Die Angaben der Mietspiegel geben auch Orientierung bei der Neuvermietung bestehender Wohnungen. Foto: picture alliance/dpa/Silas Stein

Mieter sollen in Zukunft besser vor Mieterhöhungen geschützt werden. Dazu will die große Koalition die örtlichen Mietspiegel stärken.

Berlin - Die Bundesregierung will die Aussagekraft von Mietspiegeln verbessern und so deren Akzeptanz bei Mietern und Vermietern erhöhen. Das SPD-geführte Justizministerium sowie das CSU-geführte Innenressort veröffentlichten dazu Ende der Woche einen Reformvorschlag. Die Koalition hofft, dass sich damit in Zukunft viele Konflikte um die Miethöhe vermeiden lassen. Mieter sollen besser gegen ungerechtfertigte Mieterhöhungen geschützt werden.

Mietspiegel beschreiben die ortsüblichen Vergleichsmieten, und zwar abhängig von Lage, Alter und Ausstattung der Wohnung. Sie geben etwa dann Orientierung, wenn ein Eigentümer den Mietzins anheben will – sei es innerhalb eines bestehenden Vertrages oder bei einer Neuvermietung in Gegenden, in denen die Mietpreisbremse gilt.

Gefahr des schwindenden Vertrauens

Die Reform nimmt vor allem die qualifizierten Mietspiegel in den Blick. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt werden sollen. Es handelt sich also um aufwendige Markterhebungen. Allerdings sind zuletzt einige qualifizierte Mietspiegel vor Gericht infrage gestellt worden. „Vor diesem Hintergrund besteht die Gefahr eines schwindenden Vertrauens in die Güte von qualifizierten Mietspiegeln sowie eines Verlustes an Rechtssicherheit“, heißt es nun im Referentenentwurf. Dem solle die Reform begegnen. „Dadurch soll zudem ein Anreiz geschaffen werden, dass qualifizierte Mietspiegel für möglichst viele Gemeinden erstellt werden.“

Die Erstellung eines neuen qualifizierten Mietspiegels kostet durchschnittlich 100 000 Euro. Vor allem große Städte greifen auf dieses Instrument zurück – darunter auch Stuttgart. Kleinere Kommunen begnügen sich in der Regel jedoch mit einfachen Mietspiegeln, die von Mieter- und Vermieterverbänden ohne formelles Verfahren aufgestellt und von der Gemeinde anerkannt werden.

Standards für Erstellung der Mietspiegel

Will ein Vermieter in Zukunft in einem bestehenden Vertrag die Miete erhöhen, muss er sich auf den qualifizierten Mietspiegel beziehen, sofern dieser vorliegt. Alternativ dazu kann er ein „mit Gründen versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen“ vorlegen. Anders als bisher soll es aber nicht mehr reichen, auf drei teurere Vergleichswohnungen zu verweisen.

Für die Erstellung von qualifizierten Mietspiegeln will die Regierung Standards formulieren, um diese rechtssicherer zu machen. Vermieter und Mieter sollen künftig zur Mitarbeit verpflichtet sein und Angaben zur Wohnung sowie zur Miethöhe machen, wenn sie dazu aufgefordert werden. Diese Regelung soll gewährleisten, dass für die Datenerhebung auch tatsächlich repräsentative Stichproben im Mietmarkt gezogen werden können. Zudem wird die Nutzung vorhandener Daten, etwa der Finanzämter oder Meldebehörden, erleichtert.

Kommt es zum Streit darüber, ob der qualifizierte Mietspiegel tatsächlich realistische Werte enthält, soll künftig diejenige Partei die Beweislast tragen, die das anzweifelt. Bislang muss die Partei, die sich auf den Mietspiegel beruft, den Beweis erbringen, dass dieser qualifiziert ist. Die Bindewirkung qualifizierter und einfacher Mietspiegel soll künftig drei Jahre betragen, dann müssen sie an die Marktentwicklung angepasst werden. Qualifizierte Mietspiegel sind nach spätestens fünf Jahren neu zu erstellen.

Haus & Grund zeigt sich skeptisch

Der Deutsche Mieterbund (DMB) begrüßte die Pläne der Regierung. Bislang hätten vor allem in nachgefragten Städten Vermieter mit hoher Renditeerwartung die geltenden Mietspiegel vor Gericht angegriffen. „Dieser unsäglichen Praxis muss endlich ein Ende gesetzt werden“, sagte DMB-Chef Lukas Siebenkotten. Er kritisierte zugleich, dass es weiterhin keine Pflicht zur Erstellung von Mietspiegeln in Städten mit mehr als 50 000 Einwohnern geben soll. In 36 der 200 größten deutschen Städte gebe es gar keine Mietspiegel. Die Mietpreisbremse, die die Neuvertragsmieten begrenzt, laufe dort ins Leere.

Der Eigentümerverband Haus & Grund äußerte sich skeptischer. Es sei zu befürchten, dass die Reform den einfachen Mietspiegel schwäche, sagte Chefjustiziarin Inka-Marie Storm. „Der qualifizierte Mietspiegel hat eine andere Wirkung vor Gericht, wenn es darum geht, ob eine Miete zu hoch ist oder nicht.“ Der Tübinger Grünen-Abgeordnete Chris Kühn sagte, die Vorschläge blieben hinter dem Notwendigen zurück. So bleibe es bei den Mietspiegeln bei einem rückwirkenden Betrachtungszeitraum von sechs Jahren. „Wir Grüne schlagen eine Ausweitung des Betrachtungszeitraums auf zwanzig Jahre vor, damit nicht die in den letzten Jahren ungebremst gestiegenen Neuvermietungsmieten den Erhöhungsspielraum von Bestandsmieten weiter ausweiten.“