Regierende Bürgermeisterin Berlins und Wahlkämpferin: Franziska Giffey (SPD) Foto: dpa/Soeren Stache

Die Ausschreitungen in der Silversternacht und die Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin am 12. Februar beschäftigen die Sozialdemokraten auf ihrer Vorstandsklausur.

Hingehen, zuhören, anpacken. Das sind die drei Worte, die Franziska Giffey formuliert, als es darum geht, wie die Politik auf die Gewalt gegen Polizisten und Feuerwehrleute in der Silvesternacht reagieren soll.

Die Ereignisse hätten sie zutiefst erschüttert, sagt die SPD-Politikerin, die seit einem Jahr Regierende Bürgermeisterin von Berlin ist. Das hätten auch unter den Einsatzkräften „selbst hartgesottene, die seit 30, 40 Jahren im Dienst sind, so noch nicht erlebt“. Giffey wirbt angesichts der Tatsache, dass unter den Beschuldigten viele Menschen mit ausländischem Pass sind, um eine differenzierte Betrachtungsweise.

Sie verweist auf viele Menschen mit Migrationshintergrund, die in Berlin-Neukölln selbst bei Polizei und Feuerwehr arbeiteten. Auf viele Leute in den Vierteln, deren ursprüngliche familiäre Wurzeln nicht in Deutschland lägen und die wütend über die Gewalt seien. „Die leiden darunter“, sagt Giffey. Ja, sie schämten sich für die Geschehnisse, so die Regierende Bürgermeisterin, und sie sagten deutlich: „Nicht in meinem Namen!“

Verbale Attacken von der Union

Eigentlich wollte die SPD auf ihrer Vorstandsklausur im Willy-Brandt-Haus in erster Linie darüber sprechen, wie ihre Ideen für eine starke Infrastruktur in Deutschland aussehen. Und, ja, natürlich wollte man auch einen Ausblick auf das Wahljahr werfen. Die Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin am 12. Februar, das zeigt sich auch bei der Pressekonferenz mit SPD-Chef Lars Klingbeil und Wahlkämpferin Franziska Giffey nach der Klausur, ist nach den Vorfällen in der Silvesternacht noch einmal stärker in den Focus gerückt.

Die Union hat seit der Silvesternacht die Gelegenheit zu zahlreichen verbalen Attacken gegen die in der Hauptstadt regierende rot-grün-rote Koalition genutzt – besonders laut tönte es aus Bayern. „Berlin entwickelt sich leider zu einer Chaos-Stadt – beginnend bei der Politik, die weder Wahlen organisieren noch die Sicherheit ihrer Bürger garantieren kann“, hat CSU-Chef Markus Söder dem „Münchner Merkur“ gesagt. Wenn Berlin nicht Recht und Gesetz durchsetze, müsse es notfalls finanzielle Folgen geben – etwa über den Hebel des Länderfinanzausgleichs, sagte der CSU-Landeschef im Bundestag, Alexander Dobrindt, sogar.

Während diese Aussage als reine Wahlkampffolklore zu werten sein dürfte, könnte die Erzählung von Berlin als gescheiterter Stadt den Wahlchancen der SPD in der Hauptstadt durchaus zuzusetzen. Denn die Tatsache, dass es in Berlin nun zu einer Wahlwiederholung kommt, ist für die Hauptstadt-SPD eine riesige Peinlichkeit.

Zahllose Wahlpannen

Nach zahllosen Wahlpannen – von Endlos-Schlangen vor Wahllokalen bis hin zu falschen oder fehlenden Stimmzetteln – hatte der Berliner Verfassungsgerichtshof entschieden, dass die Wahlwiederholung notwendig sei. Giffey kann sich zwar darauf berufen, dass sie – die damals noch nicht Regierende Bürgermeisterin war – persönlich nicht für die Pannen verantwortlich ist. Aber wird ihr das wirklich nützen?

Klar ist: Es ist alles andere als sicher, dass die SPD in der Hauptstadt wieder stärkste Kraft wird. Die CDU hat Chancen, vorn zu liegen. Auch die Grünen könnten diesmal an erster Stelle liegen. Das Rennen ist komplett offen. Giffeys Vorteil ist, dass sie deutlich bekannter ist als die anderen beiden Spitzenkandidaten: Kai Wegner (CDU) und Bettina Jarasch (Grüne). Zweieinhalb Prozentpunkte betrug der Vorsprung der SPD zu den Grünen bei der Wahl, die Ende September 2021 parallel zur Bundestagswahl stattfand, noch. Das ist nicht viel.

„Eine, die Probleme klar anspricht“

Giffey gewann damals die Wahl, obwohl ihr zuvor ihren Doktortitel wegen Plagiats entzogen worden war. Ihre Stärke als Wahlkämpferin im Januar 2023 dürfte darin liegen, dass sie sich schon in der Vergangenheit als Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln, aber auch in ihrer Zeit als Bundesfamilienministerin den Ruf erarbeitet hat: Da ist eine, die Probleme, auch bei Integrationsfragen, klar anspricht – ohne die Empathie für die Menschen zu verlieren.

So wiederholt sie jetzt auch einen Satz, den sie in ihrer Zeit als Bezirksbürgermeisterin gern über Neukölln gesagt hat. „Berlin ist mehr als die Summe seiner Probleme“, sagt Franziska Giffey.