Die Demo am Samstagnachmittag verlief friedlich. Foto: Julia Schramm

Kurdische Demonstranten haben am Samstag in der Stuttgarter Innenstadt demonstriert. Die Veranstaltung wurde von einem starken Polizeiaufgebot begleitet.

Stuttgart - Eine Demonstration wirft der Türkei den Einsatz chemischer Waffen im Kampf gegen das kurdische Volk vor und nennt den türkischen Präsidenten Recep Erdogan „Terrorist und Kindermörder“. Die von starkem Polizeiaufgebot begleitete Veranstaltung mit gut hundert Teilnehmern verlief friedlich.

Große Aufregung gab es allerdings vor dem Start in der Lautenschlagerstraße, als der Einsatzleiter der Polizei im Bündel der bereitliegenden Fahnen Exemplare mit dem Porträtbild von Abdullah Öcalan entdeckte, dem zu lebenslanger Haft verurteilten, in der Türkei in Einzelhaft befindlichen Führer der PKK, der Arbeiterpartei Kudistans. Der Einsatzleiter bestand darauf, dass diese Flaggen nicht ausgerollt und mitgeführt werden dürften, weil als Zweck der Demonstration ausschließlich der Protest „gegen die mit chemischen Waffen geführten Angriffskriege seitens des türkischen Staates“ angemeldet worden sei. Mit den Öcalan-Flaggen sollte aber auch für „Freiheit für politische Gefangene“ demonstriert werden.

Zweiter Demonstrationszweck soll angemeldet gewesen sein

Nach einigem hin und her konnte der Versammlungsleiter des veranstaltenden „Demokratischen Kurdischen Gesellschaftszentrums“ glaubhaft machen, dass auch der zweite Demonstrationszweck angemeldet, „wegen eines überfüllten Feldes im Pdf-Formular“ in der Genehmigungsbehörde aber „verloren gegangen“ war.

Nun konnte es losgehen, wobei die Organisatoren aber „eine Absurdität“ zu schlucken hatten, wie Sevat Gümes erklärte: „Wir dürfen den Hochruf auf Öcalan nicht auf kurdisch, sondern nur auf deutsch machen“. Verstöße dagegen hätten in der Vergangenheit schon zu „unzähligen Anzeigen“ geführt. Gümes sieht darin „die Folge des Drucks von Erdogan“ und einen „Kniefall der deutschen Justiz vor dem türkischen Präsidenten“. Im Protestzug, der über die Theodor-Heuss-Straße, den Rotebühlplatz bis zum Wilhelmsplatz führte, war die Parole „Biji Serok Apo“ - Apo steht für Öcalan - freilich mehrfach zu vernehmen. Die Polizei griff nicht ein.

Am Startplatz wird Grund der Demo erläutert

Den Demonstrationszug führten acht in weißen Overalls mit aufgedruckten Bluthänden gehüllte Teilnehmer mit Gasmasken an. Sie trugen das Demo-Banner: „Stopp! Nein zur türkischen Invasion in Südkurdistan“. Bei der Auftaktkundgebung am Startplatz wurde der Grund der Demo erläutert: die „Operation Krallenblitz” der türkischen Armee.

Seit April diesen Jahres sei „eine grenzüberschreitende militärische Operation der Türkei gegen Stellungen der PKK in den Autonomiegebieten in Südkurdistan“ im Gange, teils auch auf irakischem Territorium. Zahlreiche Opfer in der Zivilbevölkerung seien zu beklagen, 22 Dörfer entvölkert, und in fünf Monaten seien 138 Luftangriffe mit völkerrechtlich geächteten Chemiewaffen dokumentiert. „Doch die internationale Gemeinschaft schaut weg!“, beklagte eine Rednerin.

Zahl der Polizeibeamten erhöht

„Deutschland finanziert, Türkei bombardiert“, „Stopp mit dem Massaker in Kurdistan“ oder „Alle Besatzer raus aus Kurdistan“ waren einige der Parolen des Demo-Zuges. Transparente beklagten „ethnische Säuberungen und Kriegsverbrechen“ oder „neo-osmanischen Expansionismus von Libyen bis Aserbaidschan“. Je länger die Demonstration dauerte, umso mehr wurde der Ruf „Erdogan Terrorist“ aus dem Demo-Zug heraus zur Hauptparole, ergänzt durch den Ruf „Kindermörder“.

Auf Höhe der Königstraße verdoppelte sich die Zahl der die Demo begleitenden Polizeibeamten auf über 50. Bei der dortigen Zwischenkundgebung wurde dazu aufgefordert, „unabhängige Expertenteams in die Region zu entsenden, um die Vorwürfe

zum Einsatz chemischer Waffen zu untersuchen“. Vor allem gehe es darum „die Augen nicht länger vor den Verbrechen der Türkei zu verschließen“. Die Demonstration verlief ohne Zwischenfälle, bis zum Endpunkt am Wilhelmsplatz, wo auch die „Free Öcalan“-Flaggen wieder eingerollt wurden.