Ein Leben in der traumhaft schönen Markthalle: Dagmar Ragoßnig Foto: /Weier

Wer durch die Innenstadt läuft, könnte leicht Depressionen bekommen, derart unbelebt ist die Stadt. Gleiches gilt für die Markthalle. Ansonsten fast immer überfüllt, tummeln sich nun weit weniger Menschen in dem Gourmettempel. Aber die kaufen dafür mehr, sagt Dagmar Ragoßnig im Gespräch.

Stuttgart - In normalen Zeiten drängen sich hier die Massen. Touristen. Flaneure. Oder Genussmenschen, die das Flair dieses Ortes aufsaugen. An diesem Tag ist die Markthalle, dieses architektonische wie kulinarische Juwel, ziemlich leer. Dagmar Ragoßnig vom gleichnamigen Feinkoststand sieht die Situation dennoch positiv.

Frau Ragoßnig, Abstand halten fällt trotz der engen Gänge derzeit in der Markthalle nicht sehr schwer?

Ja, tatsächlich ist es so leer wie selten. Abstand halten kann man sicher genauso gut wie in jedem Supermarkt, und die Leute achten auch sehr darauf. Verglichen mit dem Wochenmarkt oder dem Supermarkt, ist das hier überhaupt kein Problem. Und samstags ist die Security da, die nur eine bestimmte Anzahl an Kunden rein lässt.

Die Innenstadt ist aber ziemlich leer, läuft das Geschäft also schlecht?

Nicht so gut wie vor Corona, klar. Aber es läuft. Ich bin schon froh, dass wir überhaupt schaffen dürfen. Dafür müssen wir dankbar sein. Es kommen zwar weniger Kunden, aber die, die kommen, kaufen deutlich mehr ein.

Warum?

Weil sie selbst kochen müssen, und weil sie nicht in verschiedene Läden wollen und alles aus der Markthalle mitnehmen.

Obwohl ansonsten in der Innenstadt so wenig los ist?

Wer hier seit Jahren einkauft, kommt auch jetzt in die Stadt. Zumindest die, die ein Auto haben, kommen gerne. Mit den Öffentlichen fahren unsere Kunden nicht so gerne, aber wer ein Auto hat, kommt. Und der Vorteil ist, sie kriegen jetzt auch problemlos einen Parkplatz.

Hat sich das Einkaufsverhalten der Kunden verändert, die kommen? Kommen etwa mehr mit Rezeptzetteln in der Hand?

Die Kunden kaufen bewusster, richten sich saisonal und regional aus, nach den Jahreszeiten. Aber da gibt’s momentan eben nicht so viel Regionales. Aber sie lassen sich auch inspirieren, schauen, was es so alles im Angebot gibt. Denn wenn man sieben Tage die Woche kochen muss, ist es umso schöner, wenn man am Stand inspiriert wird.

Und die Kunden freuen sich über die Beratung? Das hier war bisher der einzige Stand in meinem Leben, an dem ich eine Mango kaufen wollte und die Verkäuferin fragte: Und wann essen sie die? Heute oder morgen?

Ja, darauf legen wir natürlich viel Wert. Und das ist vermutlich auch der Grund, warum die Kunden zu uns kommen. Auch wenn es in der Innenstadt so ruhig ist, sie freuen sich einfach, dass es uns noch gibt.