Miss Frisky führt in rasch wechselnden Kostümen durch einen turbulenten Palazzo-Abend im Spiegelzelt auf dem Wasen. Foto: ubo

Glanz, Genuss, gut gewürzt mit Comedy: „Ladies First“ im Palazzo ist First Class. Schrill ist die neue Show und in sanften Momenten besonders stark. Weil lange nichts ging, fühlt sich alles noch viel intensiver an. Und Harald Wohlfahrt übertrifft sich selbst.

Festlich mit weißem Tuch gedeckte Tische, auf Hochglanz polierte Weingläser, romantisches Kerzenlicht im Abendrot des Chapiteau: Stimmungsvoll werden die Gäste in Harald Wohlfahrts Palazzo empfangen, wie seit Jahren schon. Und doch scheint alles noch viel schöner! Die Pandemie hat die Erkenntnis forciert, dass nichts mehr selbstverständlich ist. Deshalb, so scheint es, werden kostbare Augenblicke bei der Premiere der Show „Ladies First“ auf dem Cannstatter Wasen noch viel intensiver genossen. Die Show ist First Class.

Die Benimmregel „Ladies First“ beruht auf der veralteten Geschlechterhierarchie, wonach Männer über den Frauen stehen, weshalb das „schwache Geschlecht“ ab und zu mal vorgelassen werden sollte, damit es nicht rebelliert. Feministisch ist der Showtitel also kaum, den das Dinner-Spektakel bei seinem Comeback nach zweijähriger Coronapause in der Verneigung vor den Frauen ausgewählt hat. Doch was sind heutzutage noch Ladies und was sind Gentlemen? Im Dinner-Zelt verrutschen die Rollen auf gar wunderbare Weise!

Musik zwischen Grönemeyer und AC/DC

Kerle, denen ihre feminine Seite guttut, Diven, die eine Extraportion Testosteron erwischt haben – in diesem turbulenten Glücksritt wird das begeisterte Publikum mitgerissen, um sich an der Vielfalt des Lebens und der Aromen zu erfreuen. Es treten auf: Frauen, Männer sowie alles dazwischen. Die Show feiert die Diversität und das Leben!

Wild geht’s zu, angetrieben von der großartigen Stuttgarter Band Sidewalkers. Am stärksten ist das Spektakel freilich, wenn die Ladies bei sanften Klängen nachdenklich werden. Dann fallen schöne Sätze wie „Was wir sind, ist nix, was wir suchen, ist alles“.

Miss Frisky, nach unglücklichen Lieben auf der Suche nach dem Glück, führt durch die Show, singt zwischen Grönemeyer und AC/DC mit wechselnden Perücken und schrillen Farben alles, was die ganz unterschiedlich schlagenden Herzen des Publikums beglückt. An ihrer Seite sind großartige Artisten wie LJ Marles, der mit Overknee-Stiefeln und High Heels ein queeres Meisterwerk aus Kraft, Eleganz und Balance an Seilen aufführt. Das irre komische Comedypaar Bruno und Chantal bringt bei Schüssen mit dem Blasrohr das Publikum zum Zittern. Weitere Nervenkitzel-Highlights sind Angélique und Katharina am Trapez, die Hula-Hoop-Tänzerin Anna Fisher sowie das Duo Morosof am Fangstuhl.

Bei „Ladies First“ ist die Regie in Frauenhand. Die Österreicherin Caroline Richards hat die Show vor der Pandemie im Wiener Palazzo inszeniert und für Stuttgart aktualisiert und runder gemacht. Ihre Botschaft könnte lauten: Männer sind anders, als Frauen glauben – und umgekehrt erst recht!

Harald Wohlfahrt bringt Diversität auf den Teller

Für das Vier-Gänge-Menü bleibt ein Mann verantwortlich: Spitzenkoch Harald Wohlfahrt bringt Diversität auf die Teller. So eine Vielfalt an Aromen und Geschmackserlebnissen gab’s im Palazzo noch nie. Obendrein sind die Portionen üppiger als früher. Wenn man was aus Corona gelernt habe, sagt er, sei es, dass es noch viel wichtiger ist, jeden einzelnen Moment zu genießen. Bei den bisherigen Bestellungen liegt die Quote bei der Fleisch-Version bei 80 Prozent. Nur 20 Prozent entscheiden sich fürs Vegetarische.

Das Menü sorgt für Wow-Momente

Schon die Speisefolge klingt wie Poesie. Das klassische Menü beginnt mit einem Törtchen von marinierten Tiefseegarnelen, gebeiztem Lachs an Shisokresse und Schnittlauch. Es folgt ein pochiertes Bio-Ei auf Perlgraupen, Rahmspinat und Trüffelschaum. Als Hauptgang wird eine Maispoulardenbrust an Kürbisgnocchi, Linsencurry und Jus mit orientalischen Gewürzen serviert. Das Dessert ist ein krönender Abschluss: Schokoladen-Passionsfrucht-Kegel an Safranbirne, Feigenconfit, Sauerrahmeis. Für Vegetarier gibt als Vorspeise Frischkäse auf Carpaccio von Tomaten mit Basilikumpesto, gerösteten Pinienkernen und Schnittlauchöl. Der Hauptgang ist wie beim klassischen Menü, nur ohne Hähnchen. Auch vegan gibt’s, muss aber vorab bestellt werden. Wohlfahrt landet einen Volltreffer zum Wohlfühlen mit seinem mutigen Menü, das für Wow-Momente sorgt.

Wer bei der Premiere dabei war

Bei der Premiere am Donnerstagabend gesehen: die Ex-VfB-Stars Hansi Müller und Karlheinz Förster, der frühere Fecht-Weltmeister Alexander Pusch, Travestie-Lady Frl. Wommy Wonder, die Designer Tobias Siewert und Manuel Kloker, Binder-Optik-Chef Helmut Baur, Messe-Chef Stefan Lohnert, Flughafen-Chef Ulrich Heppe, Musiker Gabriel Holz von Fool’s Garden, Profi-Boxerin Alesia Graf, Europameisterin Elisabeth Seitz, Varieté-Chef Timo Steinhauer.

Karten kosten zwischen 99 und 159 Euro

Auch die Veranstalter freuen sich, weil der Vorverkauf so gut gehe wie vor Corona. Es gibt in Stuttgart wohl viele, die sich Karten zwischen 99 und 159 Euro leisten wollen und können. Das Palazzo erinnert daran, wie schön das Leben sein kann. Man vergisst, was sonst fast nonstop bedrückt. Die dreieinhalb Stunden sind Wellness für die Sinne.

Vorverkauf Harald Wohlfahrts Palazzo spielt bis zum 12. März auf dem Wasen mittwochs bis sonntags, im Dezember zusätzlich dienstags. Karten gibt es im Netz unter www.palazzo.org.