Andreas Scherle in einer seiner Schatzkammern im Gewölbekeller unter der Hohenheimer Straße. Hier sind 1400 verschiedene Weine gelagert Foto: Matthias Ring

Andreas Scherle bietet in seinem Hotel und Restaurant Zur Weinsteige bundesweit die vielseitigste Karte mit deutschen Rotweinen an. Unter den insgesamt 1400 Positionen sind 400 Lemberger, Spätburgunder & Co. – die meisten davon aus Württemberg.

Stuttgart - Am Treppenaufgang im Hotel Zur Weinsteige ist kaum noch Platz für Auszeichnungen: für das Haus, für das Restaurant, das zu den Top Ten in Stuttgart zählt, aber auch für den Weinkeller. Voriges Jahr vom Deutschen Weininstitut für die beste Weinkarte in einem Hotelrestaurant gewürdigt, ist nun der „Traubenadler Sommelier“ hinzugekommen, eine Auszeichnung, mit der der Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) und das Fachmagazin „Meiningers Sommelier“ die beste Rotweinkarte Deutschlands küren.

Für Andreas Scherle, der mit seinem Bruder und Küchenchef Jörg Scherle den Familienbetrieb an der Hohenheimer Straße führt, ist das eine offizielle Anerkennung einer jahrzehntelangen Überzeugungsarbeit. „In der gehobenen Gastronomie wird als Erstes immer noch nach französischen und italienischen Spitzenweinen gefragt“, sagt er. „Wenn ich mit einem 2012er Lemberger an den Tisch komme“, etwa der Schwaigerner Ruthe, einem Großen Gewächs des Grafen Neippberg, könne er in den Augen lesen: „Will der uns jetzt eine Kellerleiche andrehen?“ Wenn er aber einen 2012er Bordeaux präsentiere, dann leuchteten diese.

Von jeder Flasche wird vor dem Servieren probiert

Obwohl Scherle in seinem Gewölbekeller allein an die 500 verschiedene Rieslinge lagert, ist unter den insgesamt 1400 Positionen der rote Bereich immer noch groß genug für Platz eins. Bei den 400 deutschen Rotweinen sind selbstverständlich die Württemberger mit mehr als 200 Positionen vor der Fraktion aus Baden am stärksten vertreten. Von Vorteil für die Logistik ist, dass Scherle mit dem Weinhaus Stetter auch einen Weinhandel betreibt. So könne er das Sortiment schneller mit „frischen Weinen“ auffüllen.

Das größte Plus für Genießer aber sind die vielen gereiften Jahrgänge, die Scherle strategisch eingekauft hat und jahrelang bei 12 Grad im Keller bunkert. „Ich bin da extrem emotional, das tut mir schon weh“, sagt er auf die Frage, ob ihm nicht manchmal das Herz blutet, wenn er einen seiner besonderen Lieblinge ausschenkt. Denn selbst bei 15 000 Flaschen insgesamt handelt es sich eben irgendwann um ein Einzelstück. Damit er wirklich weiß, was er da ins Glas gibt, nimmt Scherle übrigens von jeder geöffneten Flasche einen kleinen Probeschluck.

Für manche Gäste sind mehrere Hundert Euro für eine Flasche kein Problem

Zwar gebe es Gäste, die – ohne mit der Wimper zu zucken – Flaschen für mehrere Hundert Euro das Stück bestellen, dies gerade im internationalen Bereich. Am meisten jedoch würden bei ihm Weine zwischen 50 und 100 Euro getrunken. Scherle schätzt aber, dass er mindestens 80 Prozent glasweise verkaufe. Zwanzig, dreißig Weine bringe er offen in Umlauf: vom einfachen Viertele ab sieben Euro bis zum Großen Gewächs, das als 0,1-l-Portion im zweistelligen Bereich liegen kann. Rotwein hin, Württemberg her: Der teuerste Offene, der derzeit auf der Karte steht und mittels Coravin-System ausgeschenkt wird – „das hält eine offene Flasche locker für ein halbes Jahr frisch“ –, ist dann allerdings ein trockener Riesling aus der Pfalz, ein Kirchenstück 2011 vom Weingut Reichsrat von Buhl für 19 Euro.