Fürs Plaudern ist an Supermarktkassen oft nur wenig Zeit. (Symbolbild) Foto: imago/photothek/Ute Grabowsky

In den Niederlanden hat eine Supermarktkette sogenannte Plauderkassen für alte und einsame Menschen eingeführt. Doch sind Supermärkte wirklich geeignete Begegnungsorte oder sollte an anderer Stelle angesetzt werden?

Stuttgart - Die Frage, wie Supermärkte in einer immer älter werdenden Gesellschaft mit Senioren umgehen wollen, mag vielleicht seltsam klingen. Denn andere Orte und Verbände, die sich gezielt mit alten Menschen auseinandersetzen, sind für das Thema womöglich ja besser geeignet. Das Projekt der niederländischen Supermarktkette Jumbo widerspricht dieser Annahme. In mehreren Filialen hat das Unternehmen sogenannte Plauderkassen eingeführt: Kassen, die vor allem alten Menschen die Gelegenheit zum stressfreien Einkaufen und, wie der Name schon sagt, zum Plaudern geben sollen.

Ist das pures Marketing oder steckt mehr hinter der Idee? „Ich glaube schon, dass es da einen hohen Gesprächsbedarf gibt – auch zum Verweilen“, sagt Martin Schneider, Mitarbeiter in der ambulanten Hilfe für ältere Menschen bei der Evangelischen Gesellschaft (eva) Stuttgart. Die eva bietet Senioren verschiedene Angebote an, um vernetzt und mobil zu bleiben. Bei einer extra Kassenlinie sei er sich allerdings nicht sicher, ob die nicht zur Stigmatisierung alter Menschen beitrage. Das Konzept müsse deshalb richtig umgesetzt werden, beispielsweise ohne Altersbeschränkungen.

Wie sieht es in deutschen Supermärkten aus?

Generell spiele für alte Menschen „die Suche nach Kontakt eine wichtige Rolle.“ So würden manche Senioren Kioske vor allem aus dem Grund heraus besuchen, um mit den Besitzern ins Gespräch zu kommen. Und in Haushalten, in denen Pflegedienste die Einkäufe übernehmen, seien viele ältere Menschen nicht glücklich mit der Situation. „Weil sie selber dabei sein und den Kontakt sowie Austausch erleben wollen“, sagt Schneider. Auf der anderen Seite komme es für Senioren oft zu Stresssituationen an der Kasse: „Das geht ja teilweise mir schon zu schnell.“

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Nachfrage bei drei Supermärkten: Edeka Südwest, Rewe und Tegut. Wie begegnen sie älteren Menschen in ihren Märkten? Ein Sprecher von Rewe sagt, dass die meisten Kunden erst an der Kasse mit einem Marktmitarbeiter in den Dialog kommen würden. „Aber gehört auch die Bereitschaft für ein kurzes Gespräch während des Kassierens.“

“Es ist kein Zertifikat fürs Plaudern“

Edeka Südwest legt laut einer Sprecherin des Unternehmens den Fokus auf „die Bedürfnisse und besonderen Anforderungen älterer Kundinnen und Kunden.“ Das Qualitätszeichen Generationenfreundliches Einkaufen des deutschen Handelsverbands biete dafür entsprechende Richtlinien.

Eine, die dieses Zertifikat ausstellt, ist Helen Schnürle, Referentin für Vertrieb und Mitgliederservice beim Handelsverband Baden-Württemberg. Sie besucht regelmäßig große und kleine Läden, die sich ein solches Qualitätszeichen ausstellen lassen wollen. „Die Bedingungen für die Verleihung des Zertifikats nehmen nicht nur ältere Menschen ins Visier, sondern auch körperlich Eingeschränkte oder Eltern mit Kindern“, sagt sie.

Da gehe es um Punkte wie die allgemeine Barrierefreiheit des Geschäfts, Gänge, die eine bestimmte Größe vorweisen müssen oder die Kennzeichnung von nassen Böden. Aber gibt es auch Kriterien für den Austausch von Mitarbeitern mit den Kunden? In dem Bereich werde mitunter darauf geachtet, ob Mitarbeiter schnell gefunden, die Kunden auf Wunsch zum Produkt begleitet werden und ob es dann entsprechende Erklärungen seitens der Mitarbeiter gebe, sagt Schnürle. Aber: „Es ist kein Zertifikat fürs Plaudern.“

Von Kaffee für einen Euro und Lädchen

Bei Tegut gibt es zwar keine Plauderkassen, dafür aber Kaffee-Ecken, mit denen die Supermarktkette eine ähnliche Philosophie verfolgt. In allen neuen Läden, so auch in Stuttgart, gibt es laut einer Sprecherin eine Kaffeestation mit Steh- und Sitzgelegenheiten, „um Gespräche der Kunden untereinander zu fördern“. Frisch aufgebrühter Bio-Kaffe koste dort einen Euro.

Außerdem betreibe das Unternehmen 28 sogenannte Lädchen im ländlichen Raum, die in mehr als der Hälfte der Fälle mit sozialen Institutionen und Integrationsbetrieben zusammenarbeiten würden. „Wir freuen uns über einen großen Zuspruch der sozialen Institutionen, denn die Arbeitsplattform ist ideal, um die Menschen wieder zu einem Teil der Gesellschaft werden zu lassen“, so die Tegut-Sprecherin.

Der Supermarkt als Begegnungsstätte

Plauderkassen sehen alle drei Märkte in ihrem Betrieb derzeit nicht als notwendig an. Man sei gut aufgestellt, heißt es seitens der Supermärkte. Dass jedoch mehr Anstrengungen im Umgang mit alten und einsamen Menschen unternommen werden sollten, sagt Martin Schneider von der eva. „Wir stehen bei dem Thema grundsätzlich auf der Stelle.“

Sein genereller Appell: Supermärkte könnten einen langsameren Lebensstil und mehr zwischenmenschlichen Kontakt definitiv leisten. „Der Supermarkt ist ein guter Ort – vielleicht kein perfekter – aber ein guter Ort dafür“, so Schneider. Die Einkaufsläden seien Räume, an denen verschiedene Menschen mit einem Ziel zusammenkommen würden – dem Einkaufen.