Ein orthodoxes Ritual: Mit dieser Kette betet Cosmin B. während des Prozesses für seinen Bruder Ali B. Foto: Kristina Ratsch

Ali B. hält jahrzehntelang seiner manischen Depression stand – bis er für zwölf Minuten die Kontrolle verliert. Protokoll eines Dramas.

Tübingen - Ali B. hat lange durchgehalten, bevor er sich zwölf Minuten lang verliert. Der September ist noch warm. Passanten tragen T-Shirt und lungern draußen vor den Rottenburger Straßencafés herum, als Ali B. den kurzen Weg von seiner Wohnung zum Kaufland geht. Im kühlen Elektrolicht stellt er eine Wodkaflasche auf das Kassenband, Marke Puschkin, dazu einen Tetrapack Tomatensaft. Sieben oder acht Euro sind in seiner Hosentasche. Er kramt das Geld hervor, bezahlt und holt beim Totto-Lotto-Laden noch einen Energydrink. Zurück zu Hause schenkt er sich ein. Klaren Schnaps und roten Saft, ein Glas nach dem anderen. Später erinnert sich Ali nur noch an die Tür. Wie er da saß, am Küchentisch, die Mische in der Hand und auf die Wohnungstür starrte. Als seine Frau kurz nach 18 Uhr zurückkommt, findet sie nur die leere Wodkaflasche auf dem Balkon. Im Tetrapack auf dem Küchentisch ist ein kleiner Rest zurückgeblieben. Die Wohnung ist leer.