Im Mittelpunkt der Ermittlungen steht eine Kampfsportgruppe, die sich in der thüringischen NPD-Zentrale in Eisenach, dem „Flieder Volkshaus“ getroffen hat. Foto: dpa/Martin Wichmann TV

Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen 50 Beschuldigte wegen Mitgliedschaft in rechtsextremen kriminellen Vereinigungen. Spezialeinheiten und Polizisten durchsuchten Objekte in elf Bundesländern. Schwerpunkt ist Thüringen.

Das Foto zeigt acht kurz geschorene Kämpfer mit Quarzhandschuhen und Sporthosen vor einer Hauswand mit dem Schriftzug „Flieder Volkshaus“ in Eisenach. Das Gebäude ist die Zentrale der lokalen NPD, hier treffen sich aber auch freie Neonazigruppen zu Konzerten, zum Tanzen und zum Kämpfen. Die Männer der rechtsextremen Kampfsportgruppe, die sich hier inszenieren, nennen sich selbst „Knockout 51“. Mitglieder dieser Gruppe sollen auch an den gewalttätigen Coronaprotesten beispielsweise in Leipzig und Kassel teilgenommen haben, bei denen es zu heftigen Angriffen gegen Polizisten kam.

Eisenach als rechter Hotspot

Das Foto kursiert seit einigen Monaten im Internet. Noch länger warnen Experten, zivilgesellschaftliche Initiativen und Politiker vor den immer weiter wachsenden gewaltbereiten Neonazistrukturen in der thüringischen Kleinstadt. Eisenach gilt als Hotspot der Szene, die Zahl der rechten Gewalttaten ist hier überdurchschnittlich hoch.

Seit Mittwoch nun steht die Kampfsportgruppe nun erst einmal juristisch mit dem Rücken zur Wand: Der Generalbundesanwalt hat mit Durchsuchungen in elf Bundesländern zum Schlag gegen die deutsche Neonaziszene ausgeholt. Alle maßgeblichen Sicherheitsbehörden, darunter das Bundeskriminalamt, der Militärische Abschirmdienst, die Antiterroreinheit GSG9 sowie die Landespolizeien waren an den Ermittlungen beteiligt. 800 Polizisten durchsuchten etliche Gebäude und Wohnungen, derzeit gibt es 50 Beschuldigte, gegen die ermittelt wird. Darunter soll auch ein Unteroffizier der Bundeswehr sein. Auch in Baden-Württemberg wurden Objekte durchsucht. Vier Männer wurden festgenommen – sie alle sollen Führungsmitglieder von „Knockout 51“ sein. Drei von ihnen wurden in Eisenach, ein vierter bei Fulda verhaftet.

Die Gruppe gehört zu einem Netzwerk gewaltbereiter Gruppierungen, die schon seit Jahren auf dem Radar der Behörden sind: Konkret richten sich die seit 2019 laufenden Ermittlungen gegen mutmaßliche Mitglieder der „Atomwaffen Division Deutschland“ (AWDD) – einem Ableger einer US-Neonazitruppe – sowie der seit 2020 verbotenen Vereinigung „Combat 18“ und der Chatgruppe „Sonderkommando 1418“, wie die Bundesanwaltschaft mitteilte.

Ermittelt wird seit Jahren

Den vier Männern wird Mitgliedschaft in einer rechtsextremistischen kriminellen Vereinigung vorgeworfen, außerdem wird wegen Körperverletzungsdelikten und Angriff auf Vollstreckungsbeamte ermittelt. Einer der Hauptverdächtigen ist der Eisenacher Leon R., mutmaßlicher Gründer und Rädelsführer der Thüringer Kampfsportgruppe. Laut Bundesanwaltschaft war er bei 2019 eingeleiteten Ermittlungen gegen die „Atomwaffen Division Deutschland“ und das „Sonderkommando 1418“ in den Blick geraten. Durch seine Kontakte seien die Ermittler wiederum darauf gestoßen, dass das Verbot von „Combat 18“ unterlaufen werde. In diesem Zusammenhang werde mittlerweile gegen 21 Beschuldigte in ganz Deutschland ermittelt.

Schlaglicht auf rechtsextremes Netzwerk

Auch die drei weiteren Festgenommenen werden von den Behörden als Führungskader der Kampfsportgruppe gesehen. Dort würden „unter dem Deckmantel des gemeinsamen körperlichen Trainings junge, nationalistisch gesinnte Männer“ angelockt, bewusst mit rechtsextremem Gedankengut indoktriniert und für Straßenkämpfe ausgebildet, so die Bundesanwaltschaft. Spätestens seit zwei Jahren sei es das Ziel der Gruppe, Straftaten zu begehen – dazu gehörten vor allem Körperverletzungsdelikte, in erster Linie gegen Angehörige aus dem linken Spektrum, aber auch gegen Polizisten und andere Personen, die nicht ins Weltbild der Gruppe passten. In Eisenach versuchten Mitglieder der Gruppe, einen „Nazi-Kiez“ zu schaffen, und sich als Ordnungsmacht zu etablieren – dazu gehörten seit einem Jahr auch so genannte „Kiezstreifen“, in deren Rahmen andere Personen angegriffen und schwer verletzt worden seien.

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Die Deutsche AWD ist den Ermittlungen zufolge bisher vor allem im Netz und mit Flugblattaktionen in Erscheinung getreten um ihre rassistischen, antisemitischen und gewaltverherrlichenden Positionen zu vertreten. Ziel ist es, den Staat durch Anschläge und Politikermorde zu destabilisieren und die Demokratie abzuschaffen. Wie bedeutend diese Gruppe wirklich ist, werden die Ermittlungen zeigen. Die Durchsuchungen und Festnahmen sind aber der größte Schlag gegen die Szene seit einigen Jahren – und dieser wirft ein Schlaglicht auf die wachsenden Netzwerke, die auch in die rechtsextreme Kampfsport- und Musikszene reichen soll. Das Netzwerk aus Eisenach reicht bis nach Nordrhein-Westfahlen und Baden-Württemberg.