Rainer Lindner Foto: Berlin-Institut/privat

Rainer Lindner könnte über Putin, Merkel und die Ukraine reden. Aber der Mann aus Gerlingen hält sich auch jetzt zurück. Statt dessen lässt er lieber Taten sprechen.

Hat er zum Thema gefunden oder doch eher das Thema ihn? Vermutlich beides. Rainer Lindner, der Politologe, Unternehmer, Gerlinger war bisher nicht in der Öffentlichkeit präsent. Er muss nicht erzählen, dass es Fotos von ihm als früheren Geschäftsführer des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft gibt, die ihn an einem Tisch zeigen mit der damaligen Kanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin. Er lässt lieber Taten sprechen. Auch – oder gerade – in Gerlingen, jenem Ort, in dem er lebt und den er schätzt, weil die Stadtgesellschaft doch noch wie eine große Familie ist.

Einer der seltenen öffentlichen Auftritte

So kam es, dass Rainer Lindner bei der Gerlinger Friedensdemo vor wenigen Wochen auf dem Podium stand und sich an die Gerlinger wandte, zudem – in Russisch und Ukrainisch – auch an die Ukrainer. „Dieser Krieg muss enden, sofort“, sagt der Vorstandsvorsitzende des Deutsch-Ukrainischen Forums. Der Fellbacher Unternehmer und an der Uni Konstanz lehrende Politologe erzählte von einer ukrainischen Familie mit drei Kindern, die sich gefragt hatte, ob sie bleiben oder gehen sollte. „Wir dürfen es nicht zulassen, dass Familien vor dieser Frage stehen“, sagt Lindner. Er sprach ruhig und appellierte, ohne es zu formulieren, daran, sich die Werte von Demokratie und Humanität in Erinnerung zu rufen. Er bat um Spenden und wandte sich an die Menschen auf dem Platz.

„Mit Ausbruch des Krieges war mir schnell klar, dass uns das in Deutschland alle angeht. In einer solchen Situation, angesichts des brutalen russischen Überfalls auf die Ukraine, wollte ich klar Stellung beziehen“ sagt Lindner und begründet so einen der seltenen öffentlichen Auftritte. Er habe auf die Situation zweier ihm bekannter ukrainischer Familien hinweisen wollen, die in diesen Stunden auf der Flucht waren, irgendwo, auf sich gestellt. Wenige Tage später sollten sie die ersten sein, die in Gerlingen ankamen und einen Platz fanden bei Lindner, der Politik studiert hatte – und früher weder Osteuropa im Blick hatte noch Politik und Wirtschaft. Lindner ist Jahrgang 1966, sein Studium in Tübingen brachte den Mann fachlich zu Osteuropa, heute ist er Professor. Lindner war in den 1980er-Jahren vom damaligen sowjetischen Staatschef Michael Gorbatschow und der von ihm angestoßenen Zeitenwende fasziniert. Die Berliner Mauer fiel, die Deutsche Wiedervereinigung wurde Wirklichkeit. „Die Transformation im östlichen Europa hat mich nicht mehr losgelassen. Sie wurde zu einem Leitmotiv meiner beruflichen Laufbahn.“ Später folgte eine Einladung Stiftung Wissenschaft und Politik, welche Regierung und Bundestag in Außen- und Sicherheitspolitik berät.

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„Es war nicht geplant, in die Außenpolitik-Beratung für die Bundesregierung zu gehen“, sagt Lindner, der heute zudem dem Deutsch-Ukrainischen Forum vorsitzt, das sich der Förderung der deutsch-ukrainischen Beziehungen zur Aufgabe gemacht hat. Sein Antrieb sei die „Hoffnung auf Verständigung zwischen der postsowjetischen Welt und Deutschland“ gewesen. Später darüber ernüchtert, dass die Regierung „zu wenig auf die Stimmen gehört hat“, die auf das Konfliktpotenzial in der Region hingewiesen hatten, wandte er sich der Wirtschaft zu, einem Feld, „auf dem man für die praktische Zusammenarbeit eintreten konnte“. Er ging zum Zulieferer Schaeffler, „Ich habe es als Privileg empfunden, aus der Geschichte, der Wirtschaft und der Außenpolitik auf Russland, die Ukraine oder Zentralasien zu schauen und mit Hilfe meines Netzwerkes Geschäfte anzubahnen.“ Heute ist er bei Heine + Beisswenger, dem Stahl- und Metallgroßhandelsunternehmen in Fellbach und Chef von 600 Mitarbeitern. Ihn reizte die Gesamtverantwortung.

Ein Lachen sagt alles aus

Mit dem Russland von heute werden deutsche Politik und Wirtschaft „nicht mehr zu business as usual zurückkehren“, ist Lindner überzeugt. Zugleich hat er Freude daran zu beobachten, wie bei den ukrainischen Kindern zuhause „das Lachen zurückkehrt“.

Weitere Spenden sind möglich

Gerlingen
Der Lauftreff der KSG Gerlingen hatte zu einem virtuellen Stafettenlauf nach Kiew und zurück eingeladen. Mehr als hundert Bürger liefen mehr als 4000 Kilometer. Die Spendenübergabe an Rainer Lindner erfolgte beim Solitudelauf.

Landkreis Böblingen
Das Landratsamt in Böblingen betreibt ein zentrales Spendenkonto. An diesem Mittwoch werden zudem von 7 bis 16.30 Uhr Sachspenden – von Isomatten bis Erste-Hilfe-Sets – auf dem Bauhof in Merklingen angenommen. fk