunde könnte man sagen, dass sich im Sport nur wenig verändert hat. Da wurde das Material weiterentwickelt, es ist besser und schneller geworden. Wenn ich mit meinem Schlitten von 2006 fahren würde, hätte ich heute keine Chance mehr, vorne mitzumischen. Ich denke, das macht am Ende eine halbe Sekunde oder vielleicht mehr aus.

Eine halbe Sekunde ist im Rodeln, wo es um Tausendstel geht, ein Lichtjahr. Wenn wir von Lichtjahren im Sport reden: Denken Sie schon an Ihr 20-Jahr-Jubiläum im Weltcup 2026?

(Lacht.) Über 2022 und Olympia in Peking müssen wir nicht reden, das ist schon nächstes Jahr. Und danach schaue ich von Jahr zu Jahr, es muss dann alles zusammenpassen. 2026 sind die Spiele in Italien, die Rodel-Wettbewerbe in Cortina, das ist praktisch um die Ecke, da kann man schnell mal hinfahren. Das wäre natürlich ein schönes Ziel, wo dann alle zusammen sein könnten, also Familie und Freunde. Das wäre ein richtig schöner Abschluss.