Der Mercedes EQXX spielt eine Schlüsselrolle für die neuen Modelle der nächsten Jahre. Foto: M/cedes-Benz AG

Das Forschungsauto Vision EQXX fährt mit einer Batterieladung mehr als 1000 Kilometer. Der Prototyp wurde in nur 18 Monaten entwickelt. Der Autobauer hat große Pläne mit dem Fahrzeug.

Stuttgart - Kurz nach dem Start ins neue Jahr präsentiert Mercedes-Benz eine besondere Neuheit. Mit einer digitalen Weltpremiere hat die Marke mit dem Stern das Elektroauto Vision EQXX vorgestellt.

Kaufen kann man den Wagen allerdings nicht; es ist ein Forschungsprototyp, der eine Schlüsselrolle für die neuen Modelle der nächsten Jahre spielen wird, wie Mercedes-Entwicklungschef Markus Schäfer in einem Gespräch mit unserer Zeitung hervorhebt. „Der Vision EQXX ist kein Showcar, er steht für viel mehr. Er ist ein Technologieprogramm für Mercedes-Benz. Es geht darum, als Forscher und Entwickler weiter zu denken und sich zu überlegen: Was ist wirklich das nächste große Ding, mit dem wir technische Grenzen überwinden können?“

Neue Zellen ermöglichen eine kleinere und leichtere Batterie

„Das absolute Highlight ist der Verbrauch von weniger als zehn Kilowattstunden auf 100 Kilometer im realen Fahrbetrieb“, betont der Entwicklungschef. Das liegt deutlich unter dem Energieverbrauch anderer Stromer und markiert im Wettbewerb einen Spitzenwert bei der Effizienz. „Effizienz ist die neue Währung bei der Elektromobilität. Obwohl ich mir mehr wünsche, wird es auf absehbare Zeit ein eher löchriges Angebot an Ladesäulen sowie nur ein begrenztes Angebot an grünem Strom geben“, sagt Schäfer.

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Der Verbrauch bestimmt ebenso wie der Energieinhalt der Batterien, wie weit man mit einer Ladung kommt. Bei den Batterien konnte nach Angaben des Entwicklungschefs im Vergleich zum elektrischen S-Klassen-Pendant Mercedes-Benz EQS nochmals ein deutlicher Fortschritt erzielt werden. „Die Batterien sind Prototypen der neuesten Zellgeneration mit einem im Vergleich zum EQS nochmals deutlich gesteigerten Energieinhalt. Dies ermöglicht eine deutlich kleinere und leichtere Batterie und eine größere Reichweite“, sagt Schäfer. Die Batterie würde nach Angaben des Unternehmens auch in einen Kleinwagen passen. Zusätzliche Energie bringen Solarzellen auf dem Dach des Wagens. Die Solarzellen sollen bis zu 25 Kilometer zusätzliche Reichweite ermöglichen.

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Mit einer Batterieladung von Berlin nach Paris

Mit einer Batterieladung soll der Stromer mehr als 1000 Kilometer fahren können. Dies entspricht einer Fahrstrecke von Berlin nach Paris. Umgerechnet auf fossile Brennstoffe entspricht dies nach Angaben des Autobauers einem Verbrauch von einem Liter Kraftstoff je 100 Kilometer. Bei den durchschnittlichen jährlichen Fahrleistungen in Europa müsste die Batterie nach diesen Angaben nur einmal im Monat voll geladen werden. Zum geringen Energieverbrauch trägt auch bei, dass der Wagen sehr strömungsgünstig ist und Leichtbauwerkstoffe verwendet wurden.

Neben der Energieeffizienz galten Ressourcenschonung und Umweltverträglichkeit als gleichberechtigte Entwicklungsziele. Dies sieht man unter anderem im Innenraum, wo Kunststoffe und Leder durch neue Werkstoffe auf Basis von Pilzen, Kakteen oder Bambus ersetzt werden. Außerdem werden laut Pressemitteilung bei diesem Forschungsauto in großem Umfang recycelte Materialien verwendet.

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Beim Vision EQXX wurde nach Angaben des Entwicklungschefs eine neue Form der Zusammenarbeit über Grenzen hinweg eingeführt: „Dies gilt sowohl für Abteilungsgrenzen als auch für geografische Regionen“, sagt Schäfer. An dem Zukunftsprojekt hätten die Formel-1-Kollegen in England, aber auch viele Kollegen im Silicon Valley, in China und in Indien mitgearbeitet. Hinzu komme ein Netzwerk aus Start-ups und Forschungseinrichtungen. „Es geht darum, nicht nur die Meinung des deutschen Ingenieurs abzubilden, sondern die Meinung einer heterogenen globalen Erfindergemeinschaft“, erläutert Schäfer.

Der Prototyp wurde in nur 18 Monaten entwickelt

Dieser breitere Horizont ist nach seinen Angaben auch deshalb erforderlich, weil sich das Wettbewerbsumfeld verändert habe. „Es gibt neue Wettbewerber, die nicht aus dem Automobilbau kommen, sondern Techunternehmen sind. Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Die klassische Prägung reicht hier nicht mehr. Wir brauchen in der Transformation die Bereicherung von Menschen, die anderswo ausgebildet worden sind und einen anderen kulturellen Hintergrund haben. Die Vielfalt der Meinungen bereichert uns“, sagt der Automanager. Neue Maßstäbe will Mercedes-Benz mit diesem Zukunftsprojekt auch bei der Entwicklungszeit setzen. „Der Vision EQXX ist in nur 18 Monaten entstanden, von der ersten Idee bis zum fahrbereiten Auto mit einer Straßenzulassung. Das zeigt die hohe Geschwindigkeit, mit der wir Autos entwickeln können, wenn wir uns fokussieren“, berichtet Schäfer. Möglich wurde diese Rekordzeit durch den massiven Einsatz von Software und neuesten digitalen Werkzeugen wie Augmented und Virtual Reality, also Datenbrillen. Viele Testfahrten fanden rein digital im Computer statt.

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Das technische Konzept des Forschungsprototyps soll nun auf Serienautos übertragen werden. „Einige Dinge werden wir schon in den nächsten Jahren in neuen Modellen sehen“, verspricht Schäfer und nennt in diesem Zusammenhang als Beispiel die neuen technischen Plattformen für Kompakt- und Mittelklassewagen, die 2024/25 erwartet werden. „Diese neuen Plattformen sind die Basis für eine ganze Reihe von Modellen, die dann im weltweiten Verbund unseres Produktionsnetzwerks unter anderem auch in Deutschland produziert werden“, kündigt der Entwicklungschef an.