CDU-Landeschef Manuel Hagel (links) lobt in der Liederhalle das Buch von Lisa Federle und Boris Palmer. Foto: ubo

Die Annäherung von CDU und Boris Palmer geht weiter: Beim Buchtalk in der Liederhalle wird politisch geflirtet. Manuel Hagel lobt den Tübinger OB in den höchsten Tönen.

Drei Personen sitzen auf der Bühne, zwei sind in der CDU (Manuel Hagel und Lisa Federle), einer (Boris Palmer) ist parteilos – aber in fast allen Punkten sind sich die drei Duz-Freunde an diesem Abend im voll besetzten und vor Harmonie strotzenden Mozartsaal der Liederhalle einig. „Das Leben von Boris Palmer ist ein Rezeptbuch für gelebten Pragmatismus“, lobt der CDU-Landesvorsitzende Hagel.

Der Ministerpräsidentenkandidat ist für die Lesung und den Buchtalk als Moderator gebucht, äußert aber, statt nur zu fragen, immer wieder seine eigene Meinung. Und die wird vom Publikum als Flirten um den Tübinger OB wahrgenommen. Andere wiederum sagen, auch Palmer habe um die CDU geflirtet.

Palmer versichert: „Bin immer noch nicht bei euch eingetreten“

„Loben lasse ich mich auch unwidersprochen“, erklärt Boris Palmer anderntags bei Facebook zu den überaus freundlichen Worten von Hagel. Am Abend hatte er noch zu den beiden CDU-Mitgliedern neben ihm gesagt: „Ich bin immer noch nicht bei euch eingetreten.“ Lag die Betonung auf „noch“?

Lisa Federle, die den Moderator mehrfach als „unseren hoffentlich nächsten Ministerpräsidenten“ bezeichnet, glaubt nicht, dass der Tübinger OB trotz des öffentlichen Flirtens der CDU beitritt. „Boris ist ein Freigeist, ein unabhängiger Kopf, das macht ihn so charmant“, sagt sie am nächsten Morgen unserer Redaktion, „den würde auch die CDU nicht in den Griff bekommen.“

Und Manuel Hagel erklärt am Tag nach der Präsentation des Federle/Palmer-Buchs „Wir machen das jetzt“, das er seinem Publikum empfohlen hat: „Boris, Lisa und ich sind seit vielen Jahren befreundet und uns in vielen politischen Fragen einig, aber noch mehr, in dem was jetzt zu tun ist, damit wir unser Land wieder flott bekommen.“ Palmer sei „einer mit Ecken und Kanten, ein Charakterkopf“, der sage, was er denke und dazu stehe, „auch wenn es Gegenwind gibt“. Zu seiner „Idee von der Politik aus der bürgerlichen Mitte“ heraus passten die beiden Buchautoren, für die er in die Bütt steigt.

Die Schlange vor den Signiertischen ist in der Liederhalle sehr lang. Foto: ubo

Einigkeit herrscht an diesem Abend auch, dass vieles schief läuft im Land. Willkommen in Absurdistan, dem deutschen Paralleluniversum, in dem ein falsch gedruckter Buchstabe mehr Macht hat als gesunder Menschenverstand! Was Manuel Hagel in der Liederhalle berichtet, sorgt beim Publikum für Gelächter, das aber vor Entsetzen fast im Hals stecken bleibt.

Hagel prangert Bürokraten-Irrsinn an

Beim Besuch der Produzenten der „Staufer Spirits“ auf der Ostalb hatte der CDU-Politiker eine Flasche Gin geschenkt bekommen. Die bewahrte er in seinem Büro im Landtag auf. Dann kam plötzlich ein Parteifreund, der ihn warnte: Die Flasche dürfe er auf keinen Fall trinken, weil das Landratsamt Aalen dies verboten habe. Er müsse seinen geschenkten Gin umgehend zurückgeben, um sich nicht strafbar zu machen.

Einem Schwaben fällt es schwer, ein Geschenk zurückzugeben. Manuel Hagel erzählt augenzwinkernd davon. Doch was er vor 500 Besucherinnen und Besucher im Mozartsaal berichtet, ist kein Gag, sondern purer Bürokraten-Irrsinn. Auf dem Flaschen-Etikett für den 3-Löwen-Gin sei das „e“ in der Firmenanschrift „Hölderlinweg“ um 0,07 Millimeter zu schmal! Dies hätten Ermittler des Landratsamts entdeckt und seien dagegen vorgegangen.

Das „e“ aus „Hölderlinweg“ sei auf dem beanstandeten Etikett 1,08 Millimeter hoch. Laut europäischer Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) müsse es mindestens 1,2 Millimeter hoch sein. Da es bei der Messung eine Toleranz von 0,05 Millimetern gibt, geht es in diesem Fall also um die hauchdünne Abweichung von 0,07 Millimetern – um die Größe eines Haars.

Unglaublich, aber wahr! Der Tübinger OB Boris Palmer kann dazu berichten, dass die Behörde das Etikett unter das Mikroskop gelegt habe, um den Fehler exakt nachzuweisen. Sein Kommentar dazu: „Wir brauchen in Behörden Menschen, die erkennen, wenn es gut ist, nichts zu tun.“

Solche Geschichten sind in Deutschland Alltag

Solche Geschichten wie die mit dem Gin sind in Deutschland keine Ausnahmen, sondern Alltag. Palmer hat deshalb mit der Tübinger Notärztin Lisa Federle das Buch geschrieben, das es bereits in die „Spiegel“-Bestsellerliste geschafft hat. Ihre Botschaft: Man sollte nicht ständig anprangern, dass was nicht geht, sondern das machen, was geht!

Oft scheint es, als ob Behörden weniger dazu da sind, Dinge möglich zu machen, als vielmehr, sie zu verhindern. Dabei agieren sie nicht böse oder böswillig – sie folgen halt einfach nur den Gesetzesregeln. In Tübingen hatte Cem Özdemir, der Ministerpräsidentenkandidat der Grünen, bei der Premiere des Buchs von Federle und Palmer die Rolle des Moderators übernommen – in Stuttgart ist es Manuel Hagel. „Wir können also sagen, dass der künftige Ministerpräsident – egal wer es wird – unser Buch gelesen hat“, freut sich Palmer.

Mario Kera (Zweiter von rechts), der Wirt des Roberts, mit Palmer, Hagel und Federle nach der Lesung in seinem Lokal. Foto: ubo

Nach dem Talk und der Lesung signieren alle drei – die Schlange ist sehr groß. Im Anschluss geht’s zu Wirt Mario Kero ins Roberts – auch Rezzo Schlauch ist mit dabei. Mit ihrem Buch, sagt Lisa Federle, will sie zeigen, „dass man was machen kann“. Angesichts der weltweiten Krisen könne man froh sein, „dass wir hier leben“. Weil der Buchtalk in der Liederhalle so gut angekommen ist, wird noch am Abend beschlossen, ihn in der selben Besetzung in Ehingen zu wiederholen, wo Hagel herkommt.