Grün soll der Ökopark sein, energieautark und klimaneutral, kein Tropfen Regenwasser verloren gehen. Foto: Jürgen Bach

Wie aus 16 Hektar 48 werden könnten: Der visionäre Freiburger Architekt Wolfgang Frey stellt seine Pläne für den regionalen Gewerbeschwerpunkt in Korntal-Münchingen vor. Der Autobauer Porsche ist begeistert.

Da ist ohne Frage Großes geplant, der jüngste Auftritt kündet davon. Der Autobauer Porsche ist zwar nicht am ersten Stand des groß angelegten Infomarkts zum regionalen Gewerbeschwerpunkt (RGS) zu finden. Erst mal müssen die Besucher der Buddenberg-Halle im Stadtteil Münchingen an den Ständen der Stadt, des Gemeinderats, des Verbands Region Stuttgart und der Wirtschaftsförderung vorbei.

Dann aber präsentiert sich der Stuttgarter Sportwagenhersteller. Und viele Augen sind natürlich auf Porsche gerichtet. Der Autokonzern will beim Gewerbepark nördlich von Müllerheim eine große Rolle spielen, zumindest nach heutigem Stand – sofern der Gewerbepark tatsächlich kommt. Am Ende entscheidet der Gemeinderat. Wenn es aber nach dem Bürgermeister Joachim Wolf (parteilos) geht, könnte es auf dem ersten Bauabschnitt der insgesamt rund 16 Hektar großen Fläche im Jahr 2025 oder 2026 losgehen.

Das Projekt ist eines, das die schwäbische Kleinstadt mit dem Bindestrich in die Nähe bringt von weltweit beachteten Ideen von Industrie und Städtebau – und damit eine entsprechend große Aufmerksamkeit erfährt. Doch das Projekt mit einem Investitionsvolumen von mindestens eineinhalb bis zwei Milliarden Euro ist auch umstritten.

Aus dem Grund bringen sich beim Infomarkt neben Befürwortern auch Kritiker und Gegner vor den Hunderten von Besuchern in Position. Obwohl der Gewerbeschwerpunkt „ein Leuchtturmprojekt der Nachhaltigkeit in allen Dimensionen“ werden soll. Fünf an der Zahl – Mobilität, Ökologie, Energie, Vernetzung, soziale Einbindung –, auf deren Basis die Stadt einen „regionalen Gewerbeschwerpunkt mit Modellcharakter“ schaffen will.

Porsche: Zukunftweisendes Konzept

Das loben die Vertreter von Porsche in höchsten Tönen, zumal der Konzern Nachhaltigkeit als festen Bestandteil der Unternehmensstrategie betont und bis zum Jahr 2030 in der Bilanz CO2-neutral sein will. Porsche ist sehr interessiert, als Projektpartner und Nutzer einzusteigen. „Wir sind von dem Konzept sehr überzeugt, weil es zukunftweisend ist“, sagt Daniela Rathe, die die Abteilung Politik und Gesellschaft leitet. Man sei von der Radikalität beeindruckt, mit der Nachhaltigkeit realisiert werden soll. „Charmant“ nennt Rathe die Nachverdichtung, den Mix aus Wohnen, Arbeiten und Freizeit.

Der Autobauer kann sich im Gewerbepark auf den unterirdischen Flächen „hochwertige Funktionen für die Produktionsversorgung“ vorstellen: Bestimmte Teile könnten sortiert und zusammengebaut werden, ehe sie ins Werk Zuffenhausen gelangen. Aktuell erfolge das in umliegenden Kommunen. Zwischen dem Gewerbepark und Zuffenhausener Werk könnten dann aufgrund kürzerer Wege auch andere Fahrzeuge wie E-Lkw zum Einsatz kommen.

„Unser Herz hängt hier“

Außerdem prüft das Unternehmen nach eigenen Angaben derzeit, inwieweit die aktuell oberirdisch geplanten rund 50 000 Quadratmeter Büro- und Gewerbeflächen anteilig innerhalb des Netzwerkes frühzeitig belegt werden können, etwa von Tochtergesellschaften oder Partnerunternehmen. „Wir sind davon überzeugt, dass der Gewerbepark viele Unternehmen anziehen wird.“ Porsche jedenfalls sei in Baden-Württemberg, in der Region Stuttgart tief verwurzelt. „Unser Herz hängt hier“, sagt Daniela Rathe.

