Basteln in der Kita schult die Motorik, doch nicht jedes Kind findet einen Platz. Foto: dpa/Fabian Sommer

Nur wenige Väter und Mütter setzen den Rechtsanspruch ihres Kindes auf einen Kitaplatz gerichtlich durch. Hat das Verwaltungsgericht aber ein Urteil gefällt, muss es umgesetzt werden. Das zeigt ein Fall aus dem Landkreis Böblingen.

Das Defizit an Betreuungsplätzen für Kinder zwischen ein und sechs Jahren treibt Eltern zur Verzweiflung – und manchmal vor Gericht. Seit 1996 gilt der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Kinder zwischen drei und sechs Jahren, seit dem Jahr 2013 auch auf einen Krippenplatz für Ein- bis Dreijährige. Schickt die Kommune den Eltern eine Absage ins Haus, können die Familien beim Verwaltungsgericht Klage dagegen einreichen.

27 Verfahren in Stuttgart

In Stuttgart sind derzeit mehr als 3000 Kinder unversorgt. Die Zahl der Klagen ist allerdings verhältnismäßig klein. Als der Rechtsanspruch auf Krippenplätze eingeführt worden ist, verzeichnete das Jugendamt 75 Fälle, in denen Eltern den Anspruch für ihre Kleinkinder gerichtlich erstritten haben. Diese Zahl ist gesunken. „Bezogen auf das Stadtgebiet Stuttgart wurden im Jahr 2022 insgesamt 27 Verfahren anhängig gemacht. Zwölf davon sind noch offen“, teilt Richter Matthias Modrzejewski vom Stuttgarter Verwaltungsgericht mit.

Macht die Kommune nach einem ersten Verfahren trotzdem kein Angebot, obwohl sie vom Gericht dazu verpflichtet worden ist, können die Eltern erneut klagen. Dann kommt es zu einem sogenannten Vollstreckungsverfahren, an dessen Ende ein Zwangsgeld gegen die Beklagte stehen kann. „Gegen die Landeshauptstadt Stuttgart ist im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Kitaplatzes im Jahr 2022 kein Zwangsgeld angedroht oder festgesetzt worden“, so Richter Modrzejewski.

Kein Angebot vom Träger

„Wenn eine gerichtliche Entscheidung über die Verpflichtung zur Bereitstellung eines Betreuungsplatzes erfolgt ist, versucht die Zentrale Platzvergabe des Jugendamts im Zusammenwirken mit den Kita-Trägern eine Lösung zu finden, die den Bedürfnissen der Kinder und Eltern bestmöglich entspricht“, erläutert das Jugendamt.

Im Landkreis Böblingen kam ein solches Einvernehmen nicht zustande. Die 9. Kammer des Stuttgarter Verwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 14. September 2022 (9 K 4346/22) dem Landkreis ein Zwangsgeld in Höhe von 5000 Euro angedroht, wenn er einem dreijährigen Mädchen nicht innerhalb von zwei Wochen einen zumutbaren, bedarfsgerechten Betreuungsplatz stellt.

Der Landkreis war dazu und für die Dauer von sechs Monaten bereits im Juli verpflichtet worden. Weil er aber trotz Gerichtsentscheids kein Angebot gemacht habe, sei es zu einem Vollstreckungsverfahren gekommen.

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass sich der Landkreis nicht auf eine „Unmöglichkeit der Leistung aufgrund einer Kapazitätserschöpfung“ berufen könne. Den Jugendhilfeträger treffe die Pflicht, eine ausreichende Zahl von Betreuungsplätzen selbst zu schaffen oder durch geeignete Dritte bereitzustellen. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.

Was die Stadt sagt

An den Verwaltungsgerichten im Land sind laut Agenturberichten nur wenige Verfahren anhängig. Viele Eltern hoffen auf Entspannung, seit Staatssekretär Volker Schebesta (CDU) für das laufende Kita-Jahr größere Gruppen angekündigt hat. Auch in Stuttgart könnten dadurch weitere Plätze geschaffen werden. Bildungsbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) weist allerdings darauf hin, dass die vorgeschlagene Regelung, weil befristet bis Ende August 2023, keine nachhaltige Entlastung in Bezug auf fehlende Kitaplätze bringt. Zudem fordert sie: „Mehr Plätze müssen an verbesserte Rahmenbedingungen geknüpft werden. Es muss das Ziel sein, allen Kindern in Stuttgart einen Kita-Platz zu bieten, gerade auch denen, deren Eltern nicht in der Lage sind, ihre Forderungen zu artikulieren oder einzuklagen.“

Seit dem 1. August 2013 gilt der Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege bereits ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Gesetzlich verankert wurde der Anspruch im Achten Sozialgesetzbuch – SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz), § 24. Seit 1996 gilt in Deutschland der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für jedes Kind im Alter vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt. Ab 2026 wird der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in den Grundschulen schrittweise eingeführt.

Der Antrag und der Bescheid der Stadt sind die Voraussetzung dafür, um überhaupt den Klageweg beschreiten zu können. Die Vergabe der Plätze erfolgt bei der Stadt und bei den anderen Kitaträgern nach klar definierten Kriterien. Wenn kein Platz einklagbar ist, bleibt nur, auf Schadenersatz zu klagen.