Die Kliniken sind längst selbst zu Notfällen geworden. Foto: Gottfried Stoppel

85 Prozent der baden-württembergischen Krankenhäuser erwarten für 2024 hohe Defizite – auch die Rems-Murr-Kliniken. Der Landrat und Aufsichtsratsvorsitzende Richard Sigel schlägt Alarm und sieht Bund und Land in der Pflicht.

Von der mit dem Neubau der Rems-Murr-Klinik in Winnenden vor Jahren noch anvisierten „schwarzen Null“ ist der Landkreis längst abgerückt. Als realistisch hat der Landrat Richard Sigel für den Betrieb der beiden kreiseigenen Krankenhäuser vielmehr ein jährliches Defizit von zehn Millionen Euro ausgegeben. Doch davon ist man trotz aller Bemühungen weiter denn je entfernt.

Es droht ein Defizit von mehr als 30 Millionen Euro

Die Zahlen sind dunkelrot: 23,5 Millionen Euro hat der Landkreis seinen zwei Kliniken als Träger allein im vergangenen Jahr zuschießen müssen, um deren operatives Ergebnis auszugleichen. Und im laufenden Geschäftsjahr droht noch mehr: Die Verantwortlichen gehen davon aus, dass der Betrag die 30-Millionen-Marke überschreiten wird.

Der Grund ist nach Ansicht des Landrats und Aufsichtsratsvorsitzenden allerdings nicht hausgemacht, sondern struktureller Art. Denn der Kreis steht mit seinem Dilemma nicht allein da. Einer Studie der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zufolge rechnen bundesweit 70 Prozent der Kliniken mit einem negativen Ergebnis für dieses Jahr. Landesweit sind es nach Angaben der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) sogar 85 Prozent.

Gesunkene Fallzahlen und hohe Inflation

Noch schlechter als den Rems-Murr-Kliniken geht es in der Region beispielsweise den Ostalb-Kliniken, die ein Defizit von mehr als 60 Millionen Euro für 2024 befürchten. Auch beim Klinikverbund Südwest oder dem Klinikum Stuttgart erwartet man ein größeres Minus. Als Ursachen für die schlechte wirtschaftliche Lage werden neben gesunkenen Fallzahlen die hohe Inflation in den beiden Jahren 2022 und 2023 verbunden mit drastischen Preissteigerungen und deutlich höheren Löhnen benannt.

Zwar ziele die angedachte Reform des Bundesgesundheitsministers erklärtermaßen darauf ab, unnötige Klinikschließungen zu vermeiden und flächendeckend eine qualitativ hochwertige Versorgung – auch in ländlichen Regionen – sicherzustellen. „Doch ohne Sofortmaßnahmen, die vor allem eine dringend notwendige Kompensation der Inflationslücke aus den vergangenen Jahren und eine solide Finanzierungsbasis vorsehen, kommt die Reform für viele Kliniken zu spät“, warnt der Landrat und fordert zum unverzüglichen Handeln auf. Sigel: „Ich erwarte, dass sich eine auskömmliche Klinikfinanzierung im Bundeshaushalt wiederfindet!“ Der Rems-Murr-Kreis und andere Kommunen übernähmen als Träger eine unverzichtbare Rolle in der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum, zahlten dafür aber einen hohen Preis. Nach Angaben des Landkreistages Baden-Württemberg haben kreiskommunale Klinikbetreiber zwischen 2018 und 2022 rund 1,6 Milliarden Euro Stützungsbeiträge an ihre Krankenhäuser überwiesen.

„Allein seit meinem Amtsantritt musste der Rems-Murr-Kreis fast 200 Millionen Euro an Klinikdefiziten ausgleichen“, sagt Sigel, „das ist eine enorme Summe, die letztlich von unseren Städten und Gemeinden über die Kreisumlage refinanziert werden muss.“ Man werde auch in diesem Jahr die notwendigen Mittel bereitstellen, um die „sehr gute Gesundheitsversorgung sicherzustellen“. Klar sei: „Auf Dauer ist das für uns als Landkreis weder zu stemmen noch zumutbar.“