Das Robert-Koch-Institut berechnet die Reproduktionszahl anhand der Coronavirus-Neuinfektionen aus zwei aufeinanderfolgenden Zeiträumen. Foto: dpa/Paul Zinken

Seit Wochen steht die Reproduktionszahl im Fokus der Corona-Debatte. Am Dienstag hat das Robert-Koch-Institut erstmals erläutert, wie sie sich genau errechnet – und musste erhebliche statistische Unsicherheiten eingestehen.

Berlin - Seit Wochen steht die Reproduktionszahl im Zentrum der Corona-Debatte: Ist die Infektionsrate niedrig genug, um die Maßnahmen gegen das Virus weiter zu lockern? Am Dienstag erläuterte das Robert-Koch-Institut erstmals, wie es diese Maßzahl berechnet – und veröffentlichte nebenbei wesentlich bessere Daten.

Der RKI-Experte Matthias an der Heiden beschrieb die Formel für die Reproduktionszahl R. Idealerweise würde man für jeden Infizierten die Zahl der Personen kennen, die er angesteckt hat. Weil das nicht möglich ist, wird R geschätzt – als Quotient der Neuinfizierten aus zwei aufeinanderfolgenden Vier-Tages-Zeiträumen. Wenn sich etwa von Freitag bis Montag nur halb so viele Menschen anstecken wie vom Montag bis Donnerstag davor, dann liegt R bei 0,5. Das fußt auf der Annahme, dass eine Corona-Infektion binnen vier Tagen weitergegeben wird.

Neue Infektionszahlen als Grundlage

Weil R nur errechnet wird, braucht das RKI konkrete Infektionszahlen als Grundlage. Es betrachtet dafür nicht das Melde-, sondern das Erkrankungsdatum. Diese Daten wurden am Dienstag erstmals nachvollziehbar veröffentlicht. Sie weisen keinen „Wochenend-Knick“ infolge von Meldeverzögerungen aus den Gesundheitsämtern oder einer geringeren Zahl von Tests auf. Weil aber auch das Erkrankungsdatum erst mit erheblichem Verzug bekannt ist, schätzt das RKI für die jüngere Vergangenheit auch diese Werte mit dem sogenannten „Nowcast“. Dies beschreibt die Methode, bei der die Fallzahlen geschätzt und zugleich der Meldeverzug berücksichtigt wird. Die Zahlen sind dem täglichen Lagebericht zu entnehmen.

Die folgende Grafik zeigt die Neuinfizierten nach Meldedatum:

Zudem wurde klar, mit wie großer statistischer Unsicherheit gerade die Angabe der von der Öffentlichkeit eingeforderten, aktuellen R-Werte behaftet ist – und zwar über das vom RKI angegebene Konfidenzintervall hinaus, innerhalb dessen R mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit liegt. So zeigte sich in der Pressekonferenz am Dienstag, dass die Infektionsrate Ende April nicht (wie damals unter großem Aufsehen diskutiert) über 1 lag, sondern deutlich darunter. Der Wert konnte schlicht nicht gut geschätzt werden. „Wichtig ist doch, dass R dauerhaft unter 1 liegt“, sagte an der Heiden.

Letztlich ist R nur eine Teilinformation der jetzt veröffentlichten neuen Corona-Daten mit Erkrankungsdatum. Sie geben ein besseres Bild von der tatsächlichen Ausbreitung der Pandemie als es bisher aufgrund der reinen Meldezahlen möglich war. Die Grundaussage indes bleibt: die Fallzahlen gehen zurück.