Zumindest ein Stück weit Heimat ist die Region Stuttgart, gerade Korntal-Münchingen, für Wolfgang Frey geworden. Der Freiburger ist Architekt und Visionär, er wirkt international. Im Strohgäu, wo er unzählige Male auch deshalb war, um die nötigen Privatgrundstücke zu sichern, will er in die Vollen gehen. Ein „weltweit einzigartiger Ökopark“ schwebt dem gefragten Architekten vor. Energieautark, klimaneutral, jeder Tropfen Regenwasser werde genutzt. Entscheidend sei, die Fläche so intensiv wie möglich zu bewirtschaften, „wenn wir schon auf dem Feld arbeiten“, sagt Frey mit Blick auf die Äcker, die womöglich verschwinden. Denn eines ist ihm immer bewusst: „Boden ist endlich.“ Er sagt aber auch: „Solange ich dabei bin, wird der Gewerbepark so aussehen wie geplant.“

Futuristisch anmutende Visionen

Futuristisch sehen seine Visionen konsequenterweise aus. Unterirdisch, eingegraben sollen Produktionshallen entstehen, zwischen ihnen Nebengebäude wie Parkhäuser und Technikräume. Darauf lassen sich oberirdisch mehrere Etagen setzen, die auf einem Deckel stehen. Der wiederum ist aus der Erde, die für den Bau der untersten Ebene abgetragen wurde. „Eine ökologisch aktive Schicht und damit wertvoller Boden“, betont Wolfgang Frey. In den oberirdischen Stockwerken sollen Büros, Kleingewerbe, Wohnungen, soziale Einrichtungen sein.

Wolfgang Frey und der Bürgermeister Wolf sind sich einig, dass auch die Menschen im angrenzenden Müllerheim einen Mehrwert haben sollen. „Wenn sie schon Freizeitfläche verlieren“, so Wolf. Der Ort und das neue Quartier sollen verbunden werden, Einrichtungen und Angebote sollen genutzt werden, auch den geplanten Anschluss an den Nahverkehr.

Flächen auch für Zukunftstechnologien nötig

Der Gewerbepark mit Freys Konzept ist auch für den Verband Region Stuttgart (VRS) und die regionale Wirtschaftsförderung von enormer Bedeutung. Unermüdlich werben sie dafür. Wegen des Stapel-Prinzips sind in Summe 45 bis 48 Hektar Fläche möglich, allein zwölf Hektar Produktionsfläche. „Müllerheim ist einer unserer wichtigsten Standorte“, sagt Walter Rogg, der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung. Denn bei Flächenbedarfen über 20 Hektar spiele die Region nicht mit. Der VRS-Chefplaner Thomas Kiwitt sagt, die Region sei industriegeprägt. „Wir brauchen große, gut erreichbare Plätze, wo es auch laut zugehen darf.“ Zugleich bräuchten die Zukunftstechnologien Flächen. Zukunftsinvestitionen, meint Kiwitt, die jetzt außerhalb der Region getätigt würden, seien später schwer zurückzuholen.

Von den Gewerbesteuern ganz zu schweigen. Der Bürgermeister Wolf verspricht sich durch den Gewerbepark Zuwächse im sechs- bis siebenstelligen Bereich. Derzeit nimmt Korntal-Münchingen 14 Millionen Euro im Schnitt über die Jahre ein. Es gehe um die „nachhaltige Sicherung der finanziellen Spielräume der Stadt“, sagt Wolf angesichts eines strukturellen Defizits von jährlich drei Millionen Euro. Der Schuldenberg wächst, die liquiden Mittel schrumpfen.

Unterstützung von der Bundespolitik

Rückenwind gibt es auch vom Ditzinger Bundestagsabgeordneten Macit Karaahmetoglu (SPD). „Die Umsetzung des Projekts hätte für die Region eine Signalwirkung“, findet er. Interesse habe die Bundespolitik, weil sich die Regierung zum Ziel gesetzt hat, jedes Jahr 400 000 neue Wohnungen zu bauen. Er werde sich für Zuschüsse einsetzen, wenn es mit dem Gewerbepark so weit sei.

Bis dahin wird in der Stadt noch intensiv diskutiert, im Gemeinderat, in der Bevölkerung. Viele Aspekte sind ungeklärt, etwa die verkehrliche Anbindung. Der Ökopark soll mit dem einmal verlegten B-10-Anschluss im Zuge des autobahnähnlichen Ausbaus verbunden werden. Das wird aber erst anno 2030 beendet sein. Provisorien müssen her.

Laute kritische Stimmen

Die kritischen Stimmen bleiben laut. Die örtlichen Naturschutzverbände und der Bauernverband Korntal und Münchingen haben bereits vor ihrer Demo die Initiative Kostbarer Strohgäuboden gegründet. Der Nabu-Vorsitzende Günter Zerweck sagt: „Es gibt kein nachhaltiges Gewerbegebiet, wenn man dafür so viel zerstört.“