Premiere im Rathaus: Der Rat der Religionen stellte sich vor. Foto: Lichtgut//Leif Piechowski

Erstmals haben sich in Stuttgart die im Rat der Religionen verbundenen Religionsgemeinschaften gemeinsam vorgestellt. Dabei ging es auch um die Rolle der Stadt. Sie scheint willens, deren Arbeit konkret zu unterstützen.

„Historisch“ sei der Abend gewesen, erklärt Christian Hermes, der katholische Stadtdekan, zufrieden: „So etwas gab es in Stuttgart noch nie!“ „So etwas“, das war der sogenannte Tag der Religionen im großen Sitzungssaal des Rathauses. Erstmals stellten sich dort am Donnerstagabend die im Stuttgarter Rat der Religionen zusammengeschlossenen 20 Religionsgemeinschaften gemeinsam der Öffentlichkeit vor – von A wie Ahmadiyya Muslim Jamaat bis R wie russisch-orthodoxe Kirche.

Susanne Jakubowski, Sprecherin des Rats und Vertreterin der Jüdischen Gemeinde, freute sich über diese Premiere und über den großen Zuspruch aus der Stuttgarter Bürgerschaft. Flankiert waren die voll besetzten Stuhlreihen von Infoständen der Religionsgemeinschaften, die bis auf zwei alle vertreten waren.

2015 wurde der Rat der Religionen in Stuttgart gegründet

„Ein symbolträchtiges Bild“, fand der Vertreter der Stadt, Ordnungsbürgermeister Clemens Maier, der nebenbei auch Religionsbeauftragter ist – mit Betonung auf nebenbei. Die Bezeichnung Religionsbeauftragter wurde unter dessen Vorgänger Martin Schairer geschaffen. Schairer stand bei der von den Stadtdekanen Søren Schwesig (evangelisch) und Christian Hermes (katholisch) vorangetriebenen Gründung des Rats der Religionen 2015 Pate. Es blieb allerdings bei dem Titel. Ein Etat oder Personalstellen waren damit nicht verbunden – bis heute. Keine befriedigende Situation, wie der Bürgermeister andeutete. „Die Unterstützung des Rats der Religionen durch die Stadt ist vergleichsweise überschaubar“, sagte Maier. „Angesichts dessen Bedeutung für die Stadtgesellschaft ist da noch Luft nach oben.“ Damit nahm er ein Anliegen der Vertreter der Religionsgemeinschaften vorweg. Denn ihre Bitte um Aufmerksamkeit ist mit konkreten Wünschen an Stadtverwaltung und Gemeinderat verbunden. „Wir wünschen uns eine feste Stelle im Rathaus, einen Ansprechpartner, der uns aktiv unterstützt“, sagte Sprecherin Jakubowski. Bekräftigt wurde dies von Verena Neuhausen, die Mitglied im Rat der Religionen ist, und den Abend moderierte: „Der Rat der Religionen hat selbst keinen Etat, auch kein Zuhause.“ Einige Religionsgemeinschaften hätten Schwierigkeiten, überhaupt einen Raum für ihre Treffen zu finden. Ein multireligiös nutzbarer Ort wäre wünschenswert: „Irgendwas mit Heizung!“ Stadtdekan Hermes betonte zugleich, man bitte die Stadt um Unterstützung, wolle als Rat der Religionen jedoch weiterhin selbstverantwortlich agieren können.

„Ein Sicherheitsprojekt ersten Ranges“

Die Bedeutung dieses Zusammenschlusses für die Stadtgesellschaft wurde vielfach herausgestellt. „Die Religionsgemeinschaften haben in Stuttgart etwas zu sagen und etwas zu geben“, betonte Bürgermeister Maier. 60 Prozent der Stuttgarterinnen und Stuttgarter – rund 350 000 Menschen – gehörten einer Religionsgemeinschaft an. Im Rat der Religionen würden die Gemeinsamkeiten betont: der Wunsch nach Frieden, die Betonung der Würde des Menschen, die Akzeptanz des anderen. Damit trage er zum Zusammenhalt in der Stadtgesellschaft bei.

So sieht das auch der Rat der Religionen selbst: Wahrheitsfragen und außenpolitische Konflikte blieben bei Zusammenkünften außen vor. Ziel sei es, nicht andere zu bekehren, sondern den Dialog untereinander und mit der Stadtgesellschaft zu führen. Ausdrücklich auch mit Menschen, die religiös ungebunden sind. Für Martin Schairer ist der Rat der Religionen überdies ein „Sicherheitsprojekt ersten Ranges“. Er ist überzeugt: „Wenn man sich kennt und miteinander spricht, bleibt es in der Stadtgesellschaft friedlich.“