Die Gamestop-Aktie stieg innerhalb eines Monats um über 1200 Prozent an. Foto: dpa/John Minchillo

Den rasanten Kursanstieg der Gamestop-Aktie haben wohl auch viele junge Neubörsianer mit beeinflusst. Welche Rolle spielen Apps wie Robinhood oder Trade Republic?

Stuttgart/Frankfurt - Lukas S. aus Konstanz hat den rasanten Anstieg der Gamestop-Aktie zu spät mitbekommen: „Wenn ich gewusst hätte, dass sich da mehrere Leute absprechen, dann hätte ich mir vorstellen können, da miteinzusteigen“, sagt er – zum Beispiel am 12. Januar, als die Gamestop-Aktie noch günstig zu erwerben war: Lediglich rund 16 Euro war sie an jenem Tag an der Frankfurter Börse wert. Zwei Wochen später plötzlich 267 Euro. Innerhalb eines Monats war der Kurs der Aktie um über 1200 Prozent gestiegen. An der Stuttgarter Börse war die Gamestop-Aktie in den vergangenen sieben Tagen die am häufigsten gehandelte Aktie. Was sind die Gründe dafür?

Kurzzeitig konnten keine Gamestop-Aktien mehr gekauft werden

Ein User des Internetforums Reddit bemerkte, dass der Hedgefonds „Melvin Capital“ massive Leerverkäufe gegen Gamestop getätigt hatte. Das heißt, der Hedgefonds hatte viele Aktien geliehen, leer verkauft und spekulierte nun darauf, dass die Aktie fallen würde. Jener Reddit-User überzeugte nun zahlreiche Menschen online, Gamestop-Aktien zu kaufen, sodass der Kurs in kürzester Zeit rasant anstieg. Als die Corona-Krise im vergangenen Jahr die Finanzmärkte erreichte, zog es größtenteils viele junge Anleger an die Börse – das ergab eine Untersuchung der Bankeninitiative „Pro Aktie“. Warum das passierte, ist unklar. Vermutungen sind, dass viele junge Leute aus Langeweile und Neugier begannen, auf ihren Smartphones mit Aktien zu handeln.

Viele, die sich im Internetforum Reddit seit Jahren dazu verabreden, einzelne Aktien-Kurse in die Höhe zu treiben, nutzen die Trading-App Robinhood. Diese wirkt auf die jungen Anleger mit ihrer bunten Optik wie ein fiktives Spiel. Bei Reddit stacheln sich die Nutzer dann gegenseitig immer weiter an, mehr Gamestop-Aktien zu kaufen. „Ich verkaufe nicht, frühestens bei 1000 Dollar! Schnallt euch verdammt nochmal an!“ heißt es zum Beispiel. Zeitweise war der Handel auf Robinhood aber nicht mehr uneingeschränkt möglich: Die Gamestop-Aktien konnten nur noch ver- aber nicht mehr gekauft werden. Auch Trade Republic, ein Berliner Online-Broker, teilte seinen Kunden am Donnerstag in einer Mail mit, dass die Gamestop-Aktien nicht mehr gekauft werden könnten. Ursache sei eine „beispiellose Situation“, weil die Wertpapiere „Gegenstand von heftigen, koordinierten Kursspekulationen“ seien.

Alle Ersparnisse in Gamestop investiert

Auch Lukas S. aus Konstanz hat diese Mail bekommen. Er handelt mit Wertpapieren ebenfalls auf Trade Republic – so wie viele andere: Der Online-Broker hat seine Nutzerzahl innerhalb des vergangenen Jahres auf rund 500 000 mehr als verfünffacht, schätzen Experten von finanz-szene.de. „Das ist mega easy mit wenig Geld, weil man nur ein Euro pro Transaktion bezahlt. Und die Registrierung dauert nur ein paar Minuten“, sagt der 24-Jährige – und spricht damit das aus, warum viele junge Menschen solche Apps für sich entdeckt haben.

Viele von diesen neuen Anlegern haben nun wohl auch den rasanten Anstieg der Gamestop-Aktie beeinflusst, indem sie sich in den sozialen Netzwerken zum Kauf der Aktie verabredeten – und damit den Kurs in die Höhe trieben. „Ich habe alle meine Ersparnisse in Gamestop investiert und muss meine Miete daher in diesem Monat auf Pump mit Kreditkarte bezahlen“, schreibt ein Nutzer. Die Aktion offenbart einen tief sitzenden Zorn auf die amerikanische Finanzindustrie. Er sei es leid, dass Spekulanten sich auf Kosten der Gemeinschaft bereichern, so ein Nutzer und schreibt an einen Hedgefonds adressiert: „An Melvin Capital: Ihr steht für alles, was ich daran hasse!“

Das „Spiel“ kann auch tödlich enden

In den USA handeln Millionen junger neuer Anleger mit zum Teil riskanten Optionsscheinen und Finanzderivaten. So verhalfen sie in der Vergangenheit auch der Aktie des insolventen Autovermieters Hertz zu einem zeitweise rasanten Kursanstieg. Die Neubörsianer stürzen sich dann wie eine große Herde auf die Wertpapiere, so wie nun im Fall Gamestop – das Motto: „Wenn das jetzt alle kaufen, muss es ja gut sein“. Dadurch entwickeln sich Massenbewegungen, und an den Märkten werden extreme Bewegungen ausgelöst. Bei manch einem kann dieses „Spiel“ sogar tödlich enden: Ein junger Nutzer der Trading-App Robinhood beging Selbstmord, nachdem sein Konto wegen einer misslungenen Finanzwette einen hohen sechsstelligen Minusbetrag anzeigte.