Regula Venske wurde in den 90ern mit ungewöhnlichen Frauenkrimis erfolgreich. Foto: dpa/Daniel Reinhardt

Sie ist Trägerin des Deutschen Krimipreises. Regula Venske pocht auf Frauenrechte, aber in ihren Büchern bekommen nicht nur Männer auf den Hut. Nun feiert die Autorin, die dem PEN-Zentrum Deutschland vorsteht, ihren 65. Geburtstag.

Hamburg - Zu Beginn der Corona-Krise, sagt Regula Venske, habe sie noch gedacht, „wunderbar, dann nutze ich die Zeit zum verstärkten Schreiben“. Auch auf die Entschleunigung hat sich die Autorin von Kriminalromanen („Ein allzu leichter Tod“), Jugend- und Sachbüchern gefreut. Doch zu beidem sei es kaum gekommen. Denn obwohl ausgebremst in ihrem Alltag mit vielen Lese- und Vortragsreisen, habe sie im häuslichen Büro mehr denn je zu tun – vor allem als Präsidentin des PEN-Zentrums Deutschland. „Da ist teilweise mehr zu bedenken als vorher. Wir mussten unsere Jahrestagung in Tübingen absagen und uns mit völlig neuen Themen befassen“, erklärt Venske im Interview im Literaturhaus Hamburg. 

„Auf die Entschleunigung warte ich immer noch“, scherzt die Literaturwissenschaftlerin, die am Freitag, 12. Juni 2020, ihren 65. Geburtstag feiert. Dabei werden ihre Sorgen im Ehrenamt für die Schriftstellervereinigung, die sich für die Freiheit des Wortes und die Rechte von verfolgten Kollegen weltweit einsetzt, derzeit nur größer. „Wegen geschlossener Grenzen können Gäste unseres „Writers in Exile“-Programms, das von der Kulturstaatsministerin finanziert wird, nicht anreisen. So wartet etwa Angelina Polonskaya in Moskau, sie wollte im Mai zu uns kommen“, bedauert die PEN-Präsidentin. Aber auch Stipendiaten, die bereits in Deutschland lebten, seien betroffen, denn sie hätten nun wenig Kontakte. 

Kritische Weltsicht

Grundsätzlich bereite ihr der Einsatz für ihren Berufsstand viel Freude, sagt Venske. „An politischen Themen interessiert und engagiert war ich schon immer. Meine Generation ist ja die Generation nach der Studentenbewegung. Wir haben von unseren älteren Geschwistern eine kritische Weltsicht mitbekommen, sind aber weniger ideologisch“, meint die 1955 geborene Halbschwester des Kabarettisten Henning Venske (81). Ihr Talent, Geschichten zu erfinden, bewies sie schon mit vier Jahren. „Vielleicht wollte ich einige familiäre und religiöse Tabus verarbeiten, die ich als Kind wahrgenommen habe“, meint Venske. Geboren in Minden als Tochter eines sprachbegeisterten Altphilologen, wuchs die Protestantin im katholischen Münster (beides Nordrhein-Westfalen) auf.

Dennoch begann sie ganz bürgerlich ein Jurastudium, bevor sie sich in Hamburg auf Literarisches - Germanistik und Anglistik – verlegte. Und 1987 über Männerbilder in der zeitgenössischen deutschsprachigen Literatur promovierte. Als Reaktion auf all das Elend, dass in diesen Werken Frauen von Männern meist zugefügt wird, verfasste Venske ihr erstes Buch „Pursuit of Happiness oder die Verfolgung des Glücks“ (1993). Eine Liebeserklärung an die Liebe. Dafür fand sie lange keinen Verlag, weil manch ein Lektor darin die Traurigkeit vermisste.

Auch Frauen werden übergriffig

„Wenn ihr das Glück nicht haben wollt, kriegt ihr eben eine Leiche“, habe sie damals gedacht. So entstand quasi aus Trotz ihr erster Krimi„Schief gewickelt“ (1991). Zusammen mit „Kommt ein Mann die Treppe rauf“ (1993) und „Rent A Russian“ (1995) hatte Venske damit schnell Erfolg in einem Genre, das Doris Gercke oder auch Ingrid Noll gerade etabliert hatten. „Ich bin aber keine typische Vertreterin des Frauenkrimis“, betont die erklärte Feministin. „Denn ich habe nicht nur einfach alles umgedreht und weiblich besetzt, etwa mit einer zu viel Whisky trinkenden Ermittlerin.“ Sie stellt klar: „Ich habe den Hard-boiled-Männerkrimi und den Frauenkrimi auf die Schippe genommen. Speziell in den ersten drei Büchern kriegen alle ihr Fett ab.“

Zeitgeist-Klischees mit Wortwitz durcheinander zu wirbeln, habe ihr immer Spaß gemacht. Wie in ihrer Erzählung „Die alphabetische Autorin“ (1997). Denn auch ihre Sicht auf den Feminismus ist keineswegs einseitig. „Ich habe mich mit Männern oft besser verstanden als mit Frauen - weniger bevormundet und gemaßregelt gefühlt“, sagt die Literatin, die zweimal geheiratet hat und Mutter von zwei Söhnen ist. Und sie präzisiert: „MeToo ist wichtig - dass es diese Debatte gibt in der Gesellschaft. Aber auch Frauen können, auf andere Weise, sehr übergriffig sein.“ Gerade ältere Frauen habe sie allerdings schon seit ihrer Jugend bewundert.