Es könne nicht mehr von einer pandemischen Lage nationalen Ausmaßes gesprochen werden, meint der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle. Foto: dpa/Britta Pedersen

Immer vernehmlicher dringen die Abgeordneten des Deutschen Bundestags auf volle Mitsprache bei der Corona-Bekämpfung. Nun gibt es dafür konkrete Vorstöße.

Berlin - Die FDP wird am Donnerstag zwei Anträge in den deutschen Bundestag einbringen, die sich mit der Corona-Gesetzgebung befassen. Ein Antrag zielt darauf ab, die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite zu beenden.

Der Bundestag hatte am 25. März die Feststellung der epidemischen Lage beschlossen. Dies berechtigte das Bundesministerium für Gesundheit, durch Rechtsverordnungen ohne Einschaltung des Bundestags und ohne Zustimmung des Bundesrates weitreichende gesundheitspolitische Maßnahmen zu beschließen. Dazu gehörten unter anderem die Sicherstellung der Grundversorgung mit Arzneimitteln, Medizinprodukten und persönlichen Schutzausrüstungen, aber auch die Stärkung der personellen Ressourcen im Gesundheitswesen. Das Ministerium hat umfangreich von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Der zweite FDP-Antrag beabsichtigt, die Rechtsverordnung mit Aufhebung der epidemischen Lage außer Kraft treten zu lassen, allerdings unter Wahrung einer Übergangsfrist bis zum 30. September 2020.

FDP will Entscheidung „noch vor der Sommerpause“

Konstantin Kuhle, der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, sagte unserer Zeitung, wenn sich das Infektionsgeschehen immer weiter regionalisiere und ein Drittel der Intensivbetten in Deutschland frei sei, „kann nicht mehr von einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite gesprochen werden“. Deswegen müsse der Bundestag die Feststellung aus dem März „noch vor der Sommerpause“ aufheben. Es sei „Zeit für mehr Selbstbewusstsein des Bundestages gegenüber der Bundesregierung“. Der Parlamentarismus dürfe unter der Pandemie nicht leiden.

Der Antrag der Oppositionspartei wird mit Sicherheit durch die große Koalition abgelehnt werden. Dennoch gibt es auch im Regierungsbündnis Abgeordnete, die der FDP in Teilen inhaltlich zustimmen. Die FDP habe „Recht mit ihrer Kritik, dass der Bundestag zu wenig Mitsprache hat“, sagte Johannes Fechner, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag unserer Zeitung.

Es gibt keine Definition der Pandemie-Lage

Natürlich müsse im Pandemiefall schnell durch den Gesundheitsminister gehandelt werden. „Wir brauchen aber dringend ein nachträgliches Kontrollrecht des Bundestags, „damit die gewählten Volksvertreter letztendlich über die weitreichenden Maßnahmen entscheiden“, sagte Fechner. Dennoch hält Fechner eine sofortige Aufhebung der Pandemie-Lage für „jetzt noch zu früh“. Er kritisierte, dass das Infektionsschutzgesetz keine gesetzliche Definition enthalte, wann eine nationale Pandemie-Lage vorliege. Für die Bürger müsse es aber „nachvollziehbar sein, wann und nach welchen Maßstäben, die weitreichenden Einschränkungen durch die Corona-Bekämpfung wieder aufgehoben werden können“, sagte Fechner. Die Union sieht derzeit noch „keinen Anlass“ zur Aufhebung der Pandemie-Lage, sagte Thorsten Frei, der stellvertretende Fraktionschef, unserer Zeitung.