Am 20. November 1995 strahlte die BBC ein Interview aus, das die Monarchie traf wie eine Ohrfeige. Prinzessin Diana sprach über ihre Bulimie, ihre unglückliche Ehe – und ihre Nebenbuhlerin Camilla.
London - Es ist vor allem dieser Blick. Die Augen, in denen so viel Schmerz liegt und auch Resignation. Das Interview, das Prinzessin Diana 1995 dem Journalisten Martin Bashir für die BBC gab, ist bis heute auf Youtube zu finden. Und auch 25 Jahre später tut das Zuschauen weh. Wer der Prinzessin von Wales zuhört, der kann auch ein Vierteljahrhundert später noch nachempfinden, welche Sprengkraft dieses Interview für Großbritanniens Monarchie hatte. Und der versteht auch, dass es für die Windsors noch längst nicht ad acta liegt. Denn auch 25 Jahre später wird über das Bashir-Interview noch heftig gestritten.
Am 20. November 1995 klebten die Briten vor den Fernsehgeräten, um Diana dabei zuzusehen, wie sie ihr Innerstes nach Außen kehrte. Und nicht nur die Briten: Über 200 Millionen Menschen weltweit sollen das Interview damals gesehen haben. Was Diana drei Jahre nach der Trennung vom britischen Thronfolger Prinz Charles zu Protokoll gab, war für viele kaum zu fassen.
„Sie sehen mich als Bedrohung“
Die Prinzessin von Wales ließ keinen Abgrund links liegen. Ihre Bulimie: „Man füllt sich vier, fünf Mal am Tag den Magen voll. Das gibt einem Trost – aber nur für den Moment. Dann ekelt man sich vor sich selbst und übergibt sich. Ein sehr zerstörerisches Muster. Es war ein Symptom meiner unglücklichen Ehe, ein Hilfeschrei.“ Ihre Belagerung durch die Presse: „Je höher die Medien dich heben, desto tiefer ist der Fall. Über die Jahre erkennt man, dass man ein gut verkäufliches Produkt ist und viele Leute viel Geld mit einem machen.“ Über die Strippenzieher im Palast: „Sie sehen mich als Bedrohung.“
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Und natürlich: Ihre unglückliche Ehe. Prinz Charles und Prinzessin Diana waren zu diesem Zeitpunkt schon drei Jahre getrennt. Hinter den Kulissen tobte ein erbitterter Rosenkrieg über Geld, Status – und die beiden Söhne William und Harry. Diana hatte dem Interview mit Martin Bashir vermutlich auch zugestimmt, um die Deutungshoheit über das Ende ihrer Ehe zurückzuerlangen. Die damals 34-Jährige gab zu, dass sie eine Affäre mit dem Reitlehrer James Hewitt hatte („Ich habe ihn angebetet. Ja, ich war in ihn verliebt.“).
Doch dann teilte die Prinzessin heftig aus. Der eigentliche Grund für ihre gescheiterte Ehe sei die Geliebte ihres Mannes gewesen: „Nun, wir waren zu dritt in dieser Ehe – deshalb war es ein bisschen überfüllt.“ Ein Satz, der in seiner resignierten Süffisanz auf Englisch noch besser klingt: „Well, there were three of us in this marriage – so it was a little bit crowded.“
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Vertraute von Prinz Charles versuchten nach dem Interview, das katastrophal angekratzte Image des Thronfolgers zu reparieren: Diana sei eine gute Schauspielerin, die ihren Schmerz zur Waffe umschmiedete. Zu jeder Geschichte gebe es zwei Seiten. Nicholas Soames, ein Freund von Charles und damals Staatssekretär im Verteidigungsministerium, sprach vom „Schauspiel eines angeblichen Opferlamms, das an Verfolgungswahn grenzt“. Besonders hart traf „Team Charles“, dass Diana dem Prinzen von Wales die Eignung für den Thron absprach: „Es ist eine sehr anspruchsvolle Rolle, Prince of Wales zu sein, aber es ist noch viel anspruchsvoller, König zu sein.“ Da sie ihren Noch-Ehemann kenne, sei sie sich nicht sicher, ob er dem „Top-Job“ gewachsen sei.
„Ich wäre gerne die Königin der Herzen“
Als Martin Bashir Diana fragte: „Glauben Sie, Sie werden jemals Königin sein?“, wurde der Begriff geprägt, der untrennbar mit der 1997 so tragisch und so jung verstorbenen Prinzessin verknüpft ist. Diana antwortete: „Ich wäre gerne die Königin der Herzen.“
Noch heute ist Bashirs Interview umstritten. Dianas Bruder, Charles Spencer, wirft dem TV-Journalisten vor, sich die Zusage der Prinzessin zu dem Gespräch mit unlauteren Mitteln erschlichen zu haben. Gefälschte Kontoauszüge und andere Unterlagen sollten demnach den Eindruck erwecken, Menschen wären dafür bezahlt worden, Informationen über Diana preiszugeben. Die BBC weist die Vorwürfe zurück und präsentiert ihrerseits eine handschriftliche Notiz der Prinzessin von Wales, die Bashir entlasten soll.
1995 war das Interview der Tropfen, der für die Queen das Fass zum Überlaufen brachte: Die öffentliche Meinung über die Monarchie war am Tiefpunkt, während die meisten Herzen Diana zuflogen. Elizabeth II., tief getroffen vom Vertrauensbruch ihrer Schwiegertochter, forderte von ihrem Sohn und Diana die Scheidung. Das Paar stimmte zu. Keine zwei Jahre später war Diana tot – verunglückt in einem Tunnel in Paris, nachdem sie und ihr Partner Dodi Al Fayed in einer Limousine von Paparazzi durch die Stadt gejagt wurden.