Eric Gauthier, einer der Inhaber des Jigger & Spoon. Die Bar hat sich von allen Mitarbeitern getrennt. Foto: picture alliance / Bernd Weissbr/Bernd Weissbrod

In der Gastro gibt es keine Option auf Homeoffice. Die ersten Stuttgarter Betriebe kündigen teils den ganzen Mitarbeiterstab. Derweil herrscht trotz zugesicherter Soforthilfen große Unklarheit und Unsicherheit, wie und wann für sie auf Unterstützung gehofft werden darf.

Stuttgart - Wie wird Stuttgart nach der Corona-Pandemie aussehen? Schenkt man den schlimmsten Befürchtungen mancher Gastronomen Glauben, bleiben viele Restaurants und Kneipen, die zur Eindämmung des Coronavirus geschlossen wurden auch zu; sie sind dann pleitegegangen.

Um dieses Szenario zu verhindern, greifen manche Gastronomen zu drastischen Maßnahmen. So hat die Bar Jigger & Spoon, an der auch der Stuttgarter Ballett-Star Eric Gauthier beteiligt ist, alle Mitarbeiter gekündigt. „Wir mussten das unserem Personal schweren Herzens mitteilen“, sagt der Barkeeper Eric Bergmann, geschäftsführender Gesellschafter der Bar. Man habe das so sozialverträglich wie möglich durchgeführt – nicht fristlos, sodass sich die Mitarbeiter noch arbeitslos melden konnten. Eine Wiedereinstellung nach dem Shutdown sei ebenfalls eine Option – vorausgesetzt, die Angestellten hätten Interesse daran.

Auch die Systemgastronomie mit Filialen in Stuttgart wurde von der Corona-Krise bereits hart getroffen. Nach der Insolvenz des schon länger angezählten Italieners Vapiano hat am Montag auch die Steakhouse-Kette Maredo bekannt gegeben, nicht mehr zahlungsfähig zu sein. Und auch andere Gastronomiebetriebe versuchen, die Umsatz-Null mit Kurzarbeit und Kündigungen aufzufangen.

Alles vorerst bis zum 19. April geschlossen

Dabei machen sie auch auf den Rattenschwanz aufmerksam, den der Shutdown des öffentlichen Lebens mit sich zieht. Reinigungskräfte stehen ohne Geschäft da, Aushilfen werden nicht gebraucht, Lieferanten bricht der Absatz weg. Laut einer Regierungsverordnung gilt dieser Zustand, dass alle Kneipen, Clubs, Bars und Restaurants geschlossen bleiben müssen, vorerst bis zum 19. April.

Der Hotellerie- und Gaststättenverband Dehoga bestätigt immer mehr Entlassungen in der Gastronomie. Die Personalkosten stünden in den Betrieben ganz oben auf der Agenda. „Arbeitsrechtliche Themen sind stark nachgefragt“, sagt Daniel Ohl, Pressesprecher des Dehoga Baden-Württemberg. Leichtfertig trenne sich niemand von Mitarbeitern, aber die Verunsicherung sei groß: „Das Ausmaß ist nicht abzuschätzen.“

Ohl betont, dass der Dehoga alle notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie unterstütze. Gleichzeitig verurteile der Verband kreative Regelauslegungen, um Umsätze zu retten; als vor rund zwei Wochen noch galt, dass Restaurants noch unter bestimmten Voraussetzungen geöffnet haben durften, widmeten manche Wirte in Stuttgart ihre Raucherkneipen zu Speiselokalen um – erfolglos.

Das Lachen im Halse steckengeblieben

Kredite sind laut Dehoga angesichts der heiklen Lage für Gastronomen keine Option. „Wir brauchen schnelle unbürokratische Hilfen“, sagt Ohl. Er nennt den Bayern-Fond als Vorbild. Die ab Mittwoch abrufbaren Hilfen des Wirtschaftsministeriums in Baden-Württemberg, wonach Kleinunternehmer Soforthilfen bis zu 30.000 Euro beantragen können, kommentiert Ohl so: „Wir wollen uns an dem Prozess konstruktiv beteiligen.“ Eine Bewertung, ob die Höhe der Summen zusammen mit anderen Hilfen, etwa vom Bund, ausreichen werden, will der Dehoga aktuell nicht abgeben.

Einige Gastronomen stimmt das nur bedingt optimistisch. Nanno Smeets hat die Kneipe Immer Beer Herzen an der Hauptstätter Straße in der Innenstadt bereits vor zwei Wochen zugesperrt. Als er gelesen habe, dass der Shutdown des öffentlichen Lebens womöglich bis mindestens Mitte April andauern könnte, sei ihm das Lachen im Halse steckengeblieben.

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„Einige Wochen zu schließen, das können die meisten von uns finanziell überstehen“, sagt Smeets. Wenn aber von mehreren Monaten die Rede ist, gefährde das die Existenz. Außerdem teilt er mit vielen Kleingastronomen die Befürchtung, dass sich die Hilfen vor allem an größere Unternehmen in der Branche richten könnten: „Womöglich die bleiben kleine Betriebe wieder außen vor.“ Das elektronische Formular, das mehr Klarheit bringen könnte, ist erst ab Mittwochabend abrufbar.

Gutscheinehamstern wie in Hamburg?

Was man weiß: Für Unternehmen mit bis zu fünf Mitarbeitern sind die Soforthilfen bei 9000 Euro gedeckelt. Im Immer Beer Herzen stehen vor allem die Inhaber selbst hinterm Tresen, sie leisten sich nur eine Festangestellte. Mit was darf die Bar jetzt rechnen? „Wir haben keine Ahnung, was das jetzt für uns bedeutet“, sagt Smeets. Es bleibt also fraglich, ob alle Gastronomen gleichermaßen von den Hilfen profitieren.

Vielleicht sollte sich Stuttgart ein Beispiel an Hamburg nehmen. Die Gastronomen dort haben sich unter dem Hashtag #supportyourlokal zusammengeschlossen und versuchen sich an kreativen Ideen, um der Krise zu trotzen. Gutscheinehamstern und mehr Lieferdienste sind hier die Stichworte. Für alle Stuttgarter Gastronomen, so muss man wohl befürchten, dürfte das aber kaum ausreichen.