Erneut folgten viele Bürger dem Protest der Initiative „Querdenken“ des Unternehmers Michael Ballweg. Foto: imago /Eibner//Sascha Walther

Der Protest gegen die Corona-Regeln reißt nicht ab: Erneut tragen in Stuttgart Tausende ihren Unmut auf die Straßen. Im Vorfeld hatte das Verwaltungsgericht eine Beschwerde der Veranstalter zurückgewiesen.

Stuttgart - Mehrere Tausend Menschen haben am Samstag in Stuttgart erneut gegen die Corona-Beschränkungen demonstriert - diesmal unter strikteren Auflagen. Zur Kundgebung auf dem Cannstatter Wasen waren diesmal nur 5000 statt 10 000 Teilnehmer zugelassen, weitere Demonstranten wurden deshalb von der Polizei auf eine Ausweichfläche verwiesen. Angaben zur Gesamtzahl wurden nicht gemacht. Versuche der Organisatoren, die von der Stadt Stuttgart verhängten Auflagen zu kippen, waren zuvor vor Gericht gescheitert.

Hinter dem Stuttgarter Protest steht die Initiative „Querdenken“ des Unternehmers Michael Ballweg. Nach der Demo am vergangenen Samstag hatte die Stadt diesmal schärfere Vorgaben für den Infektionsschutz gemacht und größere Abstände zwischen den einzelnen Teilnehmern sowie 500 Ordner mit Mund-Nasen-Schutz verlangt.

Bundesweit fanden am Samstag ähnliche Demos in ganz Deutschland statt. Kritiker befürchten eine Vereinnahmung durch Verschwörungstheoretiker und Rechtspopulisten.

Auf dem Wasen-Festgelände kommen am Samstag erneut Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen zusammen, vereint in der Wut auf die Obrigkeit und in der Ablehnung der Corona-Einschränkungen. Viele Deutschlandflaggen, aber auch Friedensflaggen sind in der Menge zu sehen. Vereinzelt sind Rufe wie „Volksverdummung“ und „Lügenpresse“ aus der Menge zu hören. „Corona ist Fake“ steht auf einem Plakat, „Gib Gates keine Chance“ auf zahlreichen weiteren. Viele tragen Plakate mit Grundgesetz-Artikeln vor sich her, einer protestiert mit seinem Shirt gegen den „Rundfunkzwangsbeitrag“. Kinder spielen mit Seifenblasen. Ein Redner auf der Bühne kritisiert, dass er eine Reichsflagge im Publikum entdeckt habe. Nur vereinzelt tragen Teilnehmer Mund-Nasen-Schutz, der ist aber auf dem Gelände auch nicht vorgeschrieben. Maskenpflicht sei moderne Sklaverei, ist auf einem Pappschild zu lesen.

Sie wolle Selbstbestimmtheit und sei gegen Impfzwang, sagt Dominique Wilsdorf. Die 43-jährige Beamtin ist mit einer Freundin extra aus Frankfurt hergefahren, zum zweiten Mal schon. Sie steht auf einer Picknickdecke und erklärt, warum sie hier ist. Sie wolle der Regierung keine böse Absicht unterstellen, aber man hätte die Beschränkungen schneller wieder lockern müssen, sagt sie. Man dürfe Menschen nicht in die rechte Ecke stellen, nur weil sie sich kritisch äußerten. „Ich sehe hier keine Hakenkreuze.“

Bill Gates im Fokus

Ahmet Aydin steht in der Menge und verkauft T-Shirts mit dem Slogan „Gib Gates keine Chance“. Der Handwerker aus Mannheim ist zum ersten Mal dabei. Er bezeichnet sich als objektiv und neutral. Er regt sich auf über eingeschränkte Grundrechte. Die Maßnahmen gegen das Virus seien völlig übertrieben. Jeder müsse selbst entscheiden, ob er sich impfen lasse und sich dem Risiko aussetze. Es gebe hier doch keine Leichenberge, sagt er wiederholt. Dass es in Italien so viele Tote gab, erklärt er sich mit 5G-Masten und Impfkampagnen. Vielleicht habe man die Menschen auch zu Tode behandelt, sagt er. Und Bill Gates? Der finanziere die Weltgesundheitsorganisation und profitiere von der Krise und Impfkampagnen, erzählt er.

Polizei und Veranstalter riefen immer wieder dazu auf, den Mindestabstand von 2,5 Metern einzuhalten. Initiator Ballweg kündigte bei der Kundgebung an, wegen der Beschränkungen der Versammlungsfreiheit erneut vor das Bundesverfassungsgericht ziehen zu wollen. Bundes- und Landesregierung müssten vom Verfassungsschutz beobachtet werden, forderte er.

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Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte am Samstag eine Beschwerde der Demo-Veranstalter gegen die Auflagen abgelehnt. Bei gravierenden Gefahren für Leib und Leben, für die der Staat eine Schutzpflicht habe, könne eine Begrenzung der Teilnehmerzahl rechtmäßig sein, entschieden die Richter. Bei der Versammlung vor einer Woche seien Abstandsregelungen nicht eingehalten worden. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte am Freitag genauso entschieden.

Nach Angaben der Polizei wurden bei einer Auseinandersetzung vor Beginn der Demo drei Menschen verletzt. Sie waren auf ihrem Weg zum Wasen von Unbekannten angegriffen und niedergeschlagen worden. Am Rande der Kundgebung wurden dann später Teilnehmer von einer Gruppe von 40 bis 50 mutmaßlich linken Gegendemonstranten mit Gegenständen beworfen. Dabei wurde niemand verletzt. In der Nacht zum Samstag hatten bereits Fahrzeuge einer Firma für Veranstaltungstechnik gebrannt, mit denen Ausrüstung für die Wasen-Demo hätte transportiert werden sollen. Die Polizei vermutet Brandstiftung.

Bei der Anreise der Demonstranten zum Wasen dokumentierte die Polizei zudem 25 Verstöße gegen die Maskenpflicht in der Straßenbahn.