Der Bullaugenblick ins Herz des Neubaus: auf die mehrfach abgeschirmten Hochpräzisionskuben Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

„Äußerlich ein Gebäude, inhaltlich eher eine Riesenmaschine“: Nicht nur Physiker zeigen sich vom Neubau des Zentrums für Angewandte Quantentechnologie auf dem Vaihinger Unicampus beeindruckt.

Stuttgart - „Äußerlich ein Gebäude – inhaltlich eher eine Riesenmaschine“: So hat Carmen Zinnecker-Busch, die Leiterin des Unibauamts, das Zentrum für Angewandte Quantentechnologie (ZA Quant) bezeichnet. Der 41,5 Millionen Euro teure Neubau auf dem Vaihinger Campus ist am Freitag der Uni Stuttgart übergeben worden.

Der von Hammeskrause Architekten BDA geplante Bau setzt in mehrfacher Hinsicht Maßstäbe. Denn für die Anforderungen der Spitzenforscher mussten neben Büros und Reinräumen, Laserlaboren, physikalischen, chemischen und biochemischen Laboren auch extrem abgeschirmte Messräume gebaut werden. Diese liegen im Untergeschoss und bilden das Herz der Anlage. Um eine nahezu vollständige Schwingungsisolierung zu erreichen, lagern diese zehn Meter hohen Laborkuben auf mehr als 150 Tonnen schweren Betonfundamenten, die millimetergenau auf pneumatisch gesteuerten Luftfedern stehen. Und um diesen völlig störungsfreien Raum zu schaffen, wurden die Gebäudeteile zwiebelartig darum gebaut und durch Baufugen abgetrennt.

„Wir versuchen, im Gehirn Magnetfelder nachzuweisen“

Diese starke Abschirmung ist bei Messwerten von weniger als einem Nanometer notwendig. Zum Vergleich: Ein Haar ist etwa 50 000 Nanometer dick. „Wir versuchen, im Gehirn Magnetfelder nachzuweisen“, erklärt Jörg Wrachtrup, der Leiter des 3. Physikalischen Instituts und Leibnizpreisträger, beim Rundgang. Es gehe um neue Möglichkeiten der Kommunikation mit Patienten, die sich nicht mehr mitteilen könnten, aber auch um diagnostische Verfahren.

Das ZA Quant bringt Forscher der Quantenphysik und Photonik mit Ingenieuren zusammen, die im Bereich der Quantentechnologie neue Anwendungen in der Messtechnik, der Kommunikationssicherheit oder bei hochkomplexen Berechnungen entwickeln. Davon versprechen sich nicht nur die Forscher große Erfolge. So sieht Finanzminister Danyal Bayaz in der Quantentechnologie auch eine Brücke von der angewandten Forschung zu den Unternehmen im Land und ein „enormes Innovationspotenzial gerade für unseren Mittelstand“. Auch Wissenschaftsstaatssekretärin Petra Olschowski verweist auf die Perspektive „marktfähiger Hightech-Produkte“ und zeigt sich „zuversichtlich, dass die Industriepartner den langen Atem dafür mitbringen“. Für Bosch sei das kein Neuland, sagt Unternehmenschef Volkmar Denner und Vorsitzender der Unifreunde. Man habe großes Interesse, die Erfolgsgeschichte bei Sensoren fortzusetzen. „Deshalb forschen wir auch an Quantensensoren.“ Es gehe auch darum, die Anamnese neurologischer Krankheiten zu revolutionieren. Er selber wolle nach seinem Ausscheiden bei Bosch wieder als Quantenphysiker aktiv werden.

Mit dem Neubau ließ sich der Leibnizpreisträger vom Bleiben überzeugen

Unirektor Wolfram Ressel verweist stolz auf die Ursache für den ZA-Quant-Neubau. Denn nur somit sei Jörg Wrachtrup davon zu überzeugen gewesen, seinem Ruf an die TU München nicht zu folgen. Der großzügigen Baufinanzierung ging allerdings eine Empfehlung des Wissenschaftsrats voran. 17,25 Millionen Euro zahlte der Bund, je 12,125 Millionen Land und Uni. Entstanden sei, so Wrachtrup, „ein ungewöhnlich transparentes Gebäude – wir glauben, dass Kommunikation in der Wissenschaft wichtig ist“. Beeindruckt zeigt sich auch OB Frank Nopper. Er nehme die Feier „zum Anlass, ernsthaft über die Beantragung des Prädikats Wissenschaftsstadt nachzudenken“.