Das Gebäude der neuen Wache wächst in die Höhe – vollständig finanziert ist sie nach wie vor nicht. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Das DRK baut in Bad Cannstatt eine dringend benötigte neue Rettungswache. Doch das Land bezahlt nicht alles. Die Retter starten deshalb eine beispiellose Spendenkampagne.

Beobachter könnten geradezu ins Staunen geraten. Erst im Januar ist der Spatenstich für die neue Rettungswache in Stuttgart-Bad Cannstatt erfolgt. Jetzt, nur gut fünf Monate später, nimmt das Gebäude in der Martha-Schmidtmann-Straße bereits konkrete Formen an. Schon in einem Jahr soll der 500 Quadratmeter große Funktionsbau auf einem ehemaligen Parkplatz des Klinikums fertig sein.

„Die Bauarbeiten für die neue Rettungswache in Bad Cannstatt laufen gut. Wir befinden uns aktuell mit allen Maßnahmen im Bauzeitenplan. Der Rohbau samt Stahlbetondecke steht, teilweise wurden schon Leerrohre und Kabel erstellt, der Stahlbau der Fahrzeughalle wurde errichtet und auf dem Flachdach eine erste Abdichtung aufgebracht“, sagt eine Sprecherin des Bauherrn. Dabei handelt es sich um das Deutsche Rote Kreuz (DRK) in Stuttgart, das die Wache künftig auch betreiben und damit hauptsächlich Bad Cannstatt sowie die Neckarvororte versorgen wird. Seit 2019, als die alte Wache am Bellingweg weggefallen ist, gibt es in diesem riesigen Bereich keine eigene Rettungswache mehr.

Lücke von 850 000 Euro

Die Notfallrettung erfolgt im Auftrag des Landes Baden-Württemberg. Deshalb stellt das Land auch die Finanzmittel für Neubauten – allerdings nie die komplette Summe. Darüber ist es in der Vergangenheit landesweit schon mehrfach zu Rechtsstreitigkeiten mit den Rettungsorganisationen gekommen, die regelmäßig einen Teil der Kosten aus Eigenmitteln stemmen müssen. Das gilt auch für Bad Cannstatt. Trotz kleinerer Abstriche liegen die Kosten bei gut drei Millionen Euro. Der Zuschuss des Landes ist aber bei 2,22 Millionen Euro gedeckelt – alles, was darüber hinausgeht, muss das DRK aus Spenden aufbringen. Die Finanzierungslücke liegt bei rund 850 000 Euro.

Das trifft die Retter hart, zumal der Stuttgarter Kreisverband ohnehin sparen muss. Und man wundert sich darüber, was beim Land alles nicht als förderungsfähig angesehen wird. Dazu gehört zum Beispiel die baurechtlich vorgeschriebene Barrierefreiheit. Wer eine Rettungswache behindertengerecht ausbauen will, muss die Mehrkosten selbst bezahlen.

Der Rohbau auf einem ehemaligen Parkplatz steht bereits. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Und so haben in den vergangenen Wochen etwa 30 000 Firmen, Stiftungen, Fördermitglieder und sonstige Menschen in Stuttgart und Umgebung Post vom DRK im Namen von Steffen Schreiner, dem künftigen Leiter der neuen Rettungswache, bekommen. Es geht darin um ihre Wichtigkeit für Stuttgart. „Einen Teil der Baukosten müssen wir selbst stemmen“, schreibt Schreiner und bittet um Unterstützung.

„Die Botschaft ist bei den Menschen angekommen und es gibt Unterstützung, aber es reicht noch nicht“, sagt die DRK-Sprecherin. Wie hoch die bisherige Spendensumme ist, will man nicht sagen. Man hat sich aber entschlossen, zusätzlich zu einem Instrument zu greifen, das der Kreisverband zuvor noch nie genutzt hat: ein Crowdfunding-Projekt, also das Geldsammeln auf einer Internetplattform.

Barrierefreiheit als Sammelziel

Als Teilprojekt des Gesamtvorhabens hat man dafür die Barrierefreiheit ausgewählt. Die kostet 37 000 Euro. „Wir hoffen, dadurch 18 500 Euro an Spenden zu gewinnen und so die Hälfte der Kosten dafür bezahlen zu können“, sagt die Sprecherin. Momentan sei man dabei, 100 Fans für das Crowdfunding-Projekt zu gewinnen. „Erst, wenn 100 Menschen Fan werden und damit sagen, ja, das Projekt ist wichtig für die Stadtgesellschaft, können wir in die Sammelphase übergehen“ heißt es beim DRK.

Die Aktion läuft auf der Crowdfunding-Plattform der Volksbank Stuttgart „Viele schaffen mehr“. Die Bank unterstützt sie mit einem Startbonus von zehn Prozent der Finanzierungssumme und einem Co-Funding von 50 Prozent auf jede Einzelspende bis maximal 100 Euro. „Kommt die Summe nicht zusammen, werden alle Spenden zurückerstattet“, so die DRK-Sprecherin.

Beim DRK betont man, man sei „nicht glücklich darüber, dass hohe Spendensummen notwendig sind, um die staatliche Aufgabe des Rettungsdienstes erfüllen zu können“. Gleichzeitig sehe man die Situation „als Chance, den Menschen die Wichtigkeit von Lebensrettung deutlich zu machen – und dass das alles nicht kostenlos zu haben ist“. Man hoffe, so auch ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was der Rettungsdienst für die Stadt leistet und welche Bedeutung gut ausgebildete Notfallsanitäter für die Stadtgesellschaft haben.