Die Bluttat geschah an der Forststraße im Westen. Foto: Andreas Rosar

Ein Mann hat vor Gericht gestanden, im Stuttgarter Westen eine 77-jährige Frau erstochen zu haben. Er kannte das Opfer nicht.

Stuttgart - Es tue ihm wahnsinnig leid, er habe niemanden töten wollen, so der Beschuldigte. Er hat es aber getan. Und er hat es gleich zu Beginn des Mordprozesses vor dem Landgericht Stuttgart am Montag gestanden. Der 37 Jahre alte gebürtige Stuttgarter habe im Stuttgarter Westen eine ältere, ihm vollkommen unbekannte Frau auf offener Straße erstochen, so Staatsanwalt Andreas Kienle.

Der Ankläger wirft dem Mann, der von Strafverteidiger Stefan Holoch vertreten wird, heimtückischen Mord vor. Allerdings leide der 37-Jährige seit Jahren an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie, weshalb er für sein Tun nur eingeschränkt verantwortlich zu machen sei. Weil er aber eine Gefahr darstelle, müsse er in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht werden, so Kienle.

Es ist die Nacht auf den 8. Dezember des vorigen Jahres. Der 37-Jährige hat wieder einmal schlecht geschlafen. „Ich habe dumme Gedanken gehabt“, sagt er vor der 9. Strafkammer des Landgerichts. Suizidgedanken hätten ihn gequält, er sei drauf und dran gewesen, aus dem Fenster seiner Wohnung an der Forststraße zu springen. Doch der gelernte Bürokaufmann kennt diese Situationen. Und er ist durchaus bereit, Hilfe zu suchen.

„Es ist immer stärker geworden“, so der Beschuldigte

Also habe er morgens den Notdienst angerufen. Dieser habe ihn an einen Psychiater im Marienhospital verwiesen. Dort fuhr er auch hin – mit gepackter Tasche für einen stationären Aufenthalt. Im Warteraum habe etwas in seinem Kopf gesagt, er müsse einen Menschen verletzen, berichtet der Beschuldigte. „Es ist immer stärker geworden“, so der 37-Jährige.

Dem psychiatrischen Gutachter Peter Winckler hatte er gesagt, er habe eine Person töten müssen, um auf diese Weise sein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen. Er soll auch gesagt haben, er habe einen älteren Menschen töten wollen, was er jetzt vor Gericht aber bestreitet. „Es sollte die erstbeste Person sein“, sagt der Mann mit der markanten Brille am Montag im Gerichtssaal.

Also habe er am Morgen des 8. Dezember den Warteraum des Marienhospitals wieder verlassen und sei nach Hause gefahren. Dort sei er ohne Verzögerung in die Küche gegangen und habe ein Messer mit 14 Zentimeter langer Klinge in einen Jutebeutel gesteckt. Damit sei er auf die Straße gegangen, um Ausschau zu halten nach der „erstbesten Person“. Den Jutebeutel habe er genommen, damit ein potenzielles Opfer das Messer nicht sehe, soll der Mann zum Gutachter gesagt haben. Auch das bestreitet er jetzt.

Wortlos zugestochen

Auf der Forststraße kam ihm schließlich gegen 12.20 Uhr eine 77 Jahre alte Anwohnerin entgegen. Der Mann ging auf die ahnungslose Seniorin zu und stach wortlos auf sie ein. Er traf sie in Brust und Rücken, die Lunge, das Herz und die Hauptschlagader wurden verletzt. Das Opfer hatte keine Chance. Die ältere Frau starb kurz nach der Attacke im Katharinenhospital.

Der Beschuldigte, der 2007 das erste Mal vier Wochen in der Psychiatrie verbracht hatte, ging in ein Café an der Rötestraße und bat eine Angestellte, sie möge die Polizei anrufen. Er habe etwas Schlimmes getan, so der Mann damals.

Jetzt steht er vor Gericht und berichtet ohne Punkt und Komma von seinem Leben und von der Tat. Seit Jahren habe er das Gefühl, seine Nachbarn würden ihn überwachen und wollten ihm Schlechtes. Wenn er seine Medikamente nehme, gehe es ihm besser. Ob er seine Tabletten am Tattag genommen hat, ist unklar.

Von dem Opfer ist so gut wie nichts bekannt, was sich im Lauf der Hauptverhandlung noch ändern wird. Der Prozess wird am 15. Juni fortgesetzt.