Reiche unter sich: König Charles III., Rishi Sunak und dessen Ehefrau Akshata Murty Foto: imago/Pool

In No 10 Downing Street bereitet man sich auf Rishi Sunaks Ankunft vor. Wer aber ist der 42-Jährige, den seine Wähler früher den „Maharadscha aus den Yorkshire Dales“ nannten?

Er ist nicht das, was man ein Urgestein der britischen Politik nennen würde. Nicht einmal acht Jahre hat Rishi Sunak dem Unterhaus angehört. Und im Sommer vor drei Jahren war er im Ministerium für Kommunales gerade mal Unterstaatssekretär. Erst als Boris Johnson damals Premierminister wurde, wechselte Sunak als „Chief Secretary“ auf die zweite Position der Schatzkanzlei, des Finanzministeriums.

Schon sieben Monate später, im Februar 2020, war er selbst Schatzkanzler. Das war just zu der Zeit, als Covid sich Großbritanniens bemächtigte – wenige Wochen vor dem ersten Lockdown. Die Pandemie war es denn auch, die Sunak schnell ins Scheinwerferlicht rückte. Wobei er sich zunächst in einer gänzlich unerwarteten Rolle fand: Ausgerechnet der selbsterklärte Austeritätsapostel und Thatcher-Fan, ein Repräsentant des rechten Parteiflügels, sah sich gezwungen, Geld regnen zu lassen, um Millionen Jobs und zahllose Betriebe vorm Untergang zu retten. Er werde „alles tun, was erforderlich ist“, gelobte er.

Damit machte Sunak sich äußerst beliebt in der Bevölkerung. Sein kühles Handeln, sein Selbstvertrauen und sein strahlendes Lächeln trugen ihm zusätzliche Sympathien ein. Als er sich zum Ende des ersten Lockdown dann noch spezielle Regierungszuschüsse für Restaurantbesuche ausdachte und für die Fotografen in einer Wagamama-Filiale als Ober „Rishi“ die Gäste bediente, trug ihm das den Spitznamen „Dishy Rishi“ – ein Rishi zum Anbeißen – ein.

Er besuchte eine teure Privatschule

Zu diesem Zeitpunkt rückte Sunak zum Star der Regierung auf. Was bei Boris Johnson durchaus gemischte Gefühle auslöste. Immerhin hatte Boris Rishi in die Schatzkanzlei geholt, weil er ihn für einen Loyalisten hielt, der sich nebenan in No 11 Downing Street um die Buchhaltung kümmern sollte – für einen jungen Erfüllungsgehilfen also.

Als den idealen Finanzexperten hatte Johnson Sunak eingestuft, weil dieser sich vor seiner Ankunft im Parlament erfolgreich als Investmentbanker betätigt und mehrere Hedgefonds mitbegründet hatte. Der Sohn eines Arztes und einer Apothekerin aus dem Punjab war im südenglischen Southampton aufgewachsen, wo er seiner Mutter tatsächlich eine Weile die Bücher führte. Seine Eltern schickten ihn nach Winchester College, auf die älteste Privatschule Englands (der er kürzlich erst einen Spendenscheck in Höhe von 100 000 Pfund überreichte). Er war dort der erste Schulsprecher indischer Herkunft. Und er schloss sein Philosophie-, Politik- und Wirtschaftsstudium an der Elite-Uni Oxford mit Topnoten ab.

Als er 2014 für die Konservativen ins Unterhaus einzog, machte er sich bald schon als überzeugter Brexiteer einen Namen. „Freier“ und „wohlhabender“ könnten seine Landsleute außerhalb der EU leben, glaubte er. Auch das ebnete ihm den Weg in die Regierung Johnson. Sunaks Popularität bei den Wählern währte freilich nicht allzu lange. Selbst als noch Covid-Alarm herrschte, wollte er schnellstmöglich wieder zu „business as usual“ zurückkehren. Die Hilfsmaßnahmen sollten im Herbst 2020 abrupt enden, obwohl die nächste Welle sich zu diesem Zeitpunkt bereits abzeichnete und man Impfstoff erst noch entwickelte. Man sei „großzügig genug“ gewesen mit Staatsgeldern, erklärte er damals ungeduldig. Jetzt müsse man schleunigst „die Finanzen wieder in den Griff bekommen“. Das machte selbst Boris Johnson nervös. Insider der Regierungszentrale berichteten, der Premier habe die Schatzkanzlei einmal „die Todesschwadron“ der Regierung genannt.

Sunak strich Corona-Hilfsmaßnahmen für die Ärmsten, blockierte generelle Kinderspeisung an Englands Schulen und wehrte sich später gegen die Finanzierung von Nachholunterricht. „Der Mann ist hässlicher, als er aussieht“, entfuhr es Paul Goodman, einem konservativen Kritiker, einmal. Der linksliberale „Guardian“ fand, Sunak habe den Leuten statt Schutz nichts als „Cocktailschirmchen“ serviert. Sunaks Ansehen sank rapide. Diese Gefühle verstärkten sich, als der Schatzkanzler in seiner letzten Haushaltserklärung im März trotz der bereits spürbaren Mega-Inflation, die Mittellosen im Land schlicht ignorierte. Selbst der regierungsfreundliche „Daily Express“ konnte die Empörung nicht verbergen: „Die vergessenen Millionen fragen: und was ist mit uns?“ Richtig zum Kippen kam die Stimmung im April, als bekannt wurde, dass Sunaks Ehefrau, eine indische Milliardenerbin, sich gewisser Sonderstatusregelungen aus alten Kolonialzeiten bediente, um dem britischen Steueramt Jahr auf Jahr Millionen Pfund an Einnahmen aus verschiedenen Großkonzernen vorzuenthalten. Mit einem Mal fanden sich die superreichen Sunaks, mit all ihren Villen und Landgütern, ihren 400 000-Pfund-Pools, ihren Tennisplätzen und Luxuslimousinen, in einem ganz anderen Licht.

Er wandte sich offen gegen Johnson

Ob denn Rishi Sunak nicht einfach zu reich sei, um als Regierungschef eine zusehends verarmende Bevölkerung zu immer neuen Einschränkungen zu bewegen, haben sich auch in der eigenen Partei seine Kritiker gefragt. Immerhin wird er, wenn er in No 10 einzieht, der erste Premierminister der Geschichte sein, der über mehr privaten Reichtum verfügt als der britische Monarch.

Zornige Reaktionen handelte sich Sunak unter Tory-Aktivisten ein, als er Anfang Juli mit seinem Rücktritt das Ende der Ära Johnson einläutete. Dafür haben ihm viele Torys in den Ortsvereinen nicht vergeben können. Sie denken bis heute, dass Sunak Johnson „verriet“. Dass bei dieser Abneigung auch eine Spur Rassismus eine Rolle gespielt haben könnte, wird von allen Seiten natürlich energisch bestritten. Dabei nannten schon seine Wähler in Nordengland zu Beginn seiner Abgeordnetenzeit Sunak spaßeshalber ihren „Maharadscha aus den Yorkshire Dales“. In der Tat gab es bisher noch nie einen britischen Premier, der aus einer ethnischen Minderheit kam – oder gar Hindu gewesen wäre. Für Bürger, die sich gesellschaftlichen Wandel erhoffen, ist ein Premierminister Sunak so zumindest in dieser Hinsicht ein Fortschritt.

Gänzlich neue Autorität unter den Tory-Abgeordneten verschaffte sich Sunak im Sommer, als er vor den brachialen finanzpolitischen Plänen von Liz Truss warnte – und recht behielt. Viele Torys sehen in Rishi Sunak nach den vielen Turbulenzen einen erfreulich orthodoxen „Operator“, der ihre Partei und ihr Land möglichst schnell wieder in ruhigere Fahrwasser steuern soll.

Ein reiches Ehepaar

Vermögen
 Als Hedgefonds-Manager dürfte Rishi Sunak bereits Millionär geworden sein. Im August 2009 heiratete er Akshata Murty (42), Tochter eines indischen Milliardärs. Die „Times“ schätzt das Vermögen der beiden auf 730 Millionen Pfund (etwa 840 Millionen Euro).

Familie
 Das Ehepaar hat zwei Töchter: Anoushka und Krishna.