Die Neuen kommen: Diese Winterdienstfahrzeuge für den Flughafen lenken sich selbst. Foto: dpa/Marijan Murat

Das autonome Fahren erreicht mehr und mehr auch den Flughafen Stuttgart. Von diesem Winter an ist neuartiges Gerät im Einsatz, um Schnee und Eis wegzuräumen. Ist das die Zukunft?

Wenige Wolken, überwiegend blauer Himmel und wohltuend warme Sonnenstrahlung – am Flughafen Stuttgart deutet am Mittwoch nichts auf winterliche Verhältnisse hin, dennoch spulen ein paar Winterdienstfahrzeuge ein vorgegebenes Programm ab. Denn die Flughafengesellschaft und das Unternehmen Aebi Schmidt Group stellen da autonom operierende Fahrzeuge vor, die das Schneeräumen auf der Start-und-Landebahn, auf den Rollwegen und auf dem Vorfeld einmal gründlich verändern sollen. Der Flughafen Stuttgart ist ab sofort das Testfeld für die neue Winterdienst-Technologie.

Die beiden neuartigen Fahrzeuge werden Flughafen-Kehrblasgeräte genannt, weil sie außer über den Pflug an der Front auch noch über eine Kehrwalze in der Mitte und kraftvolle Blasgeräte im hinteren Bereich verfügen. Neu an diesen speziellen Modellen ist der sogenannte Airfieldpilot, den die Aebi Schmidt entwickelte. Dieses System ermöglicht es den Fahrzeugen, mit GPS-Signalen aus der Satellitenwelt zentimetergenau eine einprogrammierte Route zu befahren, sich automatisch mit anderen Fahrzeugen im Konvoi abzustimmen und Schneepflug, Kehrwalze und Gebläse nach einem vorgegebenen Räumkonzept einzusetzen – und dies auch noch ohne eine Person im Führerhaus.

Noch hält sich jemand zum Steuern bereit

Noch aber sitzen bei den Testfahrten aus Sicherheitsgründen jeweils ein Mann oder eine Frau hinter dem Steuerrad bereit, um notfalls eingreifen zu können, falls das Winterdienstgerät der Zukunft auf Abwege kommen sollte. Die ersten Erfahrungen seien freilich gut, verlautet von den Projektbeteiligten der Flughafengesellschaft. Einzig das eine oder andere Störsignal hat bei ersten Probefahrten dem auf dem Mobilfunknetz basierenden System dazwischengefunkt – was für die Flughafengesellschaft ein weiterer Anstoß werden könnte, den Aufbau eines unabhängigen 5G-Mobilfunknetzes für den Airportbereich anzugehen. Vor der Coronapandemie, vor dem Einbruch des Luftverkehrs und der Kostensenkung in der Flughafengesellschaft war dieser Schritt bereits angepeilt.

Der neue Dreh beim Räumen wird nicht gleich sämtlichen bisher eingesetzten Helfern das Üben der Wintereinsätze ersparen und vermeiden, dass sie nach heftigen Schneefällen und Eisbildungen um 2 Uhr morgens aus dem Schlaf geklingelt werden, um den Flughafen betriebsbereit zu halten. Ein Schicksal, das bis zu 180 Beschäftigte der Flughafen Stuttgart GmbH immer wieder unvorhergesehen ereilt. Wie Anfang Januar 2019. Da musste der Flugverkehr sogar 50 Minuten komplett eingestellt werden musste, weil der Konvoi der Schneeräumer auf der dreieinhalb Kilometer langen Piste gleich wieder von vorn anfangen musste, kaum dass er einmal durch war.

Dem Räumtrupp winkt Entlastung

In der Regel sind es sogar Freiwillige, die hier mitmachen, obwohl es ein schwieriger Job ist, oftmals bei Dunkelheit, Nebel oder Schneesturm dem Flugverkehr eine Bahn zu schlagen, wie Flughafengeschäftsführer Ulrich Heppe voller Respekt sagt. Einigen winkt nun zumindest Entlastung durch die fortschreitende Automatisierung.

Die ist nun, nachdem vorher ähnlich wie in vielen Automobilen schon Fahrassistenzsysteme auf den Weg kamen, bei der Stufe 3 angekommen, sagt Henning Schröder, Geschäftsleiter in der Aebi Schmidt Group: Die Fahrzeuge lenken umfänglich allein, und wenn eines vom programmierten Kurs abkommt, folgen ihm die anderen. Einzelne Komponenten der Winterdienstfahrzeuge konnten schon seit einiger Zeit automatisiert eingesetzt werden. Nun aber hat man ein „voll integriertes System“, bei dem der Lkw und das angehängte Kehrblasgerät über dieselbe technische Plattform gesteuert werden.

Die Flughafen-GmbH schätzt Innovationen

Die Technologie dafür soll von diesem Winter an nun in der Praxis getestet werden. Wenn alles klappt, wäre es folgerichtig, wenn eine Flotte von sechs oder sieben Fahrzeugen zum Einsatz kommt. Wann man so weit sein wird, steht noch nicht fest. Vielleicht werde es in zwei bis drei Jahren möglich werden, vermutet man in den Reihen der FSG. Das hänge nicht zuletzt auch an rechtlichen Dingen.

Die FSG ist auf jeden Fall aufgeschlossen für neue Technologien. Die Flughafenbetreiberin setzt auf dem Vorfeld nicht nur elektrische Pkw und sogar Passagierbusse und Gepäckschlepper ein, letztere lässt sie seit vergangenem Jahr als Folge ihrer Kooperation mit der Firma VOLK in Bad Waldsee auch schon testweise autonom fahren. Flughafenchef Heppe sagt, man verstehe sich eben auch als Plattform für das Ausprobieren neuer, nachhaltiger und innovativer Technologien.

Wichtig trotz Klimawandel

Von den neuen Räumfahrzeugen darf sich die FSG nach Auffassung der Aebi-Schmidt-Verantwortlichen auch handfeste Vorteile im späteren Regelbetrieb erwarten: Der Airfieldpilot halte den Räumtrupp auch bei widrigen Bedingungen auf Kurs. Er helfe Unfälle zu vermeiden und erlaube es, den Aufwand für das Training des Personals zu reduzieren. Gerade in Skandinavien werde bei Beschaffungen von Gerät großes Augenmerk auf die Automatisierung gelegt. Aber nicht nur dort. Und eine Trendumkehr erwartet man bei der Aebi Schmidt Group nicht einmal im Gefolge des Klimawandels. Denn selbst wenn da und dort die Nettoschneemenge im Winter zurückgehe, müsse mit Schnee und Eis noch gerechnet werden. Sie kämen vielleicht sogar noch unvorhersehbarer als jetzt. Und die Flughäfen sollen dann nicht geschlossen werden.

Die Entstehungsgeschichte

Projekthistorie
Die automatisierten Winterdienstfahrzeuge sind ein Ergebnis des Projektes SmartFleet – autonome Nutzfahrzeuge für den sicheren und effizienten Flughafeneinsatz“. Es wurde im Jahr 2019 gestartet und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. Das Forschungsvorhaben hat ein Gesamtvolumen von 3,9 Millionen Euro.

Konsortium
Dazu gehört neben der Flughafen Stuttgart GmbH auch die Firma Volk Fahrzeugbau GmbH (Bad Waldsee), die am autonomen Gepäckschlepper arbeitet. Während der dreijährigen Kooperation erforschten die Partner auch die Effekte der Technologie für das Arbeitsumfeld